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       Ein Mittelalter ohne Karl den Großen, oder: Die Antworten sind jetzt einfach Man könnte an einen Ulk glauben oder wegen der Hunderte von eingestreuten 
        Literaturverweisen auch an eine Wissenschaftspersiflage, doch ist es Heribert 
        Illig augenscheinlich ernst mit seiner These, das 7., 8. und 9. Jahrhundert 
        hätten nie stattgefunden und alles, was wir darüber zu wissen 
        meinten, beruhe auf der blühenden Phantasie späterer Zeiten. 
        In seinem jüngsten Buch "Das erfundene Mittelalter", verlegt immerhin 
        bei einem der großen deutschen Sachbuchverlage*, 
        behauptet er ganz konkret, der fiktive Zeitraum reiche vom September 614 
        bis zum August 911 (18 f.), umspanne also 297 Jahre, weshalb wir heuer 
        eigentlich erst im Jahre 1700 nach Christus stünden. Eine spezifische 
        Begründung für die Grenzdaten, mit denen er vermutlich in die 
        Nähe des Pariser Edikts König Chlothars II. (10. Oktober 614) 
        und des Aussterbens der ostfränkischen Karolinger (24. September 
        911) - also zweier Ereignisse aus der politischen Geschichte des Frankenreiches 
        - rücken möchte, gibt Illig nicht, doch betont er ausdrücklich, 
        daß sich sein Einfall auf "die gesamte westliche und östliche 
        Christenheit von Island bis Sizilien und Armenien" (18) bezieht, ferner 
        auf "die jüdische Diaspora und die arabisch-persische Welt", "die 
        Steppenvölker nördlich von Schwarzem und Kaspischem Meer, die 
        Kaukasusvölker und die vorderasiatischen Gebiete bis einschließlich 
        Indien" und selbst China nicht verschont (18). Allenfalls will er zugestehen, 
        daß sich bei weiteren Forschungen über diese fernen Gegenden 
        das "Streichungsintervall" dort etwas verschiebt; für China etwa 
        zieht er einstweilen die Zeit der Tang-Dynastie (618-907) als unhistorisch 
        in Betracht. Heribert Illig: Das erfundene Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der Geschichte. Düsseldorf: Econ 1996. 431 S., zahlr. Abb., 44,- DM. Vgl. zuvor bereits Ders.: Hat Karl der Große je gelebt? Bauten, Funde und Schriften im Widerstreit (= Fiktion Dunkles Mittelalter 1). Gräfelfing: Mantis Verlag 1994, 3. Aufl. 1996, 405 S., zahlr. Abb. Entnommen aus: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 10/1997, Seiten 611-617  | 
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   Erstellt am 4.5.1998. Geändert am 25.10.1999. Copyright © 1997–2010, Erhard Friedrich Verlag GmbH & Co KG, Seelze  | 
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