Völkerrecht
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Teil C Rechtsfragen des militärischen Dienstes

1. Völkerrechtliche Regeln der Kriegsführung

Als völkerrechtliche Regeln der Kriegsführung werden diejenigen völkerrechtlichen Normen (Abkommen, Verträge, Konventionen usw.) bezeichnet, in denen festgelegt worden ist, wie sich die Streitkräfte der Staaten im Falle eines Krieges zu verhalten haben, welche Mittel und Methoden der Kampfführung angewandt werden dürfen und welche Rechte und Pflichten die Streitkräfte und die einzelnen Angehörigen der Streitkräfte haben.

1.1. Stellung der Deutschen Demokratischen Republik zu den völkerrechtlichen Regeln der Kriegführung

Die Stellung der Deutschen Demokratischen Republik zu den völkerrechtlichen Regeln der Kriegführung ergibt sich aus der Stellung zum Völkerrecht überhaupt. Entsprechend dem Charakter unseres Staates als sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern ist die Außenpolitik auf den Frieden, die Völkerverständigung, die internationale Sicherheit und Entspannung, auf die Verwirklichung der Prinzipien der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten unterschiedlicher gesellschaftlicher Systeme orientiert.

Demzufolge gilt als Verfassungsgrundsatz, daß die "allgemein anerkanten, dem Frieden und der friedlichen Zusammenarbeit der Völker dienenden Regeln des Völkerrechts" sowohl für die Staatsmacht als auch für jeden Bürger verbidlich sind. Eroberungskriege oder Einsatz der Streitkräfte gegen die Freiheit anderer Völker sind durch die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ausgeschlossen (siehe Artikel 6 und 8 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik i.d.F. vom 07.10.1974). Mit dieser Orientierung handelt die Deutsche Demokratische Republik in voller Übereinstimmung mit dem in der UNO-Charta (Artikel 2, Ziffer 4) verankerten Verbot der Gewaltanwendung und -androhung in den zwischenstaatlichen Beziehungen. Gleichzeitig berücksichtigt die Deutsche Demokratische Republik die vom expansionistischen und aggressiven Wesen des Imperialismu nach wie vor ausgehende reale Kriegsgefähr.

In Übereinstimmung mit dem unveräußerlichen Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung anerkennt deshalb die Deutsche Demokratische Republik, wie auch die anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft, die Weitergeltung der Regeln der Kriegsführung. Mit der Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses hat sich jedoch auch die Funktion und Zielstellung dieser Regeln geändert. Sie sind in den Händen der Völker ein wichtiges Mittel, um die Aggressoren nicht nur für die Aggression selbst, sondern auch für die in diesem Zusammenhang begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestrafen zu können. Diese Regeln dienen darüber hiaus der Einschränkung bzw. der Behinderung gewisser Methoden der imperialistischen Kriegführung, der Verstärkung des Schutzes der Zivilbevölkerung und sie garantieren den progressiven Befreiungsbewegungen und deren Kämpfern den ihnen zustehenden völkerrechtlichen Schutz als reguläre Streitkräfte.

Ausgehend von dieser Einschätzung erließ die Deutsche Demokratische Republik am 30. August 1956 das Gesetz über den Beitritt zu den Genfer Abkommen zum Schutze der Kriegsopfer vom 12. August 1949, die mit Wirkung vom 30. Mai 1957 für die Deutsche Demokratische Republik in Kraft traten. Am 22. Dezember 1958 erklärte die Deutsche Demokratische Republik zusätzlich die Wiederanwendung der wichtigsten völkerrechtlichen Abkommen über die Regeln der Kriegführung. Die am 10. Juni 1977 in Genf abgeschlossene Ergänzungsprotokolle I und II zu den Genfer Abkommen von 1949 wurden durch die Deutsche Demokratische Republik am 12. Dezember 1977 unterzeichnet. Diese Bindung der Deutschen Demokratischen Republik an solche Abkommen dokumentiert, daß unsere Streitkräfte im Falle der Abwehr einer Aggression sich strikt an die Regeln der Kriegführung halten werden. Unser Staat hat deshalb den Schutz dieser Abkommen durch die Bestimmungen der §§ 277 bis 283 des Strafgesetzbuches gesichert (vergl. Teil C, Abschnitt 2.2.16.). Gleichzeitig ist die Gewähr gegeben, daß im Falle einer imperialistischen Aggression Kriegsverbrecher ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.

Aufgrund dieser Stellung der Deutschen Demokratischen Republik zu den völkerrechtlichen Abkommen über die Regeln der Kriegführung müssen alle Vorgesetzten: mit diesen Regeln vertraut sein; die Unterstellten über den Inhalt dieser Regeln unterrichten; im Kampf auf ihre strikte Einhaltung achten; im Kampf alle Verletzungen der Regeln der Kriegführung seitens der Feinde unverzüglich melden, damit von den entscheidungsbefugten Organen geeignete und zuverlässige Gegenmaßnahmen getroffen werden können.

