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![]() NEUES MUSEUM DIE WIEDERERÖFFNUNG IM OKTOBER 2009
Nofretete ist zurück auf der Insel Von Elke Linda Buchholz Mehr als ein halbes Jahrhundert war das Neue Museum Kriegsruine. Jetzt ist das vom britischen Architekten David Chipperfield wiederhergestellte Bauwerk wieder als Museum zu erleben, als letztes der fünf historischen Häuser auf der Berliner Museumsinsel. Ein Kapitel der Nachkriegszeit geht damit glücklich zu Ende. Das Ägyptische Museum und das Museum für Vor- und Frühgeschichte sind in ihr Stammhaus zurückgekehrt. Doch nichts ist hier mehr so wie vor 150 Jahren, als das Neue Museum als Erweiterungsbau des Alten Museums eröffnet wurde. ![]() Das Kabinett der schönen Nofretete erreicht man durch den besterhaltenen Trakt, den Niobidensaal. Von der goldenen Deckenkonstruktion blicken antike Götter aus Wandbildern herab. "Es schuf Prometheus jede Kunst den Sterblichen" verkündet eine alte Inschrift. In langgestreckten Vitrinen rollt die Berliner Papyrussammlung, eine der bedeutendsten weltweit, hier die "Bibliothek der Antike" auf. Hieroglyphen-Romane und -Steuerquittungen, griechische Komödien und arabische Koran-Suren überdauerten im trockenen Wüstensand auf Papyrus, Pergament und Tontafeln. Flankiert werden die fragilen Schriftstücke durch Porträtköpfe antiker Dichter und Denker aus der Antikensammlung. Nicht nur hier bereichern und ergänzen solche Leihgaben kongenial die Präsentation der ägyptischen, vor- und frühgeschichtlichen Objekte. ![]() Großartig hingegen entfalten drei reliefgeschmückte Grabkammern aus der Pyramidenzeit ihre Wirkung, die seit dem Zweiten Weltkrieg nicht zu sehen waren. Die über und über mit fein gemeißelten Alltagsszenen von Bauern, Handwerkern, Tieren und Pflanzen verzierten Steinplatten stehen frei zugänglich im lichten Raum. Auf die ewige Existenz im Jenseits richtete sich die ägyptische Kultur aus. Vom Musikinstrument bis zum Klapphocker, vom Schminkzeug bis zur Schale mit Früchten nahmen die Verstorbenen alles mit ins Grab, was der Mensch braucht. Die nie benutzten Gerätschaften für die Ewigkeit vermitteln ein lebendiges Bild der ägyptischen Alltagskultur. Allerdings muss man in den Keller hinabsteigen, um sie zu sehen. Auch die Mumien sind in die Unterwelt verbannt, wo sie unter niedrigen Ziegelgewölben eine fast beklemmende Wirkung entfalten. Hoch und licht öffnen sich hier im Untergeschoss dagegen die beiden großen Höfe des Bauwerks, der Griechische und Ägyptische Hof, durch alle drei Geschosse bis zum verglasten Dach. Die Höfe bilden, wie Perlen an einer Schnur, einen Teil der Archäologischen Promenade, die künftig einmal alle Häuser der Museumsinsel unterirdisch miteinander verbinden soll. Menschheitsthemen wie Weltordnung, Götterbild und Jenseits werden hier epochen- und kontinenteübergreifend angesprochen. Gewaltige, roh behauene Steinfiguren aus russischen Steppe begegnen der kolossalen Marmorstatue des Zeus aus Magnesia, afrikanische Ahnenfiguren einem abstrakten Götterstein des Hinduismus. Acht verschiedene Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz haben daran mitgewirkt. ![]() ![]() Im obersten Stockwerk stößt man schließlich in die frühesten Epochen der Menschheit vor. Wer diesen Bereich des Hauses betritt, fühlt sich unversehens in ein völlig anderes Museum versetzt. Statt elegant-klassischer Vitrinen bestimmt hier eine moderne, kubische Ausstellungsarchitektur aus schlichtem Sperrholz das Bild und verlockt zu immer neuen Ein- und Ausblicken. Direktor Matthias Wemhoff, der vor zwei Jahren sein Amt antrat, nutzte die Chance, wenigstens hier neue Formen der Präsentation zu erproben. Welche Fische der Steinzeitmensch angelte, wie sein Gebiss beschaffen war und wie er von Afrika aus die Welt eroberte, zeigen jahrtausendealte Originalfunde flankiert von Dioramen, Computersimulationen und aufklappbaren Zeitleisten. ![]() Solch populäre Vermittlungsformen in der Vor- und Frühgeschichtlichen Abteilung kontrastieren aufs Schärfste mit der auratisierten Kunst-Atmosphäre in den Räumen des Ägyptischen Museums. Zwei gegensätzliche Auffassungen, wie sich Kulturgeschichte und Kunst heute präsentieren lassen, prallen hier unter einem Museumsdach aufeinander. Doch sie schließen einander nicht aus. Vielmehr schaffen sie ein ungewöhnlich abwechslungsreiches Miteinander von Ideen, Räumen und Zeiten. Tagelang könnte man hier verweilen, um das Zusammenspiel von Kunstwerken und Architektur zu genießen, immer neue Facetten und Bezüge zu entdecken. Jeder Saal hält neue Überraschungen bereit. Zeit und Kunst sind wandelbar, Museumskonzepte auch. Dies macht das Neue Museum auf großartige Weise erfahrbar. Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 16. Oktober 2009 ![]() ■ MEHR ÜBER DIE VOR- UND FRÜHGESCHICHTE IM NEUEN MUSEUM >>> ■ ZUM PORTRÄT DES ARCHITEKTEN DAVID CHIPPERFIELD >>> ■ DIALOGE O9 - SASHA WALTZ IM NEUEN MUSEUM >>> |
![]() Michael Bienert
Elke Linda Buchholz Stille Winkel in Potsdam Ellert & Richter Verlag Hamburg 2009 ISBN: 978-3-8319-0348-1 128 Seiten mit 23 Abbildungen und Karte Format: 12 x 20 cm; Hardcover mit Schutzumschlag Preis: 12.95 EUR |
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