Su-22 |
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- Standort: Laage
- Kreis Güstrow,
Bezirk Schwerin (heute: Land Mecklenburg/Vorpommern)
Das Marinefliegergeschwader 28 wird parallel zum Jagdbombengeschwader
77 in Laage - unter strenger Geheimhaltung - aufgebaut. Am 12. August 1985 beginnt die
Arbeit des Vorkommandos, die Formierung ist am 27. November 1987 abgeschlossen. Ende der
80er Jahre liefen in Wien Abrüstungsverhandlungen, dabei wurden Marinestreitkräfte auf
beiden Seiten nicht mitgezählt. Es wurde daher verstärkt von einer Übergabe an
die Marine gesprochen. Was dann aber bis nach der Wende unterblieb. Am 29. Februar 1988
worde die Truppenfahne übergeben.
Das Geschwader existierte bis zum 07. Oktober 1989 offiziell
nicht. Erst am Vortag erhielt das Geschwader seinen Ehrennamen "Paul Wieczorek".
Vorher wurde immer, auch wenn es nicht zutraf, in der Öffentlichkeit vom
"Blüchergeschwader" berichtet. Es durfte auch nichts gegenteiliges in der
Öffentlichkeit gesagt werden.
Kommandeure
1985 - 1987 Oberst
Roske,
Jürgen
1987 - 1990 Oberstleutnant / Fregattenkapitän
Mallwitz, Hannes
In Friedenszeiten unterstand das Geschwader dem FO FMTFK unter
Generalmajor Zimmermann vor allem ausbildungstechnisch und logistisch, da eine extra
Struktur dafür für ein Geschwader zu teuer gewesen wäre. Im Verteidigungsfall sollte
das Geschwader an die Volksmarine, d.h. der Chef Marinefliegerkräfte im Kommando
Volksmarine übergehen. Laut KOPENHAGEN sollte dies nach einem internen Befehl nur
operativ, d.h. nach Anfrage geschehen. Das soll nach dem Führungsverhalten des Chefs FO
FMTFK im eigenen Haus (nach OSL / Fregattenkapitän Remane letzter Kommandeur 2.MFS) recht
realistisch gewesen sein.
Eine Urkunde, wie sie zu besonderen Anlässen (hier: 50 Gefechtsaufgaben
= 50 Flugschichten) vergeben wurde:
Am 20. Juli 1990 wurden tatsächlich die Dienstgrade der Marine
eingeführt. Die Uniformen wurden schon eine Zeit vorher ausgegeben. Getragen wurden sie
in der Öffentlichkeit kaum, da kaum während der politischen Unruhen freiwillig in
Uniform in die Öffentlichkeit gegangen ist. Auf dem Gelände der Kaserne und des
Flugplatzes Laage wurde die normale Felddienstuniform mit dem blauen Käppi (mit
eigenhändig angenähter "Reichsbahn"-Kokarde) und soweit vorhanden
Marine-Schulterstücken getragen. Die waren knapp, da der Bestand ja nur für das MHG-18 in Parow gedacht war (Schulterstücken: dunkelblau für
Marine, hellblaue Einfassung wie LSK/LV für Marineflieger, goldener Kranz mit Propeller
aus Metall auf dem Schulterstück). Matrosenuniform wird nur bis zum Obermaat getragen.
Zwischenfälle
Die Flugzeuge der letzten Serie Su-22, die dem MFG-28
zugingen, hatten eine Herstellungsfehler im Steuerventil für die
Radbremsung beim Einfahren des Fahrwerks. Das Fahrwerk wird beim Einfahren abgebremst, um
die sonst auftretenden Kreiselkräfte zu eliminieren, danach wurde es wieder entbremst.
Genau das passierte bei diesen Maschine gelegentlich nicht, so daß die Maschinen manchmal
mit angebremstem Hauptfahrwerk aufsetzten. Wenn der Pilot dann nicht vor dem Aufsetzen den
Bremsschirm auswarf, der die Maschine stabilisierte, schlitterte das Flugzeug ziellos
über die SLB, da die Reifen meist nicht gleichzeitig platzten. Auf jeden Fall führte das
in der Regel zur Zerstörung von Reifen, Felgen und Bremsen, wobei zu vermerken ist, das
die Felgen aus Elektron, d.h. Magnesium bestanden und Entstehungsbrände z.T. im letzten
Moment z.B. mit Hilfe eines Bremsschirms gelöscht werden konnten (Wasser würde in dem
Fall zur Explosion führen).
1987 hatte die 824 einen Landeunfall.
Die Maschine war in den MiG-Fänger gerollt, da ein älterer Oberstleutnant aus dem
Führungsorgan den Bremsschirm bei der Landung aus Versehen erst vom Flugzeug getrennt und
dann ausgeworfen hat. Die Folge kann man sich ja vorstellen.
Die Maschine wurde an der Zelle erheblich deformiert und danach z.T. mit noch verwendbaren
Teilen der abgestürzten JBG- Maschine "361" repariert. Trotzdem gab es bei
dieser Maschine immer Probleme beim Verschließen von Lukendeckeln, da immer irgendwo was
spannte.
Anfang 1989 hatte die 673
einen Landeunfall.
Der Pilot, Carsten Ruski, vergaß vor der Landung das Fahrwerk auszufahren und setzte so
auf. Zum Glück hatte die Maschine 840-Liter-Zusatzbehälter unter dem Rumpf, die eine
einige hundert Meter lange Aluminiumspur auf der Start- und Landebahn hinterließen, bevor
der Pilot den Fehler bemerkte und mit Nachbrenner durchstartete. Beim zweiten Mal landete
er dann mit ausgefahrenem Fahrwerk, er hatte es vorher schlichtweg vergessen. Die Rumpf-ZB
waren auf fast der ganzen Länge durchgeschliffen, das hätte in den leeren mit
Kerosin-Dampf gefüllten Zusatzbehältern zur Explosion führen können. An der Maschine
wurde nur die Kielflosse am Heck zum Teil abgeschiffen. Die Zelle der Maschine wurde
daraufhin optisch hinsichtlich von Deformationen vermessen und die Kielflosse wurde in der
Flugzeugwerft Dresden neu angefertigt. Danach flog sie wieder, weil nichts festgestellt
werden konnte.
Der Pilot und der Landeleiter, ebenfalls ein Leutnant gleichen Jahrgangs, wurden ein
halbes Jahr später als die anderen zum Oberleutnant befördert, weil sie durch den
Zwischenfall die Prüfung zur notwendigen Leistungsklasse nicht erfüllten. Der
Landeleiter hatte den Fehler gesehen, wohl aber gegen die Funkanweisungen verstoßen, die
besagten , daß kein Funkspruch mit den Worten: "kein" oder "nicht"
oder ähnlich beginnen dürfen. Der Sinn lag darin, daß aufgrund der Umschaltzeiten
zwischen Sende- und Empfangsbetrieb diese Worte in der Schaltpause untergehen können und
somit der Sinn des Funkspruchs total entstellt würde. Und genau das wurde auf den
Aufzeichnungen des Funkverkehrs festgestellt.
Die Su-22 ist in jeder Hinsicht, auch vom Triebwerk her sehr robust.
Die Treibwerke haben einige Vögel und eins wohl sogar ein abgebrochenes Staurohr
"gefressen".
Staffelaustausche ....
.... mit befreundeten Armeen gab es - im Vergleich zu anderen Geschwadern -
erstaunlich oft. Hier ein Foto vom Verlegekommando des Staffelaustausches zur Baltischen
Rotbannerflotte, Schkalowsk bei Kaliningrad, August 1989
Zwei Artikel zu den Staffelaustausch zum download als PDF-Datei (775 kb):
Der letzte Flugtag wurde
in den beiden in Laage stationierten Geschwader, dem JBG-77 und dem MFG-28, kurzfristig
gestrichen und alle Maschinen rollten nur auf der SLB. Letzter "Rolltag" der NVA
war am 27. September 1990, die letzte Maschine war vermutlich die 798.
