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Fred
Oberhauser in Metz, 2013
NACHRUFEin literarischer Fährtensucher voller Leidenschaft Der Kulturjournalist Fred Oberhauser, Verfasser des "Literarischen Führers Berlin", wurde 92 Jahre alt. „Hier ist Berlin Paris, dort London, hier Krähwinkel, dort Kaserne, hier eine Demokratie, dort ein Bureau, hier ein Bethaus, dort ein lustiger Markt, und nur, wenn man aus alle diesen streitenden Eigenschaften durch seine Familienkreise gegangen ist, kommt man in das eigentliche Berlin zurück.“ Fred Oberhauser hat dieses gut 150 Jahre alte, zeitlos aktuelle Glaßbrenner-Zitat an den Anfang seiner Tour de Force durch die Literaturhauptstadt gestellt, es weist den Hauptautor des „Literarischen Führers Berlin“ als großen Berlin-Kenner und noch größeren Berlin-Liebhaber aus. Der Beginn dieser Leidenschaft lässt sich auf den Sommer 1934 datieren, er hat davon gelegentlich erzählt: Mit den Eltern auf Berlin-Visite besichtigte der Junge die Wilhelmstraße, als am Palais des Reichspräsidenten plötzlich die Fahne auf Halbmast gesetzt wurde. Ohne recht zu verstehen, was Hindenburgs Tod bedeutete – danach war der Weg frei für Hitler als Staatsoberhaupt – begann das Kind zu weinen. Elf Jahre später lag die Regierungsstraße des Deutschen Reiches, Schauplatz von Hitlers Selbstmord, in Trümmern. Auf seine Art hat Fred Oberhauser die Konsequenzen aus seiner bitteren Zeitzeugenschaft gezogen, hat als literarischer Heimatkundler in jahrzehntelanger Detektivarbeit eine Topografie Berlins und ganz Deutschlands rekonstruiert, in der all das aufgehoben ist, was die Nationalsozialisten zerstörten und aus dem Gedächtnis der Nation verbannen wollten. Zuhause in seiner deutsch-französischen Heimatregion kämpfte der Journalist Fred Oberhauser gegen Sprachlosigkeit und Erinnerungslosigkeit nach zwei Weltkriegen an. Vom Saarland aus hat er ein Vielfaches seines Autorenhonorars für den „Literarischen Führer Berlin“ vertelefoniert, um bei Berliner Institutionen, Behörden und Bekannten präzise Auskünfte über Autoren und Literaturschauplätze einzuholen - man kann sich das ja heute überhaupt nicht mehr vorstellen, wie mühselig die Recherche im Vor-Internetzeitalter war. Aber in Berlin gab es halt (und gibt es bis heute) keinen Literaturwissenschaftler, der sich getraut hätte, ein vergleichbares 500-Seiten-Kompendium zu verfassen, das naturgemäß schon beim Erscheinen Lücken und Fehler aufweisen musste angesichts von mindestens tausend relevanten Autoren und ihren Werken. Nach unendlichen Geburtswehen kam der „Literarische Führer Berlin“ 1998 heraus, zum Glück: Heute würde jeder Verleger den Autor höflich, aber bestimmt auf das Internet als passenden Publikationsort verweisen. So bleibt das Buch auf absehbare Zeit das maßgebliche Findmittel zur literarischen Topografie Berlin, ein wahrhaft kapitales Geschenk an die Hauptstadt. 2008 erfüllte sich Fred Oberhausers Traum von einem gesamtdeutschen Literaturführer (ebenfalls erschienen im Insel Verlag, mit Axel Kahrs). Bereits 1974 hatte er nach jahrelangen Reiserecherchen mit seiner Frau Gabriele den ersten "Literarischen Führer durch die Bundesrepublik Deutschland" veröffentlicht, das Standardwerk zur literarischen Topografie. Oberhauser war oft in der DDR, traf Autoren, doch ein gesamtdeutsches Nachschlagewerk war erst nach der Wiedervereinigung möglich: Fast zwanzig Jahre vergingen bis zur Drucklegung des Kompendiums mit annähernd 3000 Druckspalten. Bis ins hohe Alter war Fred Oberhauser ein temperamentvoller, warmherziger und unendlich belesener Kollege, der Nestor unter den literarischen Fährtenlesern, stets hilfsbereit und begeistert von allen Projekten, die an seine Pionierarbeit anknüpften. Am 7. Februar 2016 ist unser Freund in seiner Heimatstadt St. Ingbert im Saarland im Alter von 92 Jahren sehr plötzlich verstorben. Michael Bienert
Fred Oberhauser in Metz, 2013. Fotos: Michael Bienert |
Michael Bienert E. T. A. Hoffmanns Berlin Literarische Schauplätze 176 Seiten, 193 Abb. Verlag für Berlin und Brandenburg Berlin 2015, 24,99€ Weitere Informationen |
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