Geschichtlicher
Hintergrund von St. Benedikt in Mals (Vinschgau)
Den geschichtlichen Hintergrund, in den Rüber die Entstehung St. Benedikts
eingeordnet hat, skizziert sie folgendermaßen:
Der Vinschgau wurde im frühen Mittelalter von der Familie der Viktoriden beherrscht.
Doch seit dem Ende des 8. Jahrhunderts bis Anfang des neunten Jahrhunderts
breitete sich der karolingische Einfluss aus. Im Jahr 806 fiel Italien an
Pippin, einen Sohn Karls des Großen. Und zu Italien gehörte auch Churrätien,
also das vorwiegend noch von Rätoromanen bewohnte Gebiet, das kirchlich vom
Bischof in Chur abhing. Doch um diese Zeit, in der Pippin die Herrschaft in
Italien übernahm, "wurde die churrätische Sonderstellung durch die Einführung
der fränkischen Grafschaftsverfassung endgültig beseitigt. In diesem historischen
Rahmen einer politischen Übergangszeit muss die Errichtung und besonders die
Ausstattung der Benediktkirche in Mals gesehen werden, die die Stiftung eines
weltlichen und eines geistlichen Großen jener Zeit war." [5]
Rüber machte schon in ihrer Einleitung klar, dass es keine schriftlichen
Quellen für die Frühzeit St. Benedikts, ja der ganzen Siedlung Mals gibt:
"Sowohl für Sankt Benedikt als auch für den Ort Mals setzt eine schriftliche
Überlieferung erst in hochmittelalterlicher Zeit ein. Die strategisch und
wirtschaftlich bedeutende Lage an einem wichtigen Alpenübergang, wie auch
römische Funde und die Namensherleitung lassen jedoch eine alte, traditionsreiche
Siedlung vermuten. Spätere Zeugnisse scheinen darauf hinzuweisen, dass schon
im 9. Jahrhundert die Churer Bischöfe mehrere Güter in Mals und Umgebung besaßen,
wie auch hier das Vorhandensein karolingischen Reichsgutes anzunehmen ist.
Die Kirche selbst wird zuerst in einer Schenkungsurkunde aufgeführt. Vor 1170
veranlasste der Churer Bischof Egino (1163-1170) große Schenkungen an das
Kloster Müstair, wozu auch die 'Capella(m) sancti Benedicti cum dota sua'
( die Kapelle St. Benedikt mit ihren Einkünften) zählte. Damit geht die Kirche
aus dem Besitz des Churer Bischof in den des nahe gelegenen Benediktinerklosters
in Müstair, Graubünden, über. "[5-6]
Spätere Zeugnisse werden also von Rüber auf eine frühere Zeit
zurückbezogen - ein unter Mittelalterhistorikern durchaus übliches Vorgehen,
solange dabei (wie bei Rüber) die Art und Weise der Schlussfolgerungen
offengelegt werden.
Ihre Schlussfolgerungen fasst Rüber folgendermaßen zusammen:
"Die Bautypologie erlaubt keine genauere Datierung von Sankt Benedikt,
da formale Entwicklungen der churrätischen Dreiapsidensäle kaum auszumachen
sind. Die maltechnische Untersuchung konnte jedoch aufzeigen, dass die Kirche
vor der Ausmalung bereits eine Zeitlang benutzt worden war. Ca. 50 Jahre nach
ihrer Errichtung wurde St. Benedikt dann mit Stuck und Malerei ausgeschmückt.
Morphologische Befunde lassen erkennen, dass zuerst die Nischenbilder gemalt
wurden. Daraufhin wurde der Stuckdekor appliziert. Den Stifterbildern und
dem Engelfries schlossen sich die blaugraue Fassung der leeren Flächen zwischen
Engelfries und Stuckeinfassung und die Verzierung der Nischenlaibungen an.
Zuletzt entstanden die Nordwandmalereien. Für diese Ausstattungsperiode gibt
in erster Linie die stilistische Untersuchung der Monumentalmalerei Aufschluss,
die eine Entstehung um 800 vermuten lässt. In diesen zeitlichen Rahmen fügen
sich auch die Ergebnisse der paläographischen Analyse. Die Chorschrankenanlage
legt aus motivgeschichtlichen und stilkritischen Gründen eine Datierung wohl
zu Anfang des 9. Jahrhunderts, ans Ende der Ausstattungsperiode, nahe."
[36]
St. Benedikt ist also ein Beispiel für ein Bauwerk, das mitten in die Karolingerzeit
datiert wird. Die Datierung geschieht durch Rückgriff auf
- schriftliche Quellen
- bautypologische Vergleiche
- stilistische Vergleiche von Skulpturen und Malerei.
Die schriftliche Quellen liefern den möglichen geschichtlichen Hintergrund,
in den Bauzeit und Bauzweck eingeordnet werden. Die bautypologischen Vergleiche
liefern regionale und zeitliche Vergleichsbeispiele, doch das präziseste Vergleichsmaterial
für St. Benedikt sind in den Augen Rübers bildliche Quellen, und zwar
neben der Wandmalerei des nahe gelegenen Klosters St. Johann in Müstair eben
auch die karolingische und - thematisch - die spätere Buchmalerei.
Neben St. Benedikt gibt es noch viele andere erhalten gebliebene oder auch
"nur" archäologisch nachgewiesene Bauwerke für die karolingische Zeit. Wie
man am Beispiel des Buches von Elisabeth
Rüber sehen kann, machen es sich die Historiker dabei mit
ihrer Datierung nicht einfach - entgegen dem, was Illig immer wieder
in seinen Publikationen anklingen lässt.
|
|
|
|
|