|
Die Ortung der RB-66 am 10.März 1964 durch die FuMS P-10M der FuTK-290 (Altensalzwedel) – Zeitzeugenbericht »Die FuTK-290 gehörte bis zum Jahre 1971 zum Bestand des FuTR-2/ 3.LVD. Der Stab befand sich in Trollenhagen / Neubrandenburg. Im Bestand der FuTK befanden sich noch zwei FuMS vom Typ P-15S. Ende des Jahres 1963 erfolgte die Aufnahme der Gefechtsarbeit zur Luftraumaufklärung (LRA) im Diensthabenden System (DHS) der Luftverteidigung der DDR. Die Besatzungen der FuMS und des GS hatten durch eine zielstrebige Gefechtsausbildung alle notwendigen Zulassungen und Qualifikationen für das DHS erworben. Bevor ich den Einflug der RB-66 in den zeitweiligen Luftverbindungsweg (KII) von und nach Berlin (West) und die Ortung bis zum Abschuss nördlich von Gardelegen durch eine DHS –Kette des 33.IAP Wittstock (GSSD) darlege, möchte ich zum besseren Verständnis für ehemalige Angehörige anderer Waffengattungen der NVA aber auch für Angehörige der Bundeswehr einige Vorbemerkungen über die Gefechtsarbeit zur LRA im DHS machen.. Die Gefechtsarbeit zur LRA im DHS unterlag sehr strengen Regeln bei der Meldung der Luftlage entsprechend der jeweiligen Auffassungszone der eingesetzten FuMS. Da das Informationsangebot an Flugkörpern auf dem Sichtgerät der FuMS in der Regel größer war als die Informationsmöglichkeiten des Funkorters (FO), musste der Funkorter bereits eine Vorauswahl der zu meldenden Flugkörper am SG vornehmen. Der Diensthabende Offizier (DO) auf dem GS der FuTK, an dessen Arbeitsplatz ebenfalls ein Sichtgerät installiert war, verfolgte die Luftlage am Sichtgerät und an der Aufklärungskarte und überwachte die Umsetzung der Aufgabenstellung zur LRA im DHS durch die Besatzung. Die Aufgaben zur LRA im DHS waren ebenfalls durch Befehle geregelt und beinhalteten eine Vorrangigkeit. Die Ortung und sofortige Meldung von Luftraumverletzern und Flugkörper mit direktem Kurs auf die Staatsgrenze der DDR hatte zum Beispiel höchste Priorität und führte in der Regel zur Auslösung der Bereitschaftsstufe B-1 in der FuTK. Bei komplizierten Luftlagen oder auch bei einem sehr hohen Informationsangebot nahm der DO notwendige Entscheidungen auch mit Rücksprache mit dem GS/3.LVD vor. Obwohl Funkorter des 3.DHJ locker in der Lage waren, 12 bis 15 Flugkörper/Minute zu melden, musste der DO bei komplizierten Luftlagen auch notwendige Entscheidungen treffen, um die Erfüllung der Aufgabenstellung zur LRA im DHS zu gewährleisten. Die Dokumentation bei ARTE und im MDR “Krieg in den Wolken-Luftspionage über der DDR“ im Jahre 2007 hat unsere damalige Einschätzung voll bestätigt, dass die zeitweiligen Luftverbindungswege von und nach Berlin (West) nicht nur zur Aufrechterhaltung der Versorgung der Bürger von Berlin (West) dienten, sondern auch zur Luftspionage über der DDR. In den 40 Jahren wurden ca. 25.000 Spionageflüge, so die Aussage in der Dokumentation, in den Luftkorridoren 1-3 durchgeführt. Zur Vollständigkeit gehört an dieser Stelle auch, dass die NATO neben der Luftspionage über dem Gebiet der DDR mit einer Reihe von Aufklärungsflugzeugen der Typen SR-71, U-2, TR-1, RB-66, Atlantik, Tornado etc. entlang der Staatsgrenze zur DDR und der Ostsee eine intensive Aufklärungstätigkeit durchführte, die sich von Jahr zu Jahr steigerte und besonders bei politischen Höhenpunkten und militärischen Maßnahmen noch intensiviert wurde. Am 10. März 1964, 07.00 Uhr, erfolgte die Vergatterung der