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62 tage in riga |
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noch nie war ich länger von zu hause weg als 3 wochen. und jetzt gleich zwei monate. ist heimat nun wirklich nur zu hause oder geht's auch woanders? spielt es möglicherweise gar keine rolle? damit die zuhaus gebliebenen wissen, wie's mir geht, schreib ich es hier hin und wieder auf. die neuesten einträge stehen ganz oben. wer mir eine e-mail schreiben will, kann das hier> gerne tun. |
fotos von hier? näher zu mir? wo ich bin? weg von hier? best view 800x600px |
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Im Bus nach Vilnius - so geht's... Man kaufe ein Ticket für den nächsten Abend 17:40 Uhr, bucht eine nette kleine Pension in der Altstadt von Vilnius und freut sich auf die Stadt. Nächster Tag, 17:20 Uhr, Busbahnhof, Gate 1: Der Bus fährt ein. Man fragt den Fahrer, ob der Bus auch wirklich der richtige ist. Dieser bejaht heftig, sammelt das Ticket ein und bittet einen herein. 30 Minuten später: Der Bus steht immer noch. Es gibt Probleme mit den Sitzplätzen. Offenbar wurden zu viele Tickets verkauft. Der Bus ist voller Polen, was irgendwie komisch ist. Weitere 10 Minuten später: Der Alptraum wird wahr. Nicht die Polen sitzen im falschen Bus, sondern wir. Der Bus will nach Warschau. Unser richtiger Bus nach Vilnius ist über alle Berge... Der Busfahrer macht sich über das Bordmikro über uns lustig und weiß nicht, dass er mit seinem Leben spielt. Der Mann ist so gut wie tot. 18:20 Uhr: Wir verzichten auf den Mord und kaufen neue Tickets für den Nachtbus. Von diesem wurde uns im Übrigen abgeraten, aber wir haben keine Wahl. 18:30 Uhr: Rückzug ins Wohnheim. Die neuen Tickets sind für 3:10 Uhr. Gute Nacht auch... Bei allem Trubel und Ärger. Gegen 3:10 Uhr hatte ich mich einigermaßen beruhigt. Der Polenhass war wieder verschwunden. Hinzu kommt: Wir sind bestens in Vilnius angekommen, der Nachtbus war kein bisschen schlimm und die Pension in der Altstadt ist verglichen mit dem Wohnheim in Riga purer Luxus. Vilnius ist eine einzigartige Stadt, soviel steht schon mal fest. Es ist wunderschön hier. Weitere Berichte folgen. |
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Nachts, wenn woanders alle Katzen grau sein sollen, knipst die Rigaer Altstadt die Lichter an. Von hochgeklappten Bürgersteigen kann hier nicht die Rede sein. Ganz besonders am Freitag und Samstag Abend scheint die ganze Stadt auf den Beinen zu sein. Alles strahlt und leuchtet und selbst der scheußlichste Tag wird so irgendwie ansehnlich. Es macht auf gewisse Weise Freude, nachts durch diese Stadt zu laufen. Man muss sich dann warm anziehen, denn wenn die Sonne untergegangen ist, fallen die Temperaturen empfindlich. Wenn man dann noch alle zwanzig Minuten ein warmes Café aufsucht, steht dem Genuss nichts mehr im Wege. Ihr müsst Euch keine Kneipe suchen und könnt auch die langen Unterhosen im Schrank lassen. Meine Nachtaufnahmen sind zwar zum Teil etwas verwackelt und sehen stark lomografisch aus, aber sehenswert sind sie trotzdem. Aufgerufen werden können sie auch aus der linken Navigationsleiste. Fotos vom nächtlichen Riga> |
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Beinahe täglich gehe ich ins Internetcafé. Die kleine Russin am Tresen kennt mich schon und weiß, dass ich eine Stunde bleiben werde. Sie kassiert sofort den entsprechenden Betrag ab. Im Vergleich zu der Zeit, die ich als flatrateverwöhnter Dauersurfer sonst im Internet verbringe, ist eine Stunde relativ wenig. Der Spaß kostet mich 50 Santími, was ungefähr dem Gegenwert von einem Mensakaffee entspricht. Da ich an einem durchschnittlichen Uni-Tag mindestens fünf Becher Kaffee trinke, kann ich mir das Internet-Vergnügen locker leisten. Dafür trinke ich hier kaum Kaffee, was sich die meisten vermutlich kaum vorstellen können. Da das ganze nicht nur ein gewöhnliches Internetcafé ist, sondern auch eine Art Spielhölle, komme ich mir dort immer vor wie in einem Waffenarsenal. In den Räumen stehen ca. 100 ziemlich moderne PCs rum. Der geneigte User darf zwischen 35 Spielen wählen. Und die User kommen in Scharen. Rings um mich herum bricht allabendlich die globale Katastrophe aus und alle ballern los, was das