Blavius | |
AFS-31/TAFS-47
- Standort: "Preschen" (ein
Ort südlich des Flugplatzes, der eigentlich mit dem
-
Geschwader nichts zu tun hatte, hierhin verirrten sich
-
regelmäßig Reservisten) oder "NVA Forst"
-
(Postadresse: NVA, Postfach, 2160 Forst/L.)
- Kreis Forst, Bezirk Cottbus (heute: Land Brandenburg)
1. bis 30. November 1974: Aufstellung der
Aufklärungsfliegerstaffel 31 (AFS-31; zeitweise auch AS-31) auf Befehl des Ministers für
nationale Verteidigung am Standort Preschen. Das fliegende und
technische Personal rekrutierte sich anfangs vorwiegend aus der 3. Jagdfliegerstaffel des
JG-3 und solchen die von anderen Einheiten "weggelobt" worden. Auch das
notwendige Material, die Ausrüstung wurde überall zusammengesucht. Es war ein - lt.
ihrem 1. Kommandeur - ein "wilder Haufen". Die Ausbildung zur Luftaufklärung
erfolgte in der Praxis, es gab aber auch verschiedene Schulungen in Bautzen und
Kamenz.
Die Einheit unterstand zunächst dem JG-3 und
gehörte somit zum Verband der 1. LVD. Bis 1977 war die AFS-31 noch
im Diensthabenden System (DHS) des JG-3 integriert.
Mit Aufstellung des FO FAFK 1981/82 wurden
die Voraussetzungen für die Herauslösung der Frontflieger aus der Luftverteidigung
geschaffen. Die Einheit wurde diesem neuen Führungsorgan unterstellt in AS-47
umbenannt. Am 21.10.1982 wurde die AS-47 eine selbständige Einheit der
Frontfliegerkräfte der NVA und am 01.11.1986 in Taktische Aufklärungsfliegerstaffel 47 (TAFS-47)
umbenannt.
Kommandeure:
Aufgabe der selbständigen Staffel war die
Luftaufklärung für die Landstreitkräfte (LaSK), aber auch der Volksmarine: visuell
durch den Piloten bzw. mittels Fotokameras. Fotografiert wurde mit Hilfe der Kamera AFA -
39 mit schwarz / weiß Film bzw. mit dem Falschfarbenfilm "SN-6".
Die Überschallflugzeuge sorgten - im Gegensatz zu den vorher bzw. gelegentlich für die
LaSK verwendeten AN-2, AN-26 - für eine schnelle Luftaufklärung. Durch den Piloten
visuell aufgeklärte Ziele wurden per Funk durchgegeben, zur Entwicklung der Filme
benötigte der Luftbildzug nach Rückkehr, Landung und Aushändigung des Films ca. 10
Minuten (Auswertung am nassen Film). Die Ziele konnte in Höhen zwischen 100 m und
11.000 m sowie Geschwindigkeiten bis 1,3 Mach - also auch im Überschallbereich - mittels
der Fotokameras aufgeklärt werden. Bei höheren Geschwindigkeiten traten Schwingungen
auf, die exakte Aufnahmen vereitelten. Neben "normalen" Luftaufnahmen hob der
SN-6-Film z.B. abgestorbene Vegetation (abgeschlagene Äste, die länger als 3 Stunden zur
Tarnung verwendet worden) hervor und enttarnte manche Panzerstellung. Die Kommandeure der
LaSK mußten umdenken, denn sie wurden nun bei den Übungen beobachten und der
"Gegner" konnte seine Handlungen operativ ändern.
Beispiele für erfolgreiche Aufklärungen:
- Ministerzug / Kommandeursstellungen wurde(n) enttarnt, da auf den Fotos Waggons am
Waldrand oder gar weißgedeckte Tische oder bunte Autos im Wald entdeckt wurden.
- Der Gefechtsstand (GS) Neubrandenburg der 3. LVD wurde enttarnt,
da von einem Wohnheim ein Trampelpfad über einen Acker in den Wald entdeckt wurde.
- Eine Kfz-Kolonne wurde entdeckt, da sie am südlichen Waldrand abgestellt war
und die Mittagssonne sich in ihren Scheiben spiegelte.
- Die Schiffstarnung der 1. Flottille der Volksmarine wurde erfolgreich überprüft sowie
deren unter Wasser verlegten Minen mit Hilfe des SN-6-Films gefunden.
- Die "Oste" - ein BRD-Aufklärungsschiff - wurde entdeckt, obwohl die
Silhouette ihres charakteristischen runden Turms extra verändert worden war. Sie fühlten
sich sicher, was ihren Kapitän auch veranlasste, sorglos in die Kameras der
NVA-Aufklärer zu winken.
