CONTRAVISTA

Der andere Blick auf Mexico

Eine Informationsseite der deutschen Delegation innerhalb der CCIODH
(Comisión Civil Internacional de Observación
por los Derechos Humanos)



 

 

Als Reaktion auf das Massaker von Acteal (Chiapas, Mexiko) vom 22. Dezember 1997, bei dem 45 Zivilisten - zumeist Frauen und Kinder - getötet wurden, gründeten mehr als 500 Personen und Organisationen aus 5 Kontinenten die „Internationale Zivile Menschenrechtskommission“ (CCIODH). Schon vor dem Massaker war es in Mexiko immer wieder zu massiven Menschenrechtsverletzungen gekommen, die sich insbesondere im Bundesstaat Chiapas nach den Aufständen der Nationalen Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) 1994 zugespitzt hatten. Bereits ein Monat nach dem Gemetzel reisten 210 Personen aus 11 Ländern als CCIODH nach Mexiko City und Chiapas, um im Gespräch mit der betroffenen Bevölkerung, der Regierung und den verschiedenen Interessengruppen innerhalb der Zivilgesellschaft die Menschenrechtslage vor Ort einzuschätzen, zu dokumentieren und nach Wegen für eine friedliche Lösung der Konflikte in Chiapas zu suchen.

 

Im November 1999 fand die zweite Reise der Kommission statt. Diese hatte das Ziel, die Situation auf Veränderungen, Verbesserungen oder Verschlechterungen zu überprüfen. Im Ergebnis der beiden Reisen wurde ein Lagebericht zusammengestellt, der gleichzeitig auch Empfehlungen (LINK) an die Regierung enthielt. Dieser wurde bei verschiedenen internationalen Organisationen (Menschenrechtskommissariat der UN, Europaparlament, nationalen Parlamenten, dem Parlament Zentralamerikas) und bei allen Gesprächspartnern in Mexiko eingereicht.

Insgesamt wurde eine Verschlechterung der Lage aufgrund folgender Punkte festgestellt:

  1. eine intensive Militarisierung der Konfliktzone,
  2. die Präsens von Paramilitärs,
  3. die Rechtlosigkeit der indigenen Bevölkerung,
  4. ein Verminderter Zugang zur Justiz,
  5. die strukturelle und ökonomische Misere der indigenen Gemeinden,
  6. die Unterdrückung von zivilen Organisationen durch den staatstragenden Parteiapparat und
  7. den Mangel an Bereitschaft auf Seite der Politik, eine Lösung des Konfliktes zu finden.

Ende des Jahres 2000 wurde Sr. Vicente Fox zum neuen Präsidenten Mexikos gewählt. Damit wurde die über 70 Jahre andauernde Regierung der PRI (Partei der Institutionalisierten Revolution) von der PAN (Partido Acción Nacional) abgelöst. Sowohl bei seiner Wahlkampagne als auch bei seinem Regierungsantritt versprach Fox, den Konflikt in Chiapas friedlich zu lösen. Die EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional) reagierte mit drei Forderungen:

  1. die Ratifizierung der Verträge von San Andrés (LINK), in denen die EZLN mit der Regierung im Rahmen von Friedensverhandlungen ein Anerkenntnis der indigenen Bevölkerung als ethnische Minderheiten und ihrer sozialen Strukturen als autonome Selbstverwaltungen, soziale Reformen und eine Lösung der Landverteilungskonflikte vereinbart hatte,
  2. die Freilassung aller politischen Häftlinge und
  3. die Auflösung von 7 der 256 Militärbasen in Chiapas.

Obwohl die Regierung einem Teil der Forderungen nachkam, blieb der wichtigste Punkt, die Ratifizierung der Verträge von San Andrés, aus. Vor allem die juristische Selbstverwaltung der Gemeinden und ihre Verfügung über Bodenressourcen scheint eine in der Politik besonders unpopuläre Forderung zu sein. Mit der Präsentation des „Ley Indígena“, das das mexikanische Parlament im April 2001 verabschiedete, wurde ein Gesetz geschaffen, das zwar aus den Verträgen von San Andrés resultiert, jedoch nur noch ein Hohlkörper dessen darstellt, was in den Verträgen vereinbart wurde und die wichtigsten Punkte nicht mehr erhält. Auch wurden die drei Hauptforderungen der EZLN nicht erfüllt. In Folge dessen kam der Friedensdialog zwischen der Regierung und der EZLN im Jahr 2001 erneut zum Stillstand.

Diese Unterbrechung des Dialoges, die aktuelle Situation im Hinblick auf die Empfehlungen der letzten Kommissionsreise zu untersuchen und neue Pläne zur Ausweitung der Freihandelszone (Plan Puebla Panama) waren die Gründe, weshalb es die Kommission als notwendig ansah, erneut eine Reise zur Beobachtung der Menschenrechte in Mexiko zu unternehmen.

 

Die dritte Reise (LINK) mit 104 TeilnehmerInnen aus 14 Ländern fand vom 16. Februar bis 03. März 2002 statt. Ihr inzwischen übersetzter Bericht wurde wie bei den vorhergehenden Reisen dem UN-Menschenrechtskommissariat, dem Europaparlament, den nationalen Parlamenten und allen Gesprächspartnern übergeben. Er war auch Gegenstand einer Debatte im Europaparlament anlässlich eines Besuches von Noch-Präsident Vicente Fox.

 

Am 4. Juni 2006, ging die vierte Kommissionsreise (vom 29. Mai bis 4. Juni 2006) zu Ende (Aufruf). Anlass für den erneuten Besuch Mexicos waren die Ereignisse in Atenco am 3. und 4. Mai 2006 als verschiedene Polizeieinheiten den illegal durchgeführten Blumenmarkt stürmten (jW-Artikel | Jungle World-Artikel). Dabei wurden 300 Menschen verhaftet. Unter den Verhafteten befanden sich auch einige internationale MenschenrechtsbeobachterInnen. Ein Junge wurde getötet, ein anderer Student erlitt einen Gehirntot. Viele Frauen und ein Mann wurden vergewaltigt und diverse Menschen sind auf der Flucht vor staatlicher Repression und paramilitärischer Verfolgung. Ausschreitungen in vielen anderen Gemeinden und Provinzen waren die Folge.

Die Kommission sammelte über mehrere Wochen lang ausführliches Material und zahlreiche ZeugInnenberichte, die sie rechtzeitig zu den Wahlen vorgelegt hat (2. Juli). Damit soll auch eine Bilanz der Regierung von Vincente Fox gezogen und Empfehlungen für die nächste Regierung gegeben werden. Nachdem das Wahlergebnis die tiefe Zerstrittenheit des Landes und die Fehler des politischen Systems in Mexico hat offenbar werden lassen, bleibt abzuwarten, wie das Volk und die politisch Verantwortlichen mit der gespannten Situation umgehen werden.

Die Mitglieder der CCIODH haben sich über die Lage der Menschenrechte in Mexiko erneut besorgt gezeigt und die Annahme vertreten, dass die Verteidigung und Förderung der Menschrechte auch weiterhin eine wichtige Aufgabe der zivilen Bevölkerung sei.

 

 


Last update: 28. Juli 2006
copyleft by CONTRAVISTA - reprint what you want




 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

i