Zeug hält. Die etwas weniger Schießwütigen spielen SimCity und stöhnen immer laut auf, wenn es mal wieder Erdbeben gibt oder einen Super-Gau, was bei SimCity ja häufiger vorkommt. Selbst die ganz Kleinen scheinen hier die ganze Zeit zwischen Schule und Abendessen und, wie ich zu behaupten wage, hin und wieder auch die Schulzeit selbst zu verbringen. Manche Leute sehen so aus, als hätten sie seit Tagen nicht vom Monitor aufgeblickt. Neben dem Rechner immer griffbereit Kaffee oder Cola und auf (!) der Tastatur einen Teller mit Kuchen oder eine Tüte Chips. Na ja, was soll man bei dem Wetter auch sonst machen. Im Grunde ist das ja in Deutschland auch nicht anders, nur dass sich dort solches Elend in den heimischen vier Wänden und nicht öffentlich im Internetcafé abspielt. Ich sitze meist etwas verloren zwischen den Zockern und versuche ganz pazifistisch etwas Zeitung zu lesen. Da die Zeitungen im Goethe-Institut immer schon drei Tage alt sind, sind sie für aktuelle Informationen total unbrauchbar. Ich will nicht erst eine Woche später erfahren, dass Golf War II begonnen hat. Obwohl das von der Informationsdichte her dasselbe wäre und sowieso nichts ändern würde. |
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Als alte Hansestadt verfügt Riga über zahlreiche Gildehäuser, die das Stadtbild prägen. Die bekanntesten, neben dem wiedererbauten Schwarzhäupterhaus, sind die Große Gilde> und die Kleine Gilde>. Beide Zunfthäuser befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft und sind Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut worden. Traditionsgemäß wurden nur deutsche Kaufleute in die Große Gilde aufgenommen. Beide Gilden übten bis in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts die weltliche Macht in Riga aus und wurden erst um das Jahr 1930 aufgelöst. Das Gebäude der Großen Gilde dient heute als Konzerthaus für die Philharmonie. Gegenüber der Großen und der Kleinen Gilde fällt sofort das Katzenhaus> ins Auge. Hier wohnte seinerzeit ein reicher Kaufmann (ob deutscher oder lettischer Herkunft ist umstritten), dem die Aufnahme in die Große Gilde, aus welchen Gründen auch immer, verweigert wurde. Verärgert ließ er die Katze> auf dem Dach ihr Hinterteil in Richtung der Großen Gilde strecken. Bei einem darauffolgenden Gerichtsurteil wurde entschieden, dass die Katze umgedreht und der Kaufmann in die Gilde aufgenommen werden sollte. Leider waren die Privilegien der großen Gilde dem Kaufmann nicht allzu lange vergönnt, da er kurze Zeit später verstarb. Das Leben kann hart sein... |
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Kino in Lettland. Das kann was ganz tolles sein oder eine höchst verwirrende Angelegenheit. Eindeutig toll sind die alten Kinos aus Sowjetzeiten, in denen es nur einen, maximal zwei Säle gibt. Diese Säle sind riesengroß und prächtig und erinnern mit ihren Balkons und Rängen mehr an Theater, denn an Kinos. Nun zur Vorgehensweise: Zunächst ist es so, dass alle Filme im Originalton gezeigt werden. Niemand würde sich die Mühe einer echten Synchronisation machen. Das lohnt sich im Grunde auch gar nicht, denn nur die Hälfte der Einwohner Lettlands spricht auch Lettisch. Daher werden die Filme für gewöhnlich untertitelt. Die Untertitel sind in Lettisch und Russisch. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass bei dieser Untertitelflut tatsächlich noch all das gesagt wird, was man auch im Film hört. Aber egal. Wenn man so einen Film erwischt und das Original ein englischer oder deutscher Film ist, dann hat man Glück gehabt und kann das Kino genießen. Es kommt aber auch vor, dass die Filme nur in Lettisch oder nur in Russisch untertitelt sind. Und dann wird es ganz schlecht. In diesem Fall wird die entsprechende fehlende Sprache einfach drübergequatscht. Ein Mann für alle Männerstimmen, eine Frau für alle Frauen- und Kinderstimmen. Das Erlebnis Kino leidet darunter empfindlich, denn wenn man weder der russischen noch der lettischen Sprache mächtig ist, kann man sich so allenfalls noch der Bilder erfreuen. Genauso funktioniert hier übrigens auch Fernsehen. Da das staatliche Fernsehen sehr wenig Geld hat und das Private auch nicht gerade im selben schwimmt, laufen vorzugsweise eingekaufte Serien. So kann man Kommissar Rex, Derrick, die Medicops und hin und wieder sogar einen Spielfilm mit Rübergequatsche gucken. Das muss man nicht haben. Beim staatlichen Fernsehen gibt es hier noch richtigen Sendeschluss. Das hat etwas befremdliches, ist aber andererseits auch irgendwie beruhigend. Hier sagt einem das Fernsehen wenigstens noch, wann es Zeit ist, schlafen zu gehen. |