Diensthabenden Besatzungen der FuTK durch den Kompaniechef der FuTK. Sie bestand aus den Besatzungen der laut Plangrafik vorgesehenen FuMS, der Besatzung des GS/FuTK, den Besatzungen der Funkstationen und aus der Besatzung zur Objektsicherung. Für 24 Stunden war ich als DO direkter Vorgesetzter dieser Besatzungen. Mein Platz war auf dem GS/FuTK. Nach der Dienstübernahme durch die neuen Besatzungen wurde die Gefechtsarbeit zur LRA im DHS fortgesetzt. Um 16.00 Uhr Moskauer Zeit (MOZ) übernahm die FuMS P-10M die Gefechtsarbeit zur LRA im DHS. Soweit ich mich noch erinnern kann, orteten wir vorwiegend Flugkörper in den zeitweiligen Luftverbindungswegen von und nach Berlin (West). Die Ausmaße der zeitweiligen Luftverbindungswege (Korridore) und auch die Flughöhe (750m bis 3.075m) waren vorgegeben. Jede Abweichung von diesen Festlegungen war als Sofortmeldung an den GS/3.LVD zurichten. Zur besseren Orientierung waren deshalb auf allen Sichtgeräten die Staatsgrenze, die Korridore 1-3 und weitere Linien aufgetragen, um eine bessere Orientierung zu gewährleisten. Im Verlaufe der Gefechtsarbeit zur LRA im DHS meldete der Funkorter 1 der FuMS P-10M kurz vor der Staatsgrenze oder auch kurz danach einen Flugkörper mit eindeutiger Flugrichtung in den KII nach Berlin (West). Nach kurzer Charakterisierung am SG auf dem GS, wo mein Arbeitsplatz war, gab ich den Befehl an den Auswerter / Ableser zur Meldung auf der Koordinatenleitung an den Auswerter / Planzeichner im GS/3.LVD. Gleichzeitig meldete ich über die Führungsleitung an den GS/3.LVD: “Ziel-Nr.XX Anflug KII“. Kurze Zeit später erhielt der Flugkörper eine 4 stellige Zielnummer vom GS/3.LVD. Bis dahin waren wohl alle im Glauben, auch ich, es handelt sich um einen „normalen Flug“ nach Berlin (West), um die Bevölkerung mit Produkten zu versorgen. Nach einer Minute erfolgte die zweite Meldung zu diesem Flugkörper. Der Funkorter 2, der am Höhersichtgerät die Flughöhe zu bestimmen hatte, meldete die Höhe „00.“ über die Koordinatenleitung. Die zweite Meldung über den Flugkörper ohne Angabe der Höhe an den GS/3.LVD löste keine Kritik aus, da wohl für uns alle der Flug laut Anmeldung eingestuft war. Natürlich wussten wir als Funkmessoffiziere um die Genauigkeit der Höhenbestimmung mit der FuMS P-10M, auch mit all seinen Problemen. Die Ausrüstung der FuTK mit Höhenmessern (PRW) war eben sehr gering und verbesserte sich erst schrittweise ab 1970. Der Befehl, Anhalten der Antenne und Bestimmung der Höhe, führte zum Ergebnis, dass die Höhe mit 065, also 6500 m, gemeldet wurde. Sofort wurde in der folgenden Meldung die Höhe mit 065 gemeldet. Ich meinerseits informierte sofort den Diensthabenden des GS/3.LVD über die Abweichung der Flughöhe bei Ziel-Nr.XXXX Gleichzeitig nannte ich auch den Standort des Flugkörpers nach dem Flugmeldenetz 61. Parallel dazu löste ich durch akustisches Signal B-1 für die FuTK aus. Nach Übernahme der Führung auf dem GS durch den KC und auf der FuMS P-10M durch den SL, konzentrierte ich mich auf die Übereinstimmung der Luftlage auf dem Sichtgerät der FuMS und der Aufklärungskarte auf dem GS. Mit der „Ruhe“ war es nun erst einmal vorbei, den der GS/3.LVD änderte nach einer erneuten Rückfrage zur Flughöhe, die ich so bestätigte, den Index und stufte das Luftziel als Luftraumverletzer ein. Alle Maßnahmen, die ich bereits ergriffen hatte, wurden bestätigt (Verkürzung der Informationsperiode, Auslösung