Vortrag von Heribert Illig am 12. April 2000 in Köln Heribert Illig war zu einem Vortrag über seine Phantomzeit in einem Kölner Museum eingeladen. Ein Zuhörer, Dr. phil. Ulrich Heinen aus Köln, hat mir am Tag drauf den folgenden Bericht über die Veranstaltung geschickt. Mit seinem Einverständnis veröffentliche ich ihn hier: Hier ein kurzer Bericht zu Dr. Heribert Illigs Blamage am gestrigen Abend im Museum für Angewandte Kunst in Köln: Sein Vortrag war eloquent, hübsch an Lokalbeispielen aus Köln aufgezogen, und schien auf den ersten Blick überzeugend. Es waren aber die üblichen Dreistigkeiten im Umgang mit Quellen drin, die letztlich alle darauf beruhen, dass er unvollständige Angaben aus der Literatur (oft Populärliteratur oder uralt) gegeneinander auszuspielen versucht. Hier begänne eigentlich solide Forschung mit gründlichen Archivstudien, doch nicht so Dr. Illig! So wiederholte er stattdessen die aus der älteren Literatur stammende Behauptung, die Kuppel des Aachener Domes sei aus Bruchstein massiv gemauert, wofür bisher aber alle Belege fehlen (wie Herr Dr. Schütte vom Kölnischen Stadtmuseum im Anschluss aufdeckte). Das anschließende Gespräch zwischen Dr. Illig und Herrn Dr. Johannes Busmann, der auf dem Podium Fragen an Herrn Dr. Illig stellen und anschließend die Plenumsdiskussion moderieren sollte, nahm einen für die meisten Anwesenden wie für Herrn Dr. Illig selber überraschenden Verlauf: Dr. Busmann hinterfragte gar nicht erst die Detailinformationen, das wolle er anschließend dem Plenum überlassen, sondern fragte, was sich denn aus Dr. Illigs These für die Gegenwart ergeben solle, was er als Karolinger-Laie (er ist Architekturhistoriker mit Schwerpunkt 20. Jh. und außerdem Geschäftsführer des auf Architektur und Kunst spezialisierten Verlages Verlag Müller & Busmann, Wuppertal) denn aus Dr. Illigs These lernen solle. Und so gelang es ihm, Dr. Illig zu der selbstgefällig ausgebreiteten Stellungnahme zu verleiten, in ein modernes, demokratisches Europa passe Karl der Große als Stammvater einfach nicht hinein. Damit war denn gleich die Katze aus dem Sack, und niemand nahm ihm mehr seinen zur Schau getragenen "Positivismus" ab. Dr. Busmann setzte dann nach: was sich denn für den "Nutzen und Nachteil der Historie" aus solchen Überlegungen ergebe? Da merkte Dr. Illig wohl, dass er in die Falle gegangen war, und versuchte nun vergeblich, sich wieder zum reinen Positivismus zurückzuwinden. Gerade dadurch aber erwies er seine Thesen nun auch noch als geschichtsphilosophisch belanglos, und es blieb Dr. Busmann nur noch, festzustellen, dass seine "Forschungen" dann also doch über eine kleine Glosse zur Weltgeschichte wohl nicht hinauswollten. Dr. Busmann übergab dann ans Plenum, wo Dr. Schütte, der gerade eine Ausstellung über Karl den Großen für Aachen vorbereitet, an einigen knapp vorgetragenen, aber gut belegten Beispielen Dr. Illigs Arbeitsweise in aller Form und Höflichkeit aufspießte und die Bodenlosigkeit seiner Thesen gerade an den Kernargumenten (Karlsthron, Kuppel der Pfalzkapelle, angebliche Fundarmut etc.) völlig entzauberte. Als Dr. Illig dann gegen Schüttes Einwand (niemand kenne das Innere der Karlskuppel, die sehr wohl nach byzantinischer Art gewölbt sein könne, worüber man aber erst nach seriösen Untersuchungen Aussagen würde machen können) entgegnete, aber der Schlussstein sei massiv, das sei ein Beleg dafür, dass die Kuppel massiv sei, erntete er nur noch höhnisches, fast schon mitleidiges Gelächter aus dem Publikum. Als dann Schicht VI des Kölner Domes (Schicht VII hatte Dr. Illig ottonisch genannt, sich dabei auf Binding berufen, der das laut Schütte aber schon längst selber revidiert hat) angeführt wurde sowie einige andere stadtkölnische Funde, zog sich Dr. Illig darauf zurück, dass das halt das Risiko sei, wenn man sich auf Regionaldiskussionen einlasse. Seine Verteidigungsversuche wurden zunehmend peinlich. Dr. Busmann fasste den Diskussionsstand in den Fragen zusammen, ob Dr. Illig solche Einwände öfters begegneten