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Es gibt Städte, in denen man an schönen Tagen am nächstgelegenen Fluss entlanglaufen kann. Das geht zum Beispiel in London, aber auch in Berlin sehr gut. Dann gibt es noch Städte wie Amsterdam, die man am besten vom Schiff aus entdecken kann. Außerdem gibt es Städte wie Kairo. Da gibt es einen Fluss, den Nil, und einen Uferweg. Trotzdem läuft dort keiner lang, weil man vor lauter Smog sowieso nicht das andere Ufer sehen kann. Außerdem hat man dort permanent Angst, dass man durch einen blöden Zufall einen Tropfen von dem vergifteten Wasser abgekommt und daraufhin mit lebenslangem Durchfall gestraft ist. In Riga gibt es auch einen Fluss: Die Daugava. Es gibt auch eine Uferpromenade, allerdings kommt mir die Straße daneben wie die Stadtautobahn vor. Daher ist das Wandern dort auch nur bedingt empfehlenswert. Unbedingt empfehlenswert ist jedoch ein Spaziergang AUF dem Fluss. Das ist hier nämlich im Winter problemlos möglich. Alles ist ja zugefroren. So hat man, fern der stinkenden Straße, eine ganz andere Sicht auf die Stadt. Im folgenden daher eine kleine Stadtbesichtigung, die ich am und über das Wasser gehend fotografiert habe. Aufrufbar ist das ganze auch aus der linken Navigationsleiste. Fotos am und auf dem Fluss> |
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Der höchste Berg des gesamten Baltikums misst etwas über 300 Meter und befindet sich in Estland. Aus diesem Grund hielt ich jegliche Form von Wintersport in diesen Breiten für vollkommen unmöglich. Allenfalls an Skilanglauf hatte ich gedacht. Aber weit gefehlt, man kann hier sogar snowboarden. Wie das funktionieren soll, ist mir vollkommen schleierhaft, ich weiß nicht, von welchen gigantischen Erhebungen sich die Snowboarder in die Täler stürzen, aber sie tun es. Vermutlich ein Land voller blauer Pisten und Idiotenhügel. Dann rodeln sie hier noch. Eine Stunde von Riga entfernt, in Sigulda, befindet sich eine Bob- und Rodelbahn>. Auf selbiger fanden am Wochenende die Weltmeisterschaften im Rodeln statt und wir waren dabei. Rodeln live> hat etwas Desillusionierendes. Mir wurde schnell klar, weshalb der Eintritt nicht einmal einen Euro kostete. Es ist genauso wie man sich das vorstellt: Man sieht nichts>, hört hin und wieder einen Schlitten vorbeisausen und versteht die Ansagen nicht. Zudem friert man sich schlicht den Arsch ab. Alle Kaffeestuben sind überfüllt und wenn man dann endlich seinen Kaffee hat, verpasst man glatt das Beste. In unserem Fall verpassten wir den Sieg> der deutschen Damen. War aber nicht schlimm, wir konnten uns dann die Wiederholung auf den Leinwänden> anschauen. Überhaupt waren die besten Bilder (nämlich das aktuelle Fernsehbild) immer auf der Videowand zu sehen. Man steht also nicht nur draußen in der Hundekälte, sondern tut das auch noch, um nichts anderes zu sehen, als die Menschen in den warmen Wohnzimmern. Irgendwie lustig. Aber wenn ich mal ehrlich bin, war es ein wirklich schönes Erlebnis. Da wir eine sehr internationale Gruppe waren, mit Studenten aus Finnland, Frankreich, USA, Portugal, Italien, Großbritannien und Deutschland, war es teilweise gar nicht so leicht, sich zu entscheiden, für wen man nun eigentlich sein sollte. Portugal und Großbritannien fielen ja schon mal aus... Vorsichtshalber jubelten wir großzügig für alle (das fällt leicht, wenn dann die Deutschen sowieso gewinnen). Meine ganze Bewunderung gehört nun Menschen, die relgelmäßig solche Wintersport-Events besuchen. In meinen Augen muss man dafür entweder verrückt oder total kälteresistent (nach Möglichkeit beides) sein. Wir wollen aber trotzdem nochmal zur Rodelbahn>. Wenn nämlich gerade keine Wettkämpfe sind, kann man sich selbst dort runterstürzen, was ich für absolut ausprobierenswert halte. |