Die Einheit nahm an einer Vielzahl von Truppenübungen,
wie"UDAR", "SEWER", "JUG", "ELKOP",
"GRANIT", "NORDWIND" oder "WAL-77" teil. Das und die
Aufklärungslehrgänge machte zahlreiche Verlegungen auf andere Flugplätze notwendig, so
daß sich der Begriff "Waderzirkus" zu recht einbürgerte.
Auszug aus der Staffel-Chronik:
Truppenbesuche erfolgten im Ausbildungsjahr 1978/79 durch ausländische
Delegationen, Militärräte sowie Mitgliedern der Partei- und Staatsführung,
einschließlich Erich Honeckers. Die Vorführungen wurden (wie gewohnt) mit hohem Aufwand
betrieben, so demonstrierte die AS-31 den Start von Behelfsstartbahnen unter feldmäßigen
Bedingungen der Dezentralisierung. Vom 15.-29.09.1986, genau einen Monat nach der
Truppenübung "DRUSHBA-86", wurde die Staffel durch das Vereinte Oberkommando
des Warschauer Vertrages inspiziert und erreicht die Gesamtnote "Gut".
Die 623 beim Landeanflug auf Preschen. |
Die 623 als "altes Eisen" in Rothenburg. |
Die MiG-21 F-13 mit der Werksnummer N74211916,
Indienst 1962 im JG-8. Dananch tat sie im JG-3 bzw. AFS-31 / TAFS-47 ihren Dienst. Zum
23.10.1985 "gelöscht" und im Pionierlager Forst / L. aufgestellt, nunmehr im
FP-Museum Rothenburg. |
- Flugzeugtypen:
ausgerüstet mit MiG-21F-13 vorwiegend aus dem Bestand der MiG-21F13 -
Staffeln des JG-3. Der letzte Flugtag der MiG-21 F-13 war der 03.10.1985 - das war das
Ende der Dienstzeit für die MiG-21F-13, die TAFS-47 übernimmt dafür MiG-21M.
Im Bestand waren regelmäßig:
3 Schulmaschinen und
14 Kampfmaschinen
Die Aufklärungsstaffel hatte neben den "normalen" Bestand
einer Jagdfliegerstaffel (ca. 90 bis 100 Mann), noch einen Luftbildzug (LBZ; LKW's vom Typ
von URAL
mit Aufbauten, in denen die Aufnahmen entwickelt und ausgewertet worden / gewöhnlicher
Standort am Personaldienstgebäude) sowie einen Fliegertechnischer Zug (FTZ), der jedoch
dem Fliegertechnischen Bataillon (FTB) des JG unterstellt war.
Die Fotokamera AFA-39 war bei der MiG-21F13 anstelle des
rechten Bordscheinwerfers eingebaut, was bei der Nachtausbildung der Piloten den
jeweiligen Einbau und nach der Schicht den Ausbau des Bordscheinwerfers notwendig machte.
Praktisch standen daher gewöhnlich jeweils 6 Maschinen mit Fotokamera und 6 Maschinen
Bordscheinwerfer in der Staffel zur Verfügung. Mit der MiG-21M entspannte sich die
Situation, die Kameras wurden an die Außenträger angehängt.
Hier seht Ihr ein Foto der 602, eine MiG-21M
(Werksnummer 0706, Indienststellung im August 1969 im JG-7, später TAFS-47) mit BW-Kenner
22+88, zuletzt im Besitz der Fa. AEROTEC, Rothenburg:
Das Bild daneben zeigt die Vorstartlinie in Preschen Mitte der 80er Jahre. Die
Maschinen stehen ziemlich weit "unten", gegenüber der TDZ (Technischen
Dienstzone = Raketen"lager"). Folge: es handelt sich um Maschinen der TAFS-47
und da es sich nicht MiG-21F13 sind, wurde das Foto nach 1985 geschossen.
Vorkommnis:
Ein fast kurioses Vorkommnis ereignete sich etwa 1979:
Zur Luftkampfausbildung startet eine MiG-21U und eine MiG-21F-13 als
Ziel. Während der Durchführung der Luftkampfmanöver kam es zu einer unklaren Fluglage
der MiG-21U, mit hoher Wahrscheinlichkeit durch einen Steuerfehler. Da es nicht gelang den
Flugzustand zu stabilisieren, entschied sich der Fluglehrer, Major Peter Praetsch, den
Befehl zum Katapultieren zu erteilen. Der auszubildente Flugzeugführer in der ersten
Kabine führte diesen Befehl nicht aus und der Fluglehrer katapultierte sich in der
Sicherheitshöhe.
Der Katapultiervorgang verlief erfolgreich. Mit Hilfe der
Gewichtsveränderung (fehlendes Dach, fehlender Sitz, fehlender Fluglehrer) und der
gänderten Aerodynamik (offene 2. Kabine mit erhöhtem Luftwiderstand) konnte der
Flugzeugführer in der ersten Kabine den unklaren Flugzustand beseitigen und das Flugzeug
mit vollständig ausgezogener Teleskopstange des Sitzes auf dem Flugplatz PRESCHEN sicher
landen.
