Der Untergrund für die Arbeiten von M. R. ist eine Art Fotokarton, dessen Glätte einer zeichnerischen oder farbigen Behandlung 
	eigentlich feindlich gegenübersteht, da dessen blanke Oberfläche eine technoid-pefektionistische Vollendung
	und Abgeschlossenheit nach außen hin abstrahlt, die gänzlich im Gegensatz steht zu den griffigen, mehr oder weniger
	saugfähigen Papieren und deren speziellem Verhalten beim Bearbeiten mit wasserlöslichen Farben oder Tuschen sowie
	Sand und Asche. Ganz offenbar ist die folienartig abschließende Oberfläche des Kartons, welche die Künstlerin
	über einen langen Zeitraum und oft mit Unterbrechungen bearbeitet, bereits ein selbst gewähltes Gleichnis zur glatten,
	cleanen Außenhaut, welche die Gesellschaft als Fassade zur Schau stellt und als Verhaltenscodex auch von allen Beteiligten 
	täglich einfordert. Das künstlerische Bearbeiten dieser Glattheit - durch unzählige dichte Strichelungen, Ritzungen,
	Flecken, Schlieren, häufiges Überarbeiten - ist ein inhaltlicher Prozess; ist Auseinandersetzung und Reibung
	zwischen der eigenen Haut und den Ansprüchen der Außenwelt. Das eigentliche Thema der Künstlerin ist die Peripherie
	von Innen und Außen, es kann die Hait (sic!) gemeint sein mit ihren Schründen und Rissen, aber eigentlich zielen die 
	Darstellungen in seelische Dimensionen mit eruptiven Ausbrüchen, Verebben, Versickern, Überlagerungen und einer nicht mehr 
	möglichen Trennung von Außen und Innen, von Form und Umfeld, von Eigenem und Fremden.
	Dieser Anerkennung des Chaotischen, des Unübersichtlichen, des Zufälligen entspricht die aus fernöstlichen
	Ästhetiken bekannte Eigendynamik des Materials und des ästhetischen Formungsprozesses, der stets ein Zusammenspiel
	von Gestaltetem und unbewußt Entstandenem ist, welches im Nachhinein eine Einbindung, Anerkennung oder auch Deutung erfährt.
	Hier möchte ich den Bogen zum Ausgangspunkt der Betrachtung zurückfühen und zum Beginn des Arbeitsprozesses kommen,
	dem geglätteten Karton. Schon die ersten Malspuren zeigen einen eigendynamischen Verlauf, eine unvorhergesehene Schlierenbildung,
	ein Abstoßen oder Zusammenziehen der Farbspuren, hier und da Fleckenbildung, so daß von vornherein das Unkontrollierbare
	ein wesentlicher Bestandteil der künstlerischen Arbeit ist. Ebenfalls dem Gesetz des Lebendigen gehorcht der Umstand, daß 
	die Arbeiten eigentlich keinen Endpunkt kennen, sondern weiterer Bearbeitung ausgesetzt bleiben können,sozusagen vorläufig 
	fertig sind. So können sich zu den intensiven zeichnerischen Schraffuren und Farberuptionen collagierte oder übermalte
	Papiere gesellen, die bisher geschaffenes überdecken, oder später Vernähungen mit Draht, der Risse überdecken
	soll, aber sie doch eigentlich erst sichtbar werden läßt.
	Die Festlegung auf farbiges Schwarzweiß - mit wenigen Braun- bzw. Blauausmischungen - betont die geistige Dimension,
	die Konzentration auf das Gestische und Strukturelle der Blätter sowie auf das spezifische Verhalten und die optische Ästhetik
	der verwendeten Farben, Aschen, Lacke und Stifte.