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Porträts
afrikanischer Teilnehmer der Kolonialausstellung von
1896 im Museum Treptow, Juli
2020. Fotos: Michael Bienert |
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SCHWARZER STOLZ IM TREPTOWER
PARK
"ZurückGESCHAUT": Eine Ausstellung im Museum Treptow erinnert an die Kolonialausstellung von 1896 und durchbricht den kolonialen Blick auf die dort vorgeführten Menschen. Von Michael Bienert Partystimmung im Treptower Park. Gruppen von jungen Leuten lagern um den Karpfenteich, einige wagen sich ins Wasser. Vom Ufer schallt Clubmusik und Gejohle. An die deutsche Kolonialgeschichte erinnert hier gar nichts. Aber die Parkwege schlängeln sich noch genauso wie im Sommer 1896. Ein Lageplan von damals verrät: Dort wo die Straße Am Treptower Park den Karpfenteich beinahe streift, standen das Togodorf und das Kamerundorf der ersten deutschen Kolonialausstellung. Die einfachen Hütten überragte die fünf Meter hohe Palisaden eines Quikurus mit aufgespießten Menschenköpfen. Ausführlich erzählt der Ausstellungsführer, wie so eine Verteidigungsanlage drei Jahre zuvor von Kolonialtruppen eingenommen worden war. Das deutsche Kolonialimperium war damals das drittgrößte der Welt. Die Schutzgebiete in Übersee umfassten ein fünfmal so großes Gebiet wie das 1871 von Bismarck zusammengeschmiedete Kaiserreich. Der Reichskanzler lehnte koloniale Abenteuer zunächst ab, doch als deutsche Kaufleute in Übersee Handelsvertretungen eröffneten und Land erwarben, wollte das Reich die Außenposten nicht schutzlos lassen. Die Absicherung von Wirtschaftsinteressen im globalen Wettbewerb entfaltete eine brutale Eigendynamik. Im Winter 1884/85 fand in Berlin die Afrika-Konferenz statt, bei der die Europäer den schwarzen Kontinent unter sich aufteilten – seit 2005 erinnert eine Gedenktafel daran. Widerstand in den Kolonien wurde mit Zwangsmaßnahmen und Strafexpeditionen bis hin zum Völkermord gebrochen. Haupteingang zur
Kolonialausstellung in Treptow, 1896
Eine rassistische Ideologie legitimierte die bis heute nachwirkende Ausplünderung der Territorien. Als minderwertig, primitiv, rückständig, bestenfalls naiv und kindlich wurden Menschen mit dunkler Hautfarbe diskreditiert. Auch die Kolonialausstellung von 1896 inszenierte ein Gefälle zwischen weißer und schwarzer Kultur. Der kleinen Völkerschau stand eine imposante Leistungsschau der Kolonialwirtschaft gegenüber. Sie fand im Rahmen der Gewerbeausstellung statt, die den Treptower Park einen Sommer lang in ein Schaufenster der heimischen Industrie und einen Erlebnispark verwandelte. Bis zu 120.000 Besucher täglich kamen, um sich in einer Alt-Berlin-Kulisse zu betrinken, durch ein Kairo mit Moschee, Basar und Pyramiden zu flanieren oder Seeschlachten zu bestaunen, die auf einem künstlichen Teich ausgetragen wurden. Ein besonderes Highlight waren die 103 Männer, Frauen und Kinder aus Afrika und Ozeanien, die als lebende Exponate nach Berlin verschifft worden waren. Ihre Schicksale stehen im Zentrum der Ausstellung „Zurückgeschaut“, die seit 2017 dauerhaft im Museum Treptow zu sehen ist. Sie entstand in enger Zusammenarbeit mit der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland und dem Verein Berlin Postkolonial. Beide Initiativen sind auch in dem Projekt „Postkoloniales Erinnern in der Stadt“ vertreten, das im Januar 2020 mit einem Etat von drei Millionen Euro startete