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Lettland ist kein uninteressanter Ort, um sich über das Wort 'Heimat' Gedanken zu machen, denn nur 50% der Einwohner Lettlands sind Letten. Aufgrund der sowjetischen Bevölkerungspolitik leben hier fast 40% Russen. Außerdem, sehr viele Weißrussen, Polen und Ukrainer. Und ein erstaunlich großer Teil dieser Nichtletten ist staatenlos. Die Ursache liegt in der lettischen Politik der frühen 90er Jahre, die sich nicht ganz sicher war, wie sie mit den Zugewanderten umgehen sollte. Als Staatsbürger galten zunächst nur Menschen, die auch nach der Verfassung der Ersten Republik in den 30er Jahren Staatsbürger waren. Das hieß, man musste die eigene Herkunft bis in die 30er Jahre zurückverfolgen und nachweisen. Die zahlreichen ehemaligen Sowjetbürger und ihre Nachkommen dürfen zwar inzwischen unter bestimmten Umständen zu Letten werden. Doch spätestens am Nachweis lettischer Sprachkenntnisse scheitern so einige. Es scheint also so, als wäre Staatsbürgerschaft nicht unbedingt eine Voraussetzung für Heimatgefühle, denn auch die Russen und Weißrussen, die ja teilweise nie woanders gelebt haben, fühlen sich hier natürlich zu Hause. Und viele ehemalige Russen bemühen sich auch gar nicht erst um die lettische Staatsbürgerschaft. Das erschwert nämlich die Einreise nach Russland erheblich. Als staatenloser Ex-Russe scheint das problemlos möglich zu sein. Es ist im übrigen auch sehr einfach für diese Leute, wieder russische Bürger zu werden. Doch auch das wollen die meisten nicht. Ich weiß nicht warum, vermute aber, dass es am ungleich höheren Lebensstandard in den baltischen Staaten liegt. Inzwischen ist es wenigstens so, dass jedes nach 1991 hier geborene Kind problemlos die lettische Staatsbürgerschaft erhalten kann. |
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Das Freiheitsdenkmal> im Herzen der Stadt, genannt die Milda, wird von den Letten verehrt wie eine heilige Stätte. Während des ersten Freistaates wurde es 1934 durch Spenden aus dem Volk errichtet und hat seitdem sowohl die schönsten als auch die tragischsten Momente des lettischen Volkes erlebt. So auch den 4. Mai 1990 als dort per Deklaration die Unabhängigkeit Lettlands verkündet wurde. Das Denkmal ist 42 Meter hoch und an seiner Frontseite befindet sich die Widmung 'Tévzemei un brívíbai' - 'Für Vaterland und Freiheit'. In den mehreren Ebenen des Denkmals wird auf Skulpturen der jahrhundertelange Kampf nach Freiheit dargestellt. Ganz oben auf dem Obelisken trohnt die Freiheitsgestalt, die drei goldene Sterne in der Hand hält. Diese stellen symbolisch die drei Regionen Lettlands, Kurzeme, Vidzeme und Latgale, dar. Am Tage wird das Freiheitsdenkmal von bewegungslosen Soldaten bewacht, die immer einen etwas festgefrorenen Eindruck hinterlassen. Es gehört zur Tradition, dass Brautpaare und Schulabsolventen am Denkmal Blumen niederlegen. |
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Man versuche mal in Lettland eine bestimmte Adresse zu finden. Ein spaßiges Unterfangen. Blanke Verzweiflung ist garantiert. Die Straße selber findet man ja noch ganz gut, bei der Nummer wird es dann aber wirklich kompliziert. Nicht dass sie hier einfach der Reihe nach zählen würden. Das wäre zu einfach. Ich habe das Gefühl, sie zählen irgendwie. Zunächst erstmal in Zweierschritten. Die geraden Zahlen auf der einen, die ungeraden auf der anderen Seite. Das kennt man ja noch, das ist nachvollziehbar. Nun rechnet man aber fest damit, dass gegenüber von der 23 die 24 ist. Ist aber nicht so. Nummer 24 kann locker zwei Kilometer entfernt sein. Auch kommt Nummer 24 nicht etwa neben Nummer 22. Wäre auch zu leicht. Vielmehr können zwischen diesen beiden Häuser mehrere Straßenzüge lang diverse Häuser ohne Hausnummer stehen. Ich habe keine Ahnung, was die nummernlosen Häuser dort tun. Nach meiner Auffassung von Ordnung dürften sie gar nicht da sein. Sind sie aber. Während man also die Häuser zählt und in Gedanken schon bei 300 ist, erscheint die 24. Man glaubt es kaum. Diese Art der Nummerierung haben sie sich garantiert NICHT von den Deutschen abgeschaut, denn bei diesem System kann man nun wirklich nicht davon sprechen, dass alles seine Ordnung hat. |
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Ich wohne im Studentenwohnheim. Es wird gesagt, dass es sich um das schönste Wohnheim Rigas handelt. