Feldlager einmal anders!
von Gert Böthling OFW d.R.
Es war einmal in einem Lande DDR. Gab es wirklich mal! Da gab es Söhne
des Landes die sich um die Sicherheit Kümmerten. War es nun 1976 oder 1978, es war wieder
mal soweit. Feldlager in Lieberose war angesagt.
Verlegung FRR-134 klappte ganz gut, bis auf einen Betriebsunfall bei
der Verladung. Wenn ich mich recht erinnere wurde ein Uffz.der SB verletzt. Der Transport
war wie üblich entlang der Oder geplant. Also zwischen Pritzwalk und Parchim Abfahrt. Die
MVM hat uns auch schön genervt. Hoch bis fast Angermünde durchs Oderbruch bis
Frankfurt/Oder abladen in Tauer/Jamlitz.: Aufbau ist wohl jedem geläufig.
Keiner wußte das gleichzeitig eine sowjetische Panzerdivision im
Verbund mit einem Kampfhubschrauber-Geschwader übte. Dieser Umstand wurde uns zum
Verhängnis. Die Technik war disloziert. Verbindung zwischen RLS und GS wurde über LFK
ca.30 cm tief eingegraben hergestellt. Nach unseren Maßstäben musste es reichen. Keiner
rechnete mit einem Bataillon BMP im Vorbeimarsch. Genau zwischen RLS und GS donnerten sie
mit geschätzten 60 km/h vorbei. Gleichzeitiger Überflug MI-24. Der Lärm war
unbeschreiblich. Danach hatten unsere Nachrichteneinheiten einiges zu tun. Als Ehemaliger
RKW Uffz . wurde ich auch ins Feldlager abkommandiert. Keine Probleme: Filme, Flugblätter
oder andere Aufgaben wurden erledigt. Trotzdem gab es ein Vorkommnis, welches mich auch
nach 28 oder 26 Jahren nicht losläßt.
Irgendwann in der Nacht, mitten im Feldlager, jeder weiß wo er stand.
Mitten in der Nacht wurde ich wach, ein Wummern. Als ich aus dem RKW sprang sah ich nur
einen Schemen. Etwa 10 bis 15 m entfernt, ragte die Silhouette eines T-72 aus dem Wald.
Die "Freunde" machten einen Ausflug, Wodka scheint ihnen geholfen zu haben.
Naja, das war ganz schön schwierig. Übrigens wurde auch Alkohol im Feldlager konsumiert.
Alle BUs und Offz. konnten regulär im Casino-Zelt "Landskron" oder
"Budweiser" erwerben. Die SaZ und Soldaten im GWD mussten sich anders behelfen.
Jeden Tag fuhren Wassertankwagen nach Lieberose oder nach Peitz. Für unser Feldlager
wurde einiges an Wasser gebraucht. Pro Wassertankwagen wurden ca. 20 "Granaten",
also Schnapsflaschen mit "Blauen Würger" o.ä., ins Feldlager geschmuggelt: Mit
Seilen im Inneren der Tankwagen befestigt. Auch in Parchim wurde der Befehl 30/74
umgangen.
Folgende Situation: Jeder kannte unsere Gaststätte im Objekt. Am
berühmtesten waren Schnitzel / Ei / Weißbrot. Uffz., GW o.ä. bringt eine Arzttasche
durch das KDP. OvD zufällig anwesend und stellt die Frage an den passierenden Soldaten:
"Was haben sie in der Tasche?" Ehrliche Antwort: "30 Flaschen Bier und 3
Granaten." OvD: "Wollen sie mich verarschen? Gehen sie weiter!"
Manchmal geht das Leben seltsame Wege.
Zugführer bei den Bausoldaten im FRR-13
von settler001@gmx.de
Geschichte besteht ja zum großen Teil auch aus gelebten Geschichten.
Gern möchte ich mit meinen Erinnerungen dazu beitragen, einen speziellen Teil
ostdeutscher Vergangenheit zu erinnern.