und auf fünf Jahre angelegt ist. Getragen von der Senatskulturverwaltung und der Kulturstiftung des Bundes soll die Kolonialvergangenheit Berlins wieder sichtbarer werden, durch Ausstellungen, Veranstaltungen und eine Online-Kartierung der historischen Orte. Die Ausstellung in Treptow weckt Neugier auf das, was da kommt. Vor allem räumt sie mit der Vorstellung auf, dass die „People of Colour“ des Sommers 1896 bloß passive Objekte einer kolonialen Inszenierung waren. Sie wehrten sich gegen die ihnen zugewiesene Rolle und verfolgten eigene Ziele. So wie Samuel Kuevi Garber aus Togo, der besonders gut Deutsch mit Berliner Akzent sprach. Er hatte 1892 in Berlin eine Schumacherlehre begonnen und „eine große Anzahl der einheimischen Mitprüflinge übertroffen“, wie ihm die Innung bescheinigte. In Treptow wehrte sich der junge Mann, sich von einem Ethnologen aus dem Völkerkundemuseum vermessen zu lassen. In dessen Bericht heißt es verägrter: „Sehr intelligenter junger Mann, aber frech, ungefällig und faul. Er ließ sich nicht messen, wohl weil er sich für zu vornehm hielt.“ Andere wehren sich gegen das Fotografiertwerden, fordern Geld dafür oder bestehen darauf, in europäischer Kleidung abgelichtet zu werden. Garber bekommt 120 Mark pro Monat für seine Teilnahme an den Schaustellungen, die Frauen nur 30 bis 40 Mark – die patriarchale Ordnung des Kaiserreichs schlägt sich in der Bezahlung nieder. Wenig weiß man über die Frauen. Die fünfzehnjährige Hazina ist eine Sklavin, die vor der Verschickung nach Berlin freigekauft wurde. Das Geld dafür wird ihr von dem geringen Lohn, den sie für die Schaustellung in Treptow erhält, abgezogen. Sie kehrt im Oktober 1896 nach Daressalam zurück, wo sich ihre Spuren verlieren. Täglich schaut ein Arzt in den Baracken vorbei, in denen die Darsteller sich außerhalb der Ausstellungszeiten aufhalten sollen. Die meisten sind erkältet in Berlin angekommen, da man sie billig als Deckpassagiere verfrachtet hatte. Drei überleben den kühlen Berliner Sommer nicht. Bei einem Kanurennen auf dem Karpfenteich stürzt der 20-jährige Kusadi („Sonntag“) ins Wasser und zieht sich eine schwere Lungenentzündung zu. Er stirbt im August 1896 in der Charité. Überliefert ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Ausstellungsleitung, dem Ethnologischen Institut und dem Anatomischem Museum, im Falle des Ablebens die Leichname den Sammlungen zur Verfügung zu stellen. Inwieweit das geschah, lässt sich nicht mehr klären. Martin Dibobe,
Katharina Margaretha Draghoener, Friedrich Maharero,
1896
15 Teilnehmer sind Duálá aus Kamerun, sie stammen aus der Oberschicht und sollen in Berlin die Sprache und Kultur der Kolonialmacht studieren. Elf suchen sich nach Ausstellungsende Lehrstellen in Berlin. Martin Dibobe ist der Sohn eines lokalen Anführers, der 1884 einen Schutzvertrag mit den Deutschen geschlossen hat. Dibobe macht eine Schlosserlehre, heiratet eine Berlinerin und arbeitet ab 1902 bei der Hoch- und Untergrundbahn, zuerst als Schaffner, später als Zugführer. So kommt er in Kontakt zur Berliner Arbeiterbewegung und wird zum Verbindungsmann zwischen Kolonialgegnern in Deutschland und Kamerun. Nach dem Ersten Weltkrieg initiiert Dibobe eine Petition an die Deutsche Nationalversammlung. Statt fortan unter britischer und französischer Kolonialherrschaft zu schmachten, wollen die Afrikaner in der deutschen Kolonien gleichberechtigte Staatsbürger