und ob er dann immer so hilflos bleibe. Womit aber, so fragte Dr. Busmann, erkläre sich Dr. Illig denn, dass ihm bei seinem globalen Anspruch die Fachwissenschaft weltweit die Aufmerksamkeit verweigere; er, der von Hause aus ja doch Systemanalytiker und nicht Historiker sei, müsse da doch sicher kundige Thesen dazu haben. Dr. Illigs banalpsychologische Erläuterungen, dass die Historiker sich halt nicht ihr "Fachgebiet" wegstreichen lassen wollten, entgegnete Dr. Busmann, dass dies vielleicht für etablierte Historiker gelten könne, aber doch kaum für diejenigen, die sich - zumal öffentlichkeitswirksam - würden profilieren wollen -, und zudem hätte doch aus den Kulturen, denen Europa die vermeintliche Phantomzeit oktroyiert habe, eine Welle der Solidarität mit Dr. Illig einstellen müssen. Dr. Illig wirkte nun zunehmend hilflos. Weitere Detailfragen aus dem Publikum machten die Diskussion nun zum Spießrutenlaufen (mittlerweile nur noch vorgetragen als Fragen, die man gar nicht mehr beantwortet haben wollte: "Was wäre denn für Sie ein Beweis für die Existenz der 300 vermeintlichen Phantomjahre?" "Wieso reichen Ihnen nicht Omajadenmünzen oder armenische Berichte über eine Schlacht zwischen Byzantinern und Arabern?" "Auf der Seite der traditionellen Chronologie stehen unzählige Funde, wo ist dagegen auch nur ein einziger Positivbeleg für Dr. Illigs These, etwa eine Fälschungsaufforderung am byzantinischen Hof?" "Soll man nicht eher annehmen, dass Karl gelebt habe und der die Ottonen gefälscht habe, um sich eine grandiose Nachkommenschaft zu sichern? Diese These sei ebenso aberwitzig und plausibel wie die von Dr. Illig, um die vermeintlichen 'Probleme' zu lösen!" ...). Dr. Busmann fasste zusammen: Was werden wir nun, da es offensichtlich mit der karolingischen Phantomzeitthese Dr. Illigs zu Ende geht, als nächstes von ihm zu erwarten haben? Und: Andy Warhol hat einmal gesagt, jeder werde in Zukunft 15 Minuten mediale Aufmerksamkeit haben, waren das jetzt Dr. Illigs 15 Minuten? Als Dr. Illig dann mit einem letzten routinierten Selbstgefälligkeitsgallopp zu einem Ritt über den See ausholte, um nach den Ägyptern und den Karolingern nun weitere Enthüllungen über andere Epochen in den Blick zu nehmen, war es schon so unruhig im Saal, dass seine blasierte Selbstsicherheit ins Wanken geriet. Ein Architekt, der in der Denkmalpflege arbeitet und zugleich dekonstruktive architektonische Lösungen für den Umgang mit historischen Themen suchte, bohrte noch einmal nach Dr. Illigs Geschichtsphilosophie - vergebens -, und Frau Dr. Anna, die Leiterin des Museums, schleuderte dann noch hinterher, dass es ihr nun geradezu peinlich sei, Herrn Dr. Illig zu diesem Termin eingeladen zu haben, da sich hinter seinen Behauptungen doch nur ein schwächlicher und bestenfalls pragmatischer Positivismus verberge, dem jedes Bewusstsein für die aktuell anstehenden Diskussionen über die Geschichte und ihre kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung fehle. Der Abend schloss fast desaströs. Im anschließenden Gespräch am Museumstresen beschwerte sich Herr Dr. Illig über die Unfreundlichkeit der Diskussion, so etwas sei ihm noch nie begegnet. Von der Sache war nichts mehr zu hören, nur noch Befindlichkeitsnabelschau. Soweit mein Bericht. Mal schaun, ob Dr. Illig nicht doch langsam sang- und klanglos abzudanken hat. Ulrich Heinen |
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Heribert Illig macht noch immer munter weiter. Seine Darstellung dieses denkürdigen Abends, in der sich - vier Monate nach dem Ereignis (!) - offensichtlich Dichtung und Wahrheit inniglich mischen, findet sich auf den Seiten Günter Lelarges. (Wer sich über Herrn Lelarge infomieren möchte, findet einen ersten Einstieg bei Stefanie Teufel: Fünf Freunde sowie auf der GL FAQ. Seine "Merkbefreiung" ist in die Annalen der Internetgeschichte eingegangen ...) Erstellt am 12.7.2000. Geändert am 20.2.2010. Copyright © 2000–2010, Ulrich Heinen
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