So sieht die 798 (Werksnummer 31406,
Nutzungsbeginn am 09/86, Bundeswehrkennung 25+44) mit ihrer Sonderbemalung des letzten
"Rolltags" im Luftwaffenmuseum Berlin-Gatow aus.
Die 629 (Werksnummer
30918, Nutzungsbeginn 11/86) erhielt 1990 erst den BW-Kenner 25+29, später in der
"Wehrtechnischen Dienststelle 61" den Kenner 98+14. Das Flugzeug wurde am 14.
Januar 1999 durch BW-Oberstleutnant Hierle, ein Eurofighter-Testpilot, zur RAF-Basis
Scampton überführt und der "Old Flying Machine Company" übergeben:
Verluste:
Am 12. Dezember 1989
die 673, eine Su-22M4 (Werksnummer 30919, Nutzungsbeginn
04/87). Flugleiter dieser Schicht war Major Schneider, der damalige Kommandeur der
2. MFS. Der Unglückspilot war Generalmajor Zimmermann, Chef FO
FMTFK. Er hatte zu der Zeit - meiner Information nach - mit Sicherheit keine gültige
Lizenz. Er war seit September 1989 nicht mehr auf der Su-22 alleine unterwegs gewesen und
durfte damit bei den aktuellen Wetterbedingungen - Sicht 2 km, Untergrenze 150 m - nicht
auf der Su-22M4 fliegen.
Kurz vorher hatte er einen Überprüfungsflug mit einer Schulmaschine
gemacht, als Fluglehrer flog OSL Mallwitz. Danach ließ Generalmajor Zimmermann sich Kraft
seiner Befehlsgewalt eine Kampfmaschine, eben die "673" geben - Widerstand
zwecklos - und flog los. Er machte über dem Platz Kunstflug. Der Raum konnte vom eigenen
Radar nicht eingesehen werden, die sonst für diese Zwecke genutzte Station im Saal stand
nicht zur Verfügung.
Das Flugzeug gerät nach einer Steigspirale in eine unklare Fluglage
(Flachtrudeln). In 2.000 m katapultiert sich der Pilot, Generalmajor Zimmermann, und
überlebt. Die Maschine fällt geg. 12.20 Uhr ca. 100 m vor dem Haupttor auf einen
Hügel (auf dem sich heute ein Airbag-Werk befindet - ein Acker zwischen der Kaserne und
der Bahnstrecke Berlin-Rostock). Das Kabinendach selbst schlug etwa 20 m vor der
Wache auf.
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Dieser "verrückte fliegende General" (O-Ton,
mit einem "t'schuldingung", eines Augenzeugen) hat um etwa 150 - 200 m das
Tanklager verfehlt. Was dann passiert wäre, kann sich jeder denken. Der Pilot selber
landete auf der anderen Seite der Bahnstrecke, wo er rauchend auf seinem Schlauchboot
sitzend aufgefunden wurde. Er ist danach sofort zu der die "673" betreuenden
Technikerin (Frau Leutnant Marlit Heinrich, OHS-Jahrgang
1985-1989) gegangen, hat sich entschuldigt und sofort erklärte,
daß die Systeme der Flugzeuges bis zum Ende einwandfrei gearbeitet haben.
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- In der lokalen Presse wurde damals geschrieben, das die Maschine nicht munitioniert war
- was nicht stimmte. Sie hatte Munition für die Bordkanonen an Bord, immerhin 160
"30 mm-Granaten". Es wurde zwei Tage die Gegend nach den verstreuten Granaten
abgesucht, bei denen durch das Feuer die Treibladungen gezündet hatten. Da die Maschine
beim Absturz fast vollgetankt war, standen die Soldaten dabei teilweise bis zu den Knien
im Kerosinschlamm.
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- Die Reste der Maschine wurden später auf einen Sattelzug verladen und standen noch bis
Sommer 1990 im Dezentalisierungsraum 4 in einer Offenen Flugzeugdeckung herum. Das Problem
war dann später, das Generalmajor Zimmermann der Chef seiner eigenen
Untersuchungskommission wurde, was zu starken Protesten führte. Der Flugschreiber war
nicht auswertbar. Der Abschlußbericht sprach dennoch eindeutig von einem groben
Pilotenfehler. Schließlich wurde er abgelöst und ins Ministerium versetzt.