der „sozialen Republik“ werden. Diesen Vorstoß würdigt seit 2019 eine Gedenktafel an der Wilhelmstraße 62, dem Standort des Reichskolonialamtes. Der Anführer der Gruppe aus Togo, Nayo Bruce, macht aus der Schaulust der Europäer ein Geschäft: Mit seiner Familie gründet er eine farbige Showtruppe, die zwanzig Jahre lang durch Europa tourt. Den dreijährigen Sohn Kwassi gibt er bei einem kinderlosen Ehepaar in Pflege, das ein Kaufhaus mit Kolonialwaren betreibt. Kwassi besucht ein Gymnasium und wird an einem Konservatorium in Schöneberg zum klassischen Pianisten ausgebildet. Er arbeitet als Korrepetitor am Deutschen Opernhaus in Charlottenburg und gründet in den Zwanzigern eine beliebte Jazzband. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten darf sie nicht mehr auftreten. Um zu überleben, muss der Berufsmusiker sich bei der Deutschen Afrikaschau verdingen, die durch das Nazireich tourt und das rassistische Klischee von den Kolonialuntertanen in Baströckchen am Leben hält. Nach dem Krieg musiziert Bruce wieder in Berlin und Paris, wo er 1964 stirbt. Friedrich Maharero, ältester Sohn des Anführers der Herero im heutigen Namibia, verbindet mit der Reise nach Berlin diplomatische Ambitionen: Er will sich bei Kaiser Wilhelm II. dafür einsetzen, dass der umgängliche deutsche Gouverneur im Amt bleibt. Tatsächlich wird ihm am 19. September 1896 eine halbstündige Audienz beim Kaiser gewährt. Acht Jahre später erheben sich die Herero gegen die immer drückendere deutsche Fremdherrschaft. Der Aufstand endet im ersten Genozid des 20. Jahrhunderts: Die Herero und Nama werden von ihren angestammten Gebieten gnadenlos in die wasserlose Omaheke-Wüste getrieben, wo Zehntausende elend verdursten. Friedrich Maharero kann sich mit seiner Familie auf britisch kontrolliertes Gebiet retten, wo er bis 1952 im Exil lebt. Wissmannbüste in
der Kolonialausstellung, 1896
Während in Treptow die „People of Colour” ihre Würde zurückerhalten, geht es in Neukölln einem alten Kolonialhelden an den Kragen. Schon im August 2019 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung, die Wissmannstraße umzubenennen. Der Namensgeber Hermann von Wissmann war Gouverneur von Deutsch-Ostafrika und schlug den Widerstand der lokalen Bevölkerung brutal nieder. Die Kolonialausstellung ehrte 1896 ihn mit einer Heldenbüste, umkränzt von Afrika-Trophäen. In Hamburg wurde ein Wissmann-Denkmal bereits 1967 während antikolonialer Studentenproteste vom Sockel gestürzt. Die Stadt Bremen widmete ein 1932 eingeweihtes Kolonial-Ehrenmal in Gestalt eines überlebensgroßen Backsteinelefanten 1989 zu einem Antikolonialdenkmal um. In den Überseehäfen ist die kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialvergangenheit ein langwieriger Prozess, in der ehemaligen Kolonialhauptstadt Berlin gewann er erst nach der Wiedervereinigung an Dynamik. Nun zeigt sich in der Debatte um Alltagsrassismus, wie stark Denk- und Wahrnehmungsmuster aus der Kolonialzeit immer noch nachwirken. Präzise Erinnerung kann helfen, ihr Macht zu brechen. Weitere Informationen zur Ausstellung Museumswebsite |
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BERLIN
DER
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Bienert
und Elke
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Buchholz
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ca. 320 Abb.
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