B-1, Kontaktaufnahme mit der FuTK der GSSD bei Salzwedel). Da zu diesem Zeitpunkt das Informationsangebot sich in normalen Grenzen bewegte, brauchte ich keine weitere FuMS P-15 zur Entlastung einschalten. Inzwischen setzte der Luftraumverletzer den Flug in Richtung Berlin (West) fort und änderte die Flughöhe auf 085 (8.500m). Da ich am Sichtgerät den Flug genau verfolgte und auf die exakte Darstellung auf der Aufklärungskarte achtete, regelmäßig also auch die Kennungsabfrage betätigte, bemerkte ich Kennungssignale im rückwärtigen Raum, also Jagdflugzeuge mit Kennung, die sich mit hoher Geschwindigkeit dem Luftraumverletzer näherten. Nach der Annäherung der Eigenen an den Luftraumverletzer setzte nun der Luftkampf ein, den wir auf dem Sichtgerät nicht exakt verfolgen konnten. Wir meldeten das Signal“ Zielvereinigung“, denn das Auflösevermögen der FuMS P-10M lässt eine genauere Koordinatenbestimmung im Raum des Luftkampfes nicht zu. Erkannt und gemeldet wurde auf alle Fälle das Kursmanöver des Luftraumverletzers und auch die Manöver der Eigenen. Etwa 17.00 Uhr MOZ erfolgte der Rückflug der „Eigenen“ in südöstlicher Richtung. Da wir kein Funkmesszielzeichen vom Luftraumverletzer mehr auf dem Sichtgerät feststellten, meldeten wir den Luftraumverletzer ab. Der GS/3.LVD informierte uns nur über den Abschuss eines Spionageflugzeuges im Raum Gardelegen. Nach Übergabe der Funktion als DO fertigte ich nach vorhandenen Musterdokumenten die notwendigen Dokumentationen an, setzte mich in einen LO-1800 und begab mich zum Stab des FuTR-2 nach Trollenhagen/Neubrandenburg. Nach einer ausführlichen Berichterstattung beim Stabchef des FuTR-2 und nach Beantwortung von Fragen auch von Offizieren des Stabes, trat ich die Heimreise an. Ich übernahm wieder meinen Dienst als DO der FuTK-290. In einem Befehl des K-FuTR-2 wurden die vorbildlichen Leistungen der Angehörigen der FuTK-290 besonders gewürdigt. Gleichzeitig wurden aber auch neue Aufgaben zur weiteren Erhöhung des Qualität der Gefechtsarbeit zur LRA im DHS gestellt. Details zum Flug der RB-66 wurden uns aber nicht mitgeteilt. Jeder Angehörige der NVA sollte eben nur das wissen, was er für die Erfüllung seiner Aufgabe benötigt. Seit dem Jahre 2005, wo ich mich intensiver mit meinem Dienst bei den FuTT/LV beschäftige, habe ich auch erst durch die Internetseite www.home.snafu.de/veith Details zum Flug der RB-66 erfahren. Die bereits genannte Dokumentation“ Krieg in den Wolken-Luftspionage über die DDR“ zeigte uns allen, in welch einer gefährlichen Zeit meine Generation lebte, die erst den 2.Weltkrieg überlebte und nun der nächste Weltkrieg drohte. Die Gefechtsarbeit zur LRA im DHS wurde täglich auf allen Führungsebenen ausgewertet und es wurden konkrete Schlussfolgerungen zur Erhöhung der Qualität der Gefechtsarbeit zur LRA im DHS gezogen. Die Dokumentation bei ARTE und im MDR bestätigt eindeutig, dass wir in der Beurteilung des“ Luftgegners“ und seinen realen Handlungen richtig lagen. Bis zum Ende meines Truppendienstes 1970 sollte es nicht bei der einzigen realen Ortung eines Luftraumverletzers bleiben. In eigener Sache: Wer sich über die eingesetzte Funkmesstechnik einschließlich der taktisch-technischen Daten informieren möchte, besucht die Internetseite http://www.nva-futt.de. Für die Beantwortung weiterer sachlicher Fragen stehe ich unter Ulrich.Huse@t-online.de gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen |
|
|