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Fazit: Ursache des Absturzes war der Verstoß gegen mehrere Befehle und Vorschriften.
Die o.g. Technikerin, Leutnant Marlit Heinrich, soll nach dem Absturz der
673, nicht mehr als Flugzeug-Techniker eingesetzt gewesen sein, sondern wurde
in die KRS des MfG versetzt. Ob das aber im unmittelbarem Zusammenhang mit dem
Absturz stand, ist nicht bekannt.
Flugzeugtypen (01.12.1985):
Bestand am 30.09.1990
Hinsichtlich der "741", die steht heute in Appen steht, gibt es eine nette
Geschichte, die mir 'Bani' geschickt hat:
"Die 741 war mal beim JBG-77. Dann kam sie zum MFG-28. Nach der
Wende wurde die Maschinen erst mal mit BW-Kennung versehen. Als nun feststand, wer welche
Maschine bekommt, wurden die alten Kennungen wieder hergestellt. Von ehem. JBGlern. Ich
will jetzt nicht behaupten, daß es Absicht war - aber wer weiß? Die Maschine steht nun
in Appen mit "neuen" JBG - Wappen..."
Personalbestand September 1990
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Paul Wieczorek
war
Kommandeur der am 11. November 1918 gegründeten Volksmarinedivision. Er fällt bereits am
14.11.1918 einem Attentat, ausgeführt von einem kaiserlichen Offizier, zum Opfer.
Von Beruf Metallarbeiter, leistete er in den Jahren 1903-1906 seinen Militärdienst
bei der kaiserlichen Marine ab. Im Weltkrieg, der später der 1. Weltkrieg genannte wurde,
diente er erst auf einem Minensucher und meldete sich dann zu der damals neuen
Waffengattung der Marineflieger als Flugzeugmechaniker. Er erhielt eine fliegerische
Ausbildung und wurde offenbar bei einem Flugzeugabsturz schwer verwundet. Nach (Berlin-)
Johannisthal versetzt, organisierte er die revolutionäre Arbeit unter den Marinefliegern
und Soldaten der Flugzeugmeisterei. Am Morgen des 9. November 1918 brachten Wieczorek und
seine Leute das Flughafengelände in ihren Besitz, sämtliche Telefon- und
Nachrichtenzentralen sowie das Stabsgebäude wurden besetzt. Mit größter
Wahrscheinlichkeit hat er an der Spitze seiner 15 Kämpfer den Admiralstab besetzt. In der
Nacht vom 10. zum 11. November 1918 wurde ein Matrosenrat gewählt. Dieses Gremium
wurde eine Marineformation unterstellt, die sich "Volksmarinedivision" nannte.
Als Kommandant wurde Obermaat Paul Wieczorek gewählt.
Am Mittag des 14. November wurde er von Kapitänleutnant Brettschneider, der sich
bei der Volksmarinedivision eingeschlichen hatte, durch zwei Schüsse getötet. Noch am
selben Abend wählten die Matrosen den bisherigen Führer der Cuxhavener Abteilung, Otto
Tost, zum Kommandeur der einheitlichen Volksmarinedivision. Ihre Stärke betrug nunmehr
über 2.100 Mann.
03. Oktober 1990
Mit dem Anschluß gem. Art. 23 a.F. GG der BRD wurden die
verbliebenen NVA-Angehörigen, Angehörige der Bundeswehr.
Noch am 02. Oktober 1990 hob Herr Eppelmann alle Ehrennamen der NVA
separat auf.
Am 27. März 1991 wurden zwei Su-22M4, die 380 (Werksnummer 30914, Nutzungsbeginn am 11/86, Bundeswehrkennung 25+25) und die 724
(Werksnummer 31203, Nutzungsbeginn am 11/86, Bundeswehrkennung 25+33) an die US-Air-Force
in Ramstein übergeben.
Ein Angehöriger des Geschwaders, Bani, hat seit November 2000 eine
hochinteressante WebSite:
[externer Link!]
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