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Im Laufe der Jahre gab es in der NVA und ihrem
Vorläufer, der Kaderschmiede KVP, sowie den Grenztruppen verschiedene Verpflichtungs- und
Eidesformeln. KVP-Verpflichtung (1952 - 1956) Die Einheiten der Kasernierten Volkspolizei kannten keinen Fahneneid. Die Angehörigen der KVP unterschrieben statt dessen eine Verpflichtung, die im Kern bereits einem Eid nahe kam. Diese und die folgenden Ausführungen werden für die VP-Luft und -See analog gegolten haben.
Obwohl es für die KVP nie zu einem offiziellen Fahneneid kam, war der Wunsch nach Selbstverpflichtung in den Reihen der Truppe stark ausgeprägt. So kam es immer wieder zu selbstinzinierten "Vereidigungen" und freiwilligen Schwurleistungen. Psychologisch kann dieses Bedürfnis in der "Kaderschmiede" KVP so interpretiert werden, daß sich die Angehörigen des Ausbildungscharakters der KVP durchaus bewußt waren und mittels eines Eides den "Ritterschlag" zur vollwertigen Truppe erhofften. Zum ersten offiziellen Fahneneid kam es jedoch erst mit Gründung der NVA.
Übergangsverpflichtung für die ehemaligen KVP-Angehörigen (1956) Die Befehle und Anweisungen der KVP bzw. VP-Luft und VP-See traten zum 01.12.1956 außer Kraft, diese "Kaderschmieden" waren zum 31.12.1956 aufgelöst. Die ehemaligen Angehörigen der KVP, die in der neu gegründeten NVA (weiter-) dienen wollten, unterschrieben - entsprechend Anlage 2 des Befehls 28/56 des Ministers für Nationale Verteidigung - folgende Verpflichtung:
Schwur der NVA (1956 - 1961) Nach dem Beschluß der Volkskammer über das Gesetz zur Schaffung der NVA und des Ministeriums für Nationale Verteidigung vom 18. Januar 1956 beschloß die Sicherheitskommission des ZK der SED am 09. Februar 1956 die Einführung eines Eides für die zukünftigen NVA-Angehörigen. Auf dieser Sitzung wurden Albert Norden und Johannes R. Becher mit der Formulierung des Eidestextes beauftragt. Der Ministerrat der DDR stimmte am 12. April 1956 dem Plan, einen sozialistischen Fahneneid einzuführen, zu. Die erste Vereidigung fand am Vortag des "1. Mai", am Montag, den 30. April 1956 statt. Bis zum 21. Mai hatten die Chefs der Seestreitkräfte, der Luftstreitkräfte, Luftverteidigung sowie der Militärbezirke die vollständige Ableistung des feierlichen Schwurs und die Durchführung der Verpflichtung dem Verteidigungsminister, Generaloberst Willi Stoph, zu melden. Der folgende Schwur, der noch recht kurz war und noch nicht offiziell als "Fahneneid" bezeichnet wurde, wurde - wie der spätere Fahneneid auch - auf die Truppenfahne geleistet:
Da die NVA damals eine Freiwilligenarmee war, wurde nach Ableistung des Schwurs noch eine schriftliche Erklärung abgegeben. Für Unteroffiziere und Mannschaften lautete diese: Offiziere unterschrieben folgende Verpflichtungserklärung:
Schwur der Deutschen Grenzpolizei (1958 - 1961) Am 17. März 1958 leisten die Angehörigen der Deutschen Grenzpolizei (DGP) erstmals den - am 16. Januar 1958 vom Präsidium des Ministerrates beschlossenen - Schwur, dem ebenfalls eine Verpflichtungserklärung voranging. Dieser Schwur wurde 1961 letztmalig bei der Vereidigung der Freiwilligen in der DGP geleistet:
NVA-Fahneneid (1962 - 1989) Mit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, mit Gesetz vom 24. Januar 1962, wurde der Eid stark modifiziert. Er war deutlich länger als sein Vorgänger und an das sowjetische Vorbild angelehnt. Alle NVA-Angehörigen, ob Berufs- oder Zeitsoldat oder Wehrpflichtiger, hatten ihn gleichermaßen zu schwören. Die letzten Soldaten schworen ihn im Herbst 1989.
Fahneneid der Grenztruppen (1962 - 1989) Am 19. September 1961 entstanden aus der Deutschen Grenzpolizei die "Grenztruppen der NVA" (Kommando Grenztruppen). Da die Wehrpflichtigen ihren Wehrdienst auch bei den Grenztruppen ableisten konnten schworen sie im Frühjahr 1962 erstmals den unten stehenden Eid. Auch nach der Herauslösung aus der NVA zum Jahreswechsel 1973/74 schworen die nunmehr Angehörigen der "Grenztruppen der DDR" weiter diesen auf die Grenztruppen modifizierten NVA-Fahneneid:
Gelöbnis der Bausoldaten (1964 - 1989) Nach Einführung der Wehrpflicht am 24. Januar 1962 in der DDR wurden am 07.09.1964 durch Anordnung des Nationalen Verteidigungsrates sog. Baueinheiten geschaffen, die statt eines Fahneneides folgendes gelobten:
Offiziersgelöbnis (1979 - 1989) Zusätzlich zum Fahneneid legten die Offiziere der NVA und Grenztruppen bei ihrer feierlichen Ernennung in den ersten Offiziersdienstgrad (Leutnant bzw. Unterleutnant) ein Gelöbnis ab. Dieses Gelöbnis wurde von einem Redner vorgelesen und die neuen Offiziere sprachen gemeinsam nur jenes "Das geloben wir". Aufgrund der Länge des Gelöbnisses und da es nicht gemeinschaftlich gesprochen wurde, erlangte es nicht im Ansatz die Wirkung eines Fahneneides. Hier das Gelöbnis i.d.F. vom 22. Juni 1979:
Im folgenden das in den 1980ern gebräuchliche Gelöbnis der Offiziere der Grenztruppen:
Wer ein Versprechen nicht einhält oder sein Wort bricht,
kann - falls er ernstlich verhindert war - noch als ehrenhaft gelten. Der Bruch des
Fahneneides ist jedoch unausweichlich mit dem Verlust der Ehre verbunden. (vgl.