Im Jahr 1988 kam ich als "frischer" Leutnant zur
Stabskompanie der 3. LVD nach Neubrandenburg-Trollenhagen. Ausgebildet für Rückwärtige
Dienste / Flugplatzwartungstechnik wurde ich dort als Zugführer eines Zuges Bausoldaten
eingesetzt. Zu diesem Bausoldatenzug mit etwa 25 Mann gehörten übrigens keine
Unteroffiziere - auch die Gruppenführer waren Bausoldaten. Da es in der DDR keinen
Zivildienst gab, mussten diejenigen, die den Dienst mit der Waffe verweigerten, zu den
Bausoldaten. Für mich war das schon ein spezielles Kommando. Praktisch ohne Erfahrung im
Umgang und in der Führung von "echten" Soldaten (denn sowas lernte man an der
OHS ja nicht wirklich), musste ich von einem Tag zum anderen einen Haufen
DDR-Wehrdienstverweigerer kommandieren, die ja bekanntermaßen kein allzu großes
Interesse an militärischen Dingen an den Tag legten. Trotzdem sind wir - so denke ich mal
- ganz gut miteinander klar gekommen. Aber das ist schon wieder eine andere
Geschichte
1989 war ich mit "meinen" Bausoldaten Gast bei der FRR-13 und zwar in Ziegendorf in der 133. FRA. An Namen kann ich
mich leider nicht mehr erinnern. Nur Hauptmann Wundes fällt mir noch ein und ein
Unteroffz. Schwark(?). In der FRA 133 sollte bekanntlich eine neue Feuerstellung auf dem
Dachsberg bei Leppin gebaut werden. Und hierbei sollten auch die Bausoldaten mitwirken.
Meine Aufgabe war die militärische Führung der Bausoldaten, nicht die fachliche
Anleitung, davon hatte ich ja auch keine Ahnung. Da ich als Gast nicht in den normalen
Dienst der FRA eingebunden war, hatte ich jede Menge Zeit, das Leben zu genießen: Joggen,
Lesen und Sonnenbaden in der alten Feuerstellung. Tatsächlich ließ man mich einfach so
in den (mit Elektrozaun und Posten) gesicherten Wachbereich marschieren und dort mein
Badetuch ausbreiten, wenn sonst niemand da war.
Eine Aufgabe der Bausoldaten war es, den Bereich des Elektrozaunes der
alten Feuerstellung vom Unkraut zu befreien und einmal komplett umzugraben. So zogen wir
also jeden Morgen los, bewaffnet mit Schaufeln, Hacken und Rechen. Während meine
Bausoldaten arbeiteten, "bewachte" ich aus sicherer Entfernung die Arbeiten. Da
für mich nicht mehr zu tun war, hatte ich auch während meines "aufreibenden"
Dienstes stets ein gutes Buch dabei
Irgendwann ging es dann zum Bunkerbau auf den Dachsberg in den Ruhner
Bergen. Das war die höchste Erhebung der Gegend und eigentlich eine sehr reizvolle,
wunderschöne Landschaft. War es sogar ein Naturschutzgebiet? Ich weiß es nicht mehr.
Dort wurden nun die alten Bäume gefällt, alles wurde kahl geschlagen und platt gemacht.
In Folge dessen kam es bei stärkeren Unwettern zu regelrechten Erdrutschen, es bildeten
sich tiefe Gräben und ganze Teile der Baustelle soffen immer mal wieder ab.
Der Bau selbst lief reichlich locker aber auch unprofessionell ab. Die
meiste fachliche Ahnung hatten noch die Bausoldaten, weil da einige mit handwerklicher
Ausbildung dabei waren. Es gab Bunkerbaupläne und einen in Uniform gesteckten
Bauingenieur; irgendwann kamen die Betonblöcke und irgendwie wurde das Zeug dann
aufeinander gesetzt. Einmal geriet ein Autokran ins Kippen. Im letzten Moment konnte ein
Umkippen verhindert werden.
Lustig war der Dienst auf der Baustelle: Marschieren, Grüßen etc. -
alles Fehlanzeige. Je nach Jahreszeit erkundeten wir Offiziere das Gelände rund um die
Baustelle. Mal wurden Heidelbeeren gesammelt, mal Pilze gesucht und gefunden. Einmal wurde
ein Forellenteich entdeckt und "teilgeräumt".
Zentrales Element der Baustelle waren die Offiziersbaracke und die
Küche gleich nebenan. Wenn die Arbeiten eingeteilt waren und es sonst nichts zu tun gab,
saß immer irgendein Haufen dort, trank Kaffee und freute sich auf das zweite Frühstück.
Von Zeit zu Zeit, als es zu auffällig wurde, sprach der Chef mal ein Machtwort, dann
verbrachten man wieder einen Teil der Zeit draußen auf der Baustelle.
Einer der Offiziere der Abteilung baute übrigens zeitgleich ein Haus.
Irgendwie hieß es immer mal, dass er Material abzweigen würde, und dass auch die
Bodenplatte mit Beton gegossen worden sei, der für die Feuerstellung bestimmt war, aber
wie diese Sache ausging, weiß ich nicht mehr.
Spannend für mich war die Sache mit dem Behälter für das
Löschwasser. Weil wohl aus Tarnungsgründen kein See auf dem Berg angelegt werden sollte,
kam man auf die Idee, einen alten Tank im Erdreich einzugraben und diesen als
Löschwasser-Behälter zu benutzen. Dieser Tank wurde auf einem Ausweichflugplatz(?) in
der Nähe von Stralsund gefunden und war ein alter, großer Erdtank für Flugzeugbenzin,
noch aus Adolfs Zeiten. Nun sollte der Tank nach Ziegendorf überführt werden. Den
Transport sollte ein Offizier begleiten, und das war ich. Hauptmann Wundes sagte nur:
"Fahr da mal hin und hol das Ding." Scheinbar gab es in der NVA für solche
Aktionen keine Vorschriften, jedenfalls habe ich mich ohne irgendwelche offiziellen
Papiere oder Aufträge auf den Weg gemacht, und zwar mit dem Zug, in
Offiziersdienstuniform. Unterwegs wurde ich ganz schön angestarrt. Schließlich waren wir
mitten im Sommer 1989. Als ich endlich in Stralsund ankam, war es für eine Weiterfahrt zu
dem Kaff, wo der Flugplatz lag, allerdings schon viel zu spät. Ich überlegte, wo ich
übernachten könnte und kam auf die Idee, es in der Offiziershochschule der Volksmarine
zu versuchen, die ja in Stralsund war. Also dorthin und am Kdl mal den OvD verlangt. Der
staunte nicht schlecht, war aber ein ganz umgänglicher Typ. Er überlegte nicht lange,
sondern bot mir an, in seinem Wohnheimzimmer zu übernachten, da er ja eh Dienst hatte. Am
nächsten Morgen bin ich dann mit dem Taxi weitergefahren. Der riesige Tank wurde ziemlich
provisorisch auf einen LKW gehievt und schwankte bedenklich. Irgendwie bekamen wir das
Teil aber halbwegs fest. So kam der Tank auf den Dachsberg, wo er wahrscheinlich heute
noch vor sich hinrostet. Vielleicht geht ja mal jemand hin und macht Fotos, die dann hier
veröffentlicht werden. Ich jedenfalls würde gern mal sehen, was aus der Baustelle
geworden ist, denn die Bauarbeiten sind ja irgendwann eingestellt worden.
Am 7. Oktober 1989 waren die Bausoldaten noch auf der Baustelle. Danach
ging alles ziemlich schnell. Ende des Jahres wurden meine Bausoldaten nach Neubrandenburg
zurückversetzt und die Bausoldaten wurden im Januar(?) vorzeitig entlassen.
Aus den Aufzeichnungen eines Leutnants
Zugführer für Bausoldaten Erinnerungen an Ziegendorf, Baustelle der FRAU 133, neue
Feuerstellung
von settler001@gmx.de
15.03.1989
Die ersten Tage in Ziegendorf - Um 6:30 Uhr bin ich mit meinen Spatis Richtung Baustelle
gefahren, und um 16:00 Uhr wieder zurück, und die ganze Zeit über hat es in Strömen
gegossen. Wir waren alle klatschnass. Aber die Bausoldaten haben ganz schön geschafft.
