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Malerarbeiten im Hamburger Bahnhof (oben), Udo Kittelmann vor Warhols Mao (unten)

AUSSTELLUNGSKRITIK

Umsteigebahnhof
nach irgendwo. Udo
Kittelmann sortiert den Hamburger Bahnhof neu


von Elke Linda Buchholz

"Die Kunst ist super!" jubelt es von den Ausstellungsplakaten. Ist das Ironie, wahre Kunstbegeisterung oder platter Zweckoptimismus? Sieben Monate hat sich Udo Kittelmann, neuer Direktor der Berliner Nationalgalerie, für seine Neupräsentation der Gegenwartskunst im Hamburger Bahnhof Zeit gelassen. Mit ihr soll sich das für seine mangelnde Strahlkraft kritisierte Haus neu positionieren. Entschlossen hat der 51jährige Kittelmann die historische Bahnhofshalle leergeräumt. Allein Marcel Duchamps berühmtes Radobjekt "Roue de bicyclette" und ein originalgroß aus Pappe nachgebauter Eisenbahngüterwagon des jungen Polen Robert Kusmirowski dürfen hier einen Denkraum eröffnen, zur Geschichte des Ortes und zur Rolle der Kunst. Außerdem hat Kittelmann ein 1:10-Modell der Londoner Tate Modern von Roman Ondák aufgestellt: In derselben internationalen Liga will der Hamburger Bahnhof künftig mitspielen. Die Zeiten des Jammerns über mangelnde Erwerbungsetats und Sammlungslücken sind vorbei. Stolz verweist Kittelmann auf zwanzig Neuzugänge allein im laufenden Jahr durch Schenkungen.

Doch den Gordischen Knoten des Hamburger Bahnhofs, dessen Bestände sich hauptsächlich aus den Privatsammlungen Erich Marx, Egidio Marzona und Friedrich-Christian Flick speisen, kann auch der neue Direktor nicht durchschlagen. Wie eh und je breitet sich der Hausheilige Joseph Beuys im Westflügel des verzweigten Baukomplexes aus, flankiert durch einen Exkurs zu Fluxus und Happening. Die Sammlung Marx mit ihren Pop Art-Heroen und bleiernen Großobjekten von Anselm Kiefer ist im Ostflügel zusammengepfercht. Unter dem Motto "Vanitas" bekommen Andy Warhols Marilyn- und Mao-Konterfeis hier ungewohnte Gesellschaft durch Goethe und Nofretete, Gipsabgüsse aus der Gipsformerei der Staatlichen Museen.

In den weitläufigen Rieckhallen begegnet man den raumfüllenden Installationen, die aus der Flick-Collection als Schenkung ans Haus kamen. Der "Wintergarten" des Konzeptkünstlers Marcel Broodthaers mit seinen echten Palmen und naturhistorischen Illustrationen scheint Kittelmann inspiriert zu haben. Lebende Kaninchen hausen jetzt in der gewaltigen "Gartenskulptur" von Dieter Roth. Albtraumhaft riesige, hyperrealistische Insektenmodelle aus dem nahen Naturkundemuseum treffen im Obergeschoss auf kostbar inszenierte antike Vasen. Diese entpuppen sich als Trompe-l´oeil-Objekte aus weggeworfenen Plastikflaschen. Für Überraschungen ist also gesorgt.



Spielerisch kombiniert Kittelmann die geschnitzte Spielzeugstadt Lyonel Feiningers mit einem kindlich-bunten Schattenspiel von Hans-Peter Feldmann. Einen todernsten Aspekt dazu liefert Jochen Alexander Freydanks oscarprämierter Kurzfilm „Spielzeugland“ über zwei Jungen im Dritten Reich. Paul McCarthys vergoldeter Michael Jackson setzt dem Pop-Heros vor der Kulisse der Sternenhimmel-Fotos von Thomas Ruff ein Denkmal. Wohnlich wird es, wenn die Möbelobjekte von Franz West mit goldgerahmten Gemälden zum Modellfall eines privaten Interieurs arrangiert sind. Doch - Überraschung! - diese Gemälde sind keine ironischen Fakes, sondern echte Meisterwerke, wie die Landschaft von Jakob Philipp Hackert aus dem 19. Jahrhundert. Kittelmann, der alle sechs Häuser der Nationalgalerie betreut, setzt auf Cross-Over-Effekte, liebt Anspielungen und Verweise. Doch der ganz große, neue Wurf ist seine Präsentation nicht.

Zum Glück wurden auch ein paar Künstler zu aktuellen Arbeiten vor Ort eingeladen. Der in Berlin lebende Maler Daniel Richter lässt seine düster-schrillen Neon-Gestalten als Deckengemälde auf die Besucher herabschweben. Robert Kusmirowski verwandelt den hässlichen Übergang zu den Rieckhallen in einen Berliner U-Bahnhof, mit türkisgrünem Fliesenimitat, abgerissenen Plakatwänden und Bahnhofsschildern in Frakturschrift. So hat Udo Kittelmann zwar nicht das Museum für Gegenwart neu erfunden, aber der Stadt immerhin eine neue U-Bahnhofstation "Hamburger Bahnhof" beschert.

"Die Kunst ist super!"
5. September 2009 bis 14. Februar 2010
Geöffnet Di-Fr 10-18 Uhr, Sa 11-20 Uhr, So 11-18 Uhr

Udo Kittelmann, Direktor des Hamburger Bahnhofs und der Nationalgalerie, im Porträt. Von Elke Linda Buchholz >>>

Mehr Bilder und Informationen finden Sie auf der Homepage des Hamburger Bahnhofs >>>



© Text und Fotos: Elke Linda Buchholz




Buchveröffentlichungen von Elke Linda Buchholz zur Bildenden Kunst >>>







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