Lothar Glaß "Der Fahneneid der Nationalern Volksarmee und die Erziehung aller
Armeeangehörigen zur sozialistischen Waffenbrüderschaft", 1964) Exkurs: Das Eides-Dilemma:
Gelöbnis der Grenztruppen (1990) Nach der Öffnung der DDR-Grenzen zur BRD und Westberlin wird am 15. Februar 1990 auf Beschluß des DDR-Ministerrates der Fahneneid der Grenztruppen durch ein Gelöbnis ersetzt. Es lautet:
Da der Abrüstungsminister Eppelmann am 26. Juni 1990 die Einstellung der Grenzüberwachung zur BRD und Westberlin und am 21. September 1990 die Auflösung der Grenztruppen befahl, wird dieses Gelöbnis lediglich von den im Frühjahr 1990 zu den Grenztruppen einberufenen Wehrpflichtigen geleistet worden sein.
Gelöbnis der NVA (1990) Bereits am 26. April 1990 beschloß die am 18. März 1990 gewählte Volkskammer ein neues Wehrdienstgesetz, indem auch eine neue Eidesformel enthalten war. Die im Frühjahr zum Grundwehrdienst einberufenen Soldaten mußten als Erste im Mai 1990 diese Formel sprechen. Von den bereits im Dienst stehenden NVA-Angehörigen (dienstältere Grundwehrdienstleistende, Berufs- und Zeitsoldaten und Offiziere) verlangte die an die Macht gekommene Übergangsregierung die Ableistung des neuen Fahneneids am 20. Juli 1990. Dabei wurde auf die veränderten Bedingungen und die Wehrmachts-Offiziere des gescheiterten Hitler-Attentats bezug genommen. Dieser Eid wurde absichtlich und unabsichtlich von vielen nicht mehr geleistet bzw. nicht ernst genommen. Selbst demonstrative Eidesverweigerungen kamen in "nicht unbedeutender Zahl" vor. So verweigerten allein im Mot.-Schützenregiment 1 der Mot.- Schützendivision 1 in Oranienburg 21 Unteroffiziere und 21 Soldaten ihre Vereidigung. Hier muß jedoch berücksichtigt werden, daß einige der Eidverweigerer ihre vorfristige Entlassung beabsichtigten. Mangels Rechtsgrundlage war dieses Ansinnen jedoch aussichtslos und nachdem sie sich schriftlich verpflichteten, "ordentlich weiterzudienen" und "sämtliche Weisungen und Befehle" auszuführen, hatte die Verweigerung keinerlei Konsequenzen. Anders war die Sachlage bei den Berufsoldaten und Offizieren. Hier hätte eine Ablehnung der Vereidigung zur sofortigen Entlassung aufgrund "ungenügender Eignung" gem. § 26 Abs. 2 der Dienstlaufbahnordnung der NVA geführt. Eigentlich ein Witz diese DDR-Vorschrift in diesem Zusammenhang zu verwenden, aber der NVA-Abrüstungsminister Eppelmann drohte in seinem Brief an die Kommandeure der Verbände der NVA vom 04. Juli 1990 unmißverständlich: "..., daß der Verbleib eines Berufssoldaten in den Streitkräften unmittelbar mit der Ableistung dieses Fahneneides verbunden sein muß." Die mangelnden Konsequenzen bei Unteroffizieren und Mannschaften und die sowieso massiven Abwanderungen ins Zivile bei den Berufssoldaten und Offizieren, führten offenbar dazu, daß die Eidesleistung in den Truppenteilen stark unterschiedlich gehandhabt wurde. In einigen Truppenteilen wurden nur Berufsoffiziere und Offiziere zur Vereidigung aufgefordert, in anderen der Komplettbestand. Da anschließend auch keine schriftliche Bestätigung der Eidesleistung oder gesonderte Verpflichtung verlangt wurde, schworen viele den Eid - folgenlos - nicht mehr. »Aber nur wenige Zeilen später relativierte Eppelmann diese Aussage zugunsten der Funktionsfähigkeit der NVA. Es hatte sich nämlich angedeutet, dass viele qualifizierte NVA-Angehörige den Eid verweigern würden, um gerade eher aus dem Dienst ausscheiden und unverzüglich eine zivile Karriere aufnehmen zu können. Daher sollten die Kommandeure nun vor Ort pragmatisch prüfen und bestimmen, zu welchem Entlassungstermin bis Ende Dezember 1990 der Dienst beendet werden konnte« (Bröckermann). Interessant an der Eidesformel ist, daß in jedem der zwei Sätzen noch die "Deutsche Demokratische Republik" vorkam. Parallel wurde die Kokarde mit DDR-Wappen von den Mützen entfernt und durch die "Reichsbahnkokarde" ersetzt. Aber auch die Mißachtung dieses Befehls war in der Praxis folgenlos. Der neue Fahneneid, der bis zum offiziellen Ende der DDR galt und nicht mehr auf die Truppenfahne sondern auf die Staatsflagge der DDR abgelegt wurde, lautete:
Die am 04. September 1990 noch zur NVA einberufenen Grundwehrdienstleistenden schworen im Oktober 1990 bereits als Bundeswehrangehörige das "Deutsche Volk" tapfer auch am Hindukusch zu "verteidigen"
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