Haben bei Schlamm und Wind und Kälte eine Fundamentgrube ausgehoben, für die eigentlich
ein Bagger bestellt war. Doch der ging vorher noch schnell kaputt. Die Spatis haben
geflucht, weil sie bei dem Sauwetter draußen arbeiten mussten. Zum Schluss durften sich
aber alle, die mitgemacht haben, ein dickes Bienchen eintragen. Schließlich wollen ja
alle gern Ostern in Urlaub fahren
30.03.1989
In meinem Zimmer in der Unterkunft ist es kälter als draußen. In der letzten Woche hatte
ich mir ein Thermometer ausgeliehen. Das zeigte immer so 14 - 15 Grad Celsius an - im
Zimmer. Wärmer ist es heute auch nicht.
Das Essen in der Militärgaststätte ist
gut und echt billig: Steak mit Letscho 2,70 Mark oder Schnitzel mit Ei 2,75 Mark, das ist
schon fast das teuerste.
Ziegendorfer Abkürzungsverzeichnis: MTW:
Massentransportwagen, das sind die W-50, mit denen die Leute auf die Baustelle fahren P
601-K: Der Trabant von Oberleutnant König, welcher auch Pe-King genannt wird. W.p.:
bedeutet "Wird präzisiert", das Zauberwort für alle Termine auf der Baustelle
Mit "z.m." werden beliebterweise kaputte Bagger oder Planierraupen angebrüllt.
Heißt nämlich "Zu mir!" ZDF: Ziegendorfer Fernsehen, oder eben tatsächlich
ZDF für Zweites Deutsches Fernsehen. Wer kaserniert untergebracht war, wie ich als
Bauzugführer, und sich mit den Unteroffizieren gut verstand, die einen Fernseher auf der
Bude hatten, konnte auch anderes als DDR-Fernsehen sehen
13.04.1989
Bunkerbau in Ziegendorf: Heute wurden Deckenplatten auf einem Bunker gelegt, jede etwa 3
Tonnen schwer, und das ganze mit einem Autokran. So ein Kran hat immer eine Sicherung, das
heißt, bei einer Last von 120 % geht er aus. 90 % Last hatte er aber schon beim Anheben
im günstigsten Winkel. Als der Kran dann die Platte rumschwenkte, stand er nur noch auf
drei Stützen, und die Lastanzeige wickelte sich wie weichgekochte Spaghetti um ihren
Maximalpunkt. Die Sicherung war mit einem 50 Pfennig-Stück überbrückt. Unseren
Sicherheitsoffizier schicken wir in solchen Momenten von der Baustelle. Wenn er davon
erfährt, darf er es nicht genehmigen, und dann steht die Baustelle. Andere Technik gibt
es aber auch nicht. Entweder es geht gut oder es geht gut.
07.06.1989
Ich merke: Langsam bekomme auch ich die Ba-ma, die Baumacke. Den meisten hier geht es
schon so, bei denen dreht sich alles nur noch um den Bau. Selbst in der Kneipe wird der
Arbeitsablauf für den nächsten Tag besprochen.
Alltag: 16:30 Uhr kam ich von der Baustelle. Danach Postausgabe bei den Spatis, dann
umziehen, Stiefel putzen, duschen, kurz Zeitung lesen. Dann wieder rüber zu den Spatis,
um mit den Gruppenführern die Arbeit für den nächsten Tag zu besprechen. 18:00 Uhr ist
dann Abendbrot, und anschließend war ich noch einmal bei den Spatis, um irgendwelche
Probleme zu klären: Der eine muss zum Zahnarzt, der andere will Ausgang, und so weiter.
Um 20:00 Uhr wieder rüber in die Kompanie, weil heute Mittwoch und somit
"Großes" Stuben- und Revierreinigen angesagt ist. Nach dem Stubendurchgang bin
ich heute noch bei den Spatis sitzen geblieben. Einer von ihnen schreibt Kurzgeschichten.
Er hat eine vorgelesen, von einem Haus, in dem nach und nach alles zusammenfällt (es
könnte auch ein Land sein
). Wir haben herzlich gelacht.
10.06.1989
Noch mehr Alltag: Es geht immer alles herrlich drunter und drüber. Gestern hatte ich eine
so schöne Arbeitsplanung vorbereitet, und heute habe ich manchem Bausoldaten innerhalb
der ersten Stunde drei verschiedene Arbeiten gegeben. Und dann immer wieder so etwas:
Warum raupt die Raupe nicht? - Kein Sprit, der Tankwart ist nicht da. Oh! Wo ist der
Bagger? - Kaputt. Ah! Wo ist der Bewehrungsstahl, Position 5? Den hat das Stahlwerk falsch
gebogen, kommt nächste Woche. Oh Gott, da will der Baubetrieb doch schon den Beton
gießen! Warum werden die Fenster nicht eingekittet? - Weil es keinen Kitt gibt. Und wo
ist die gelbe Farbe? - Vielleicht bekommen wir nächste Woche welche - wenn wir dafür
eine Fuhre Kies abgeben
Zwischendurch entfachen sich heiße Diskussionen über
unklare Bauzeichnungen oder gar fehlende Blätter, und wenn dann noch einer in die
Bauleitung stürmt und meldet, der Betonmischer sei mit defekter Wasserpumpe ausgefallen,
dann ist das Kraut wirklich fett.
15.06.1989
Jetzt ist gerade Mittagspause. Und danach habe ich eigentlich gar nichts richtiges mehr zu
tun. Also ungefähr so viel wie vor der Pause. Heute ist nämlich Polit-Großkampftag. Da
ruht der Bau. Da hatte ich endlich mal Gelegenheit, die längst fällige
Arbeitsschutzbelehrung für die Bausoldaten nachzuholen.
Den Polit-Unterricht bei
den Spatis hat dann jemand anderes gemacht. Ich habe in der Zeit das neue
"Magazin" gelesen.
22.06.1989
Der Hitze wegen ist bis auf weiteres Wecken um 4:00 Uhr, Arbeitsbeginn 5:00 Uhr und
Feierabend soll 13:00 Uhr sein. Angenehm zeitig Schluss, nur vor dem Aufstehen graut mir.
Und ausgerechnet heute ging es natürlich trotzdem länger. Beim Gießen von Fundamenten
ist eine Holzschalung geplatzt. Toll, wenn ein Betonwürfel von fast 4 Kubikmetern
plötzlich auseinander klatscht
25.06.1989
Sonntag, Tag des Bauarbeiters - Da wir auf einer Baustelle arbeiten, haben wir heute auch
den Tag des Bauarbeiters gefeiert. Aus diesem Anlass hab ich mich nach dem Mittagessen mit
den Bausoldaten in den Klub gesetzt und jeder hat zwei Flaschen Bier bekommen, die wir
vorher eingekauft hatten. Da ja sonst immer nur zwei bis drei Bausoldaten Ausgang bekommen
können, weil im anderen Fall die Kneipe überfüllt wäre, war das für die Leute
natürlich ein ziemliches Erlebnis, mal zusammen "bei der Armee und ohne
Ausgang" Bier trinken zu können. So etwas hatten sie nun wirklich nicht erwartet,
und da waren sie entsprechend happy.
07.07.1989
Am liebsten wäre ich heute den ganzen Tag auf meiner Matratze liegen geblieben. Da ist es
noch am kühlsten. Dann hätte ich noch zwei Fliegen zwecks Kühlung über meinem Kopf zum
Kreisflug befohlen - so wäre es auszuhalten gewesen. Aber statt dessen habe ich mit den
Spatis heute vormittag "Polit" gemacht. Na, so was muss auch mal sein. Auf dem
Bau konnten wir auch nicht arbeiten, weil heute wegen anderer Bauarbeiten Stromausfall
war. Für heute nachmittag hätte ich mir ja noch was zum Arbeiten einfallen lassen
müssen, aber ich habe mir und den Spatis hitzefrei gegeben. Jetzt sitze ich hier und
trinke Bier, weil es in der Militärverkaufsstelle außer Milch keine alkoholfreien
Getränke mehr gibt, und auch das Leitungswasser darf bis auf weiteres nur abgekocht
getrunken werden.
09.07.1989
Sonntags, nach einem Sommergewitter - Heute morgen auf dem Bau sahen wir die Bescherung.
Wo das vom Berg strömende Wasser sich seinen Weg gesucht hatte, war alles von dicken
Schichten Schlammsand bedeckt. Wege glichen aufgerissenen Gräben, Straßenplatten hatte
es unterspült, metertiefe Kabelgräben waren zugeschwemmt. Am Rand der Baustelle war eine
uralte Buche umgestürzt. Und vier deprimierte Bausoldaten standen da, wo sie gestern
begonnen hatten, eine Klärgrube anzulegen. Die zwei Meter tiefe Grube gab es einfach
nicht mehr. Da war eine glatte Sandfläche. Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich es
nicht gesehen hätte. Aber an unserem Hauptbauwerk, dem so genannten Mittelpunkt, wurde
heute weiter gebaut. Das soll einmal die zentrale Führungsstelle der Feuerstellung
werden. Heute wurden die ersten Pfeiler gesetzt, und nun sieht das Ding aus wie ein
antiker Tempel. Das Gebäude steht ja auch weithin sichtbar auf der höchsten Erhebung. Es
ist schon beeindruckend. Drei Wände sind bereits fertig und in diesem offenen Karree
stehen jetzt 10 von 26 Pfeilern, auf die später die Deckenträger montiert werden sollen.
21.07.1989
Die Spatis sind jetzt alle in relativ festen Arbeitsgruppen aufgeteilt. Die wissen
morgens, wo sie hin müssen und was sie zu tun haben, und nachmittags finden sie allein
zurück - im Interesse eines pünktlichen Feierabends. Mir bleibt die Rolle des Statisten.
Drehe meine Runden auf dem Bau und sitze ansonsten schwatzend mit den anderen Offizieren
in der Bauleitung. Ich fühle mich nicht gerade ausgelastet. Man kann sich dran gewöhnen,
aber man stumpft ab. Das ist schon ein komischer Job. Man hat viel zu tun, aber man macht
eigentlich nichts. Nur Rennerei: Arbeitsschutz, Belehrungen, Arbeitseinteilung, Kontrolle,
Abrechnung, Ausgang bestätigen, Urlaubsscheine unterschreiben
26.07.1989
Unser Kommandeur hat jetzt Urlaub, und getreu dem Motto tanzen die Mäuse, wenn der Kater
weg ist. Und so sind nach dem zweiten Frühstück auf der Baustelle meistens ein paar
Offiziere für eine runde Stunde verschwunden. Es ist schön, hier durch den Wald zu
laufen. So langsam haben wir jetzt herausgefunden, wo in den Vormittagsstunden die Rehe
stehen und wo man sie beobachten kann.
In der Bauleitung heißen alle "Hans". Wieso, weiß heute keiner mehr, aber
der Abteilungskommandeur wird eben "Hans Panik" genannt, und der
Regimentskommandeur in Parchim ist dementsprechend "Hans Quadrat-Panik". Der
Uffz. vom Betonmischplatz ist "Hans Beton". Und weil der Raupenfahrer Engel
heißt, ist das jetzt allerdings Artur. Die Raupe raupt nicht, nein, sie
"engelt".
26.09.1989
Gestern abend, ich kam gerade vom Duschen, ging plötzlich im Objekt die Hupe: Eine Übung
in Gefechtsalarm! Und das mir! Wo ich doch weder einen Stahlhelm, noch eine Gasmaske, oder
gar eine Pistole besitze. Brauche ich ja auch nicht, da ich ja sonst mit den Spatis aus
solchen "Spielchen" herausgehalten werde. So war es zwar auch diesmal, trotzdem
war ich noch bis spät abends unterwegs, um einiges zu organisieren, unter anderem eine
kleine Nachtwanderung durch finstersten Wald zur alten Feuerstellung und zurück. Da
hätte ich mir das Duschen sparen können
01.10.1989
Ziegendorfer Klatsch und Tratsch - Unser Kommandeur hier hat ein neues Auto: einen fünf
Jahre alten Lada 2100. Er hatte einen Shiguli, zwölfhunderter, Baujahr 1974. Auf seine
Anmeldung bekam er letzten Monat einen neuen Trabi. Den Shiguli hat er für 25.000 Mark
verkauft und den Trabi für 23.000 Mark. (Was war der reguläre Neupreis für einen
Trabi?) Und für diese 48.000 Mark hat er den fünf Jahre alten Lada erstanden (Neupreis
28.000 Mark - aber regulär 12 Jahre Wartezeit). Der Verkäufer des Ladas hatte sich
gerade für 120.000 Mark einen Golf beschafft. Schluck. Unser Kfz.-Offizier meinte, den
Lada solle er am besten gleich auf die Straße stellen. In dem guten Zustand bringt der
noch 55.000 Mark ein.
5.10.1989
Heute habe ich mit Detlef, meinem Kompaniechef hier, einen kleinen Sieg gefeiert. Wegen
der Übung in der letzten Woche und wegen dauernd kaputter Technik haben wir auf dem Bau
vier Tage Planrückstand. Deshalb wollen wir am 7. Oktober, dem heiligen Tag des Staates,
arbeiten, damit uns am 11. Oktober zur Rohbauabnahme niemand sagen kann, wir hätten nicht
alle Reserven genutzt. Als ich das den Bausoldaten vorschlug, freiwillig mit arbeiten zu
gehen, waren sie erstmal platt, denn (ha, ha) - d i e wollten das eigentlich vorschlagen,
unter dem Motto: Das ist nicht unser Feiertag. Na gut, jedenfalls waren alle dafür,
arbeiten zu gehen. Heute sagt mir auf einmal der Gruppenführer, die Spatis hätten sich
entschlossen, "angesichts der aktuellen politischen Situation" doch nicht zu
arbeiten. Als ich dann mit ein paar der "Kollegen" heute auf der Baustelle
sprach, stellt sich heraus, das sind ja gar nicht alle, die nicht arbeiten wollen. Die
Leute vom Straßenbautrupp haben regelrecht geheult: "Wir wollen ja arbeiten, aber
wie stehen wir dann da vor den anderen?" Heute nachmittag, 16:30 Uhr saßen alle
Bausoldaten im Klub und Detlef ist "aufgetreten". Wir haben noch einmal
erklärt, warum wir für die Arbeit auf dem Bau am 7. Oktober sind, und dass niemand
mitkommen muss, und diejenigen, die nicht mitkommen, auch nicht mit Sanktionen zu rechnen
hätten, und dass wirklich alles absolut freiwillig sei. Als wir dann sagten, wer
mitkommen will, der soll den Arm heben, da wußten wir nicht, was passiert. Die fünf
Straßenbauer hatten den Arm als erste oben, und dann waren es von 22 Bausoldaten 18 Mann,
die sich meldeten. - Und so kam es, dass die Bausoldaten in Ziegendorf am 7. Oktober 1989
eine Sonderschicht arbeiteten.
25.10.1989
Abgesehen von einem Apfel ab und zu zum Mittagessen gibt es hier weder frisches Obst noch
Gemüse. Dafür Eier in Massen, früh, mittags und abends auch noch. Und saure Gurken. Die
müssen auch fässerweise eingelagert sein. Saure Gurken gibt es als Beilage zum
Frühstück und zum Abendbrot.
Heute Abend habe ich den Bausoldaten ganz übel mitgespielt. Ich hatte mich zum
Stubendurchgang angemeldet, es dann aber beim Schuhe putzen und Zeitung lesen selber ganz
vergessen. Nachdem die armen Kerle auf dem Gang angetreten eine Viertelstunde auf mich
gewartet hatten, rief der Diensthabende aus der Kompanie an und wollte wissen, ob ich denn
noch zur Kontrolle kommen würde. Als ich dann sagte, dass ich nicht mehr komme, haben die
sich nicht mal gefreut
05.12.1989
Der letzte Tag mit den Bausoldaten Am 4.12.1989 wurden die Bausoldaten aus Ziegendorf und
aus dem FRR 13 abgezogen und nach Neubrandenburg zum Stab der 3. LVD zurückverlegt. Am
5.12.1989 wurden sie von dort abgeholt mit dem Ziel der Entlassung in einen neuen
"Zivildienst" in der Volkswirtschaft. Damit endete auch für mich das
"Abenteuer Ziegendorf".
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