#Exkurs: Der Katapultiervorgang auf der MiG-21U mußte durch die Piloten
manuell für jede Kabine ausgelöst werden: Dach erste Kabine, Dach zweite Kabine, Sitz
zweite Kabine, Sitz erste Kabine#
Eigentümliche war die Einschätzung der Vorgesetzten: Es wurden nur
Teile des Flugzeuges verloren (Dach, Sitz) und deshalb lautet dei Einschätzung:
"Ansatz zum Flugvorkommnis", die Gefechtsausbildung der nächsten Flugschicht
kann durchgeführt werden (Anm.: Dass sich auf dem Sitz in der zweiten Kabine ein
Fluglehrer befand, war sein Pech!)
- Ergänzung zum Vorkommnis
von: Wolfgang Wehner An besagtem
Tage war ich Schichtverantwortlicher und stand mit meiner MiG-21 MF in der Position
"zur Bahn", auf den Funkverkehr hatte ich aus irgendwelchen Gründen nicht
geachtet. In Erwartung der Genehmigung des Rollens zur Bahn blickte ich nach vorn und aus
Richtung 66° eine MiG 21 U anfliegen, aus der hinteren Kabine stand "eine geknickte
Kugelschreibermine" nach oben, das Kabinendach und Fluglehrer fehlten. Mein erster
Gedanke, das mit dem Start wird nichts. Von Flugleiter, Oberstleutnant B., einem der
ersten Kommandeure der TAFS, erhielt ich den sonderbarsten Startbefehl meiner
Fliegerlaufbahn: "733 starten Sie und suchen Sie im Osten der Kunstflugzone 16, (sie
lag genau über dem Platz), die 854 !"
Die Fallschirme der MiG-21 U waren nicht mit der Notfunkstation R-855 ausgerüstet.
Major Praetsch stand auf einer Wiese an der Neiße, hatte zur Erkennung, "mir geht es
gut, ich lebe", seinen Fallschirm ausgebreitet und winkte mir mit dem Helm. Ich gab
diese frohe Meldung sofort an den SKP (Start-Kommando-Punkt) durch und landete. Als
Schichtverantwortlicher setzte ich natürlich sofort den Flugdienst ab, erstattete Meldung
und begann mit der Auswertung. Major Praetsch befand sich in der Zwischenzeit mit einem
Schock im Medpunkt.
Als Fluginspekteur des JG-3 trug ich die Verantwortung für die Flugsicherheit und
flugmethodische Ausbildung der 62 Piloten des JG und der TAFS. Zu dieser Zeit war mit
Befehl des Chefs der Fliegerkräfte festgelegt, jeder Flugzeugführer, der Figuren des
höchsten Kunstfluges oder Luftkampfes fliegt, ist in jedem Quartal einmal in den Fächern
Aerodynamik, Flugmechanik und Handlungen in besonderen Fällen schriftlich zu überprüfen
und die Prüfungsergebnisse sind beim Fluginspekteur nachzuweisen und zu lagern. Auf dem
Wege in den Stab schwante mir nichts Gutes. Im Hefter "Überprüfungen
HKF/Luftkampf" lagen für das laufende Quartal 61 Nachweise, der von Major Peter
Praetsch fehlte..... Die Havariekommission möge mir verzeihen, ich nahm also einen Block
und Stift und besuchte Peter im Medpunkt, drückte ihm den Kugelschreiber in die Hand und
begann mit einem Diktat. Beim Eintreffen der Kommission konnte ich alle Dokumente
vorlegen.
Wenn wir uns später irgendwo beim Bier trafen, Peter Praetsch verstarb leider vor
einigen Jahren nach langer schwerer Krankheit, fielen immer die Sätze: "Gib mir doch
bitte einen Block und Stift" oder "Peter, ich muss Dir schnell noch etwas
diktieren".
Verluste:
- Am 12. Oktober 1977
- die 759, eine MiG-21F13 (Werksnummer 741609, Nutzungsbeginn am 16.
Dezember 1964) bei Neubrandenburg. Beim Absturz fand der Pilot, Oberstleutnant Waldemar
Götze, den Tod (in zu geringer Höhe mit Kabinendach katapultiert). Ursache war der
Verlust der Raumorientierung nach Einflug in die Wolken. Der Absturz erfolgte um
13.23 Uhr nach Überziehen.
-
- Personalbestand September 1990
- insgesamt: 122 Mann / Frau
- davon:
- 37 Offiziere
- 81 Unteroffiziere / Soldaten
- 04 Zivilbeschäftigte
Die Page entstand mit dankenswerter Unterstützung durch:
Herrn Blavius
Jan Himmelreich
Kerstin Grützke
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