1.3. Verbotene Kampfmittel und Kampfmethoden

Nach den Artikeln 23, 25 und 28 der Haager Landkriegsordnung ist es verboten, Gift oder vergiftete Waffen zu verwenden; waffenstreckende Feinde zu töten oder zu verwunden; zu erklären, daß kein Pardon gegeben wird, daß heißt keine Gefangenen zu machen oder sich Ergebende oder auch Verwundete zu erschießen; die Parlamentsflagge, die Nationalflagge oder militärische Abzeichen und Uniformen des Feindes sowie die Zeichen des Roten Kreuzes zu mißbrauchen; Städte zur Plünderung preiszugeben; unverteidigte Ortschaften oder neutralisierte Gebiete zu beschießen und zu zerstören. Das III. Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen verbietet darüber hinaus (Artikel 130): die Folterung oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche; die Nötigung zur Dienstleistung in den Streitkräften der feindlichen Macht; den Einsatz zu gefährlichen Arbeiten im unmittelbaren Kampfgebiet (z.B. Minenräumen - Artikel 52 des III. Genfer Abkommens). Das IV. Genfer Abkommen über den Schutz der Zivilbevölkerung verbietet zusätzlich (Artikel 146); rechtswidrige Verschleppung oder Verschickung; rechtswidrige Gefangenhaltung; die Festnahme von Geiseln. Nach dem Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925 ist auch der Einsatz erstickender, giftiger oder ähnlicher Gase sowie die Verwendung von bakteriologischen Mitteln im Kriege Verboten. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß nach Artikel 22 der Haager Landkriegsordnung die "Kriegsführenden kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes" haben, und Artikel 23e) verbietet den "Gebrauch von Waffen, Geschossen und Stoffen, die geeignet sind, unnötige Leiden zu verursachen".

Der Einsatz jeglicher Massenvernichtungswaffen und solche Mittel, die die natürlichen Lebensbedingungen für Menschen, Tiere und Pflanzen vernichten oder diesen langandauernde Schäden zufügen, ist völkerrechtswidrig. Verboten ist auch der getarnte Einsatz von Sprengmitteln in Gegenständen des täglichen Bedarfs sowie in Kinderspielzeugen. Parlamentäre sowie die sie begleitenden Personen und ihre Transportmittel sind, unabhängig von der Annahme des überbrachten Angebots, unverletzlich. Der Empfangende kann jedoch Maßnahmen treffen, damit die Parlamentäre ihre Tätigkeit nicht zur Einziehung von Nachrichten oder Angaben über die Gegenseite ausnutzen können (Verbinden der Augen, Verdunkeln der Fahrzeuge u.ä.)

1.4. Behandlung der Verwundeten, der Kranken und des medizinischen Personals

Nach den völkerrechtlichen Bestimmungen genießen Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige und das medizinische Personal der Streitkräfte einen besonderen Schutz. Die Grundsätze dafür sind besonders im I. und II. Genfer Abkommen von 1949 enthalten. Zum Sanitätspersonal gehören: auschließlich zum Aufsuchen, zum Bergen, zum Transport und zur Pflege der Verwundeten und Kranken bestimmte Sanitäter; Sanitätskraftwagenfahrer; Personal und Besatzungen von Sanitätsschiffen und -luftfahrzeugen; Ärzte, Pfleger und Schwestern. Dieses Personal hat außer seinen militärischen Dokumenten eine Identitätskarte (Ausweiskarte), aus der seine Stellung zu ersehen ist. Diese Identitätskarten sind auch in der Nationalen Volksarmee eingeführt.

Fällt dieses Personal in die Hände des Gegners, so soll es seine Tätigkeit zugunsten der Verwundeten fortsetzen. Sanitätspersonal und religiöses Personal zählt nicht zu den Kriegsgefangenen. Diese Bestimmungen beziehen sich nicht nur auf das militärische Sanitätspersonal, sondern auch auf die Kräfte der nationalen Rotkreuz-Gesellschaften, die im Falle bewaffneter Konflikte dem Medizinischen Dienst der Armee unterstellt werden. Der zugesicherte Schutz darf auch dann nicht entzogen werden, wenn das Personal Waffen trägt oder sich bzw. Verwundete verteitigt hat. Sanitätseinrichtungen, -formationen und -fahrzeuge dürfen nicht angegriffen, beschädigt oder ihrem bestimmunggemäßen Gebrauch entzogen werden. Das Schutzzeichen des Roten Kreuzes darf nur benutzt werden, um solche Personen, Gebäude und Materialien zu kennzeichnen, die durch die entsprechenden Abkommen geschützt werden. Auch die Verwundeten des Gegners müssen geborgen, medizinisch versorgt und vor Beraubung und Mißhandlung geschützt werden. Ist kein fremdes Sanitätspersonal vorhanden,, so müssen die Verwundeten vom Sanitätspersonal der Gewahrsamsmacht betreut werden.

Die Verwundeten erlangen bei ihrer Auffindung den Status der Kriegsgefangenen.

1.5.2. Pflichten der Armeeangehörigen in Kriegsgefangenschaft

Ein in Gefangenschaft geratener Armeeangehöriger darf gegenüber dem Feind nur die Angaben machen, die zur Benachrichtigung seiner eigenen Familienangehörigen und zur Benachrichtigung der nationalen und zentralen Auskunftsstellen erforderlich sind.

Jeder Angehörige der Nationalen Volksarmee hat im Falle der Gefangenschaft die Pflicht: alle Möglichkeiten auszunutzen, um sich und seine Genossen zu befreien und zu den eigenen Truppen zurückzukehren; die Ehre und Würde zu wahren; standhaft und mutig zu sein; militärische Geheimnisse zu wahren; mit den gefangenen Angehörigen befreundeter Armeen freundschaftliche Beziehungen aufrechtzuerhalten; Mitgefangene davon zurückzuhalten, zu Helfern des Gegners zu werden. Eine Verletzung dieser Pflicht würde eine strafrechtliche Verantwortung nach sich ziehen.

1.6. Schutz der Zivilpersonen

Der Schutz der Zivilpersonen ergibt sich aus den Artikeln 42 bis 50 der Haager Landkriegsordnung, aus dem IV. Genfer Abkommen von 1949 und dem Ergänzungsprotokoll I von 1977. Die Zivilbevölkerung muß jederzeit menschlich behandelt werden. Sie darf niemals ausschließlich Angriffsobjekte militärischer Operationen sein. Die planmäßige Bombardierung von Ortschaften und die Durchführung von Vergeltungsangriffen sind schwere Verstöße gegen das Völkerrecht.

Der Zivilbevölkerung, vor allem Frauen, Kinder und Gebrechlichen, ist besonderer Schutz zu gewährleisten. Plünderungen, Verhängung von Kollektivstrafen, Einsatz der Zivilbevölkerung im Kampfgebiet, Festnahme von Geiseln, Erschießen und Folterungen sind schwere Verbrechen gegen das Völkerrecht. Solche Methoden der "Kampfführung" sind einer sozialistischen Armee fremd. Wir unterscheiden zwischen dem Aggressor und den von ihm mißbrauchten Völkern. In unseren militärstrafrechtlichen Bestimmungen sind deshalb für derartige Handlungen schwerste Strafen angedroht. Objekte, die für das Überleben der Bevölkerung unerläßlich sind, sowie Werke und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten, wie Kernkraftwerke, Staudämme u.ä. dürfen nicht ausschließliches Angriffobjekt militärischer Operationen sein. Letztere können zur Erhöhung ihres Schutzes mit einem Spezialkennzeichen versehen werden. Besonderen Schutz steht den Zivilverteidigungsorganisationen zu, die, unabhängig von ihrer Stellung im nationalen Verteidigungssystem, als zivile Hilfsorganisation völkerrechtlichen Schutz genießen, wenn sie nicht direkt zu Aufgaben im Dienste der Streitkräfte eingesetzt werden. Sie können jedoch von den Verteidigungsministerien geleitet werden, nach militärischen Prinzipien organissiert sein und leichte persönliche Waffen tragen. Zur Erhöhung ihres Schutzes und zur Unterscheidung von den Streikräften werden das ZV-Personal, Gebäude, Einrichtungen, Material und Transportmittel mit dem internationalen Schutzzeichen der Zivilverteidigung versehen.

1.7. Schutz der Kulturgüter

Der Schutz wertvoller Kulturgüter ist in der am 14. Mai 1954 abgeschlossenen "Konvention zum Schutz der Kulturgüter im Falle bewaffneter Auseinandersetzung" geregelt. Nach dieser Konvention müssen vor Einwirkungen durch Kampfhandlungen geschützt werden: Bauwerke von besonderem künstlerischem oder historischem Wert; Kunstwerke, Museen, Büchereien und Archive; Gebiete mit einer größeren Ansammlung solcher Kulturgüter. Jede Plünderung, Einziehung und vorsätzliche Beschädigung fremder Kulturgüter ist verboten. Die Kulturgüter können mit dem Kennzeichen der Konvention gekennzeichnet werden.

Quelle: Handbuch Militärisches Grundwissen NVA - Ausgabe 10. Auflage, Redaktionsschluß: 15. 11. 1980
Die umfangreiche Arbeit des Abtippens (!) machte sich dankenswerter Weise: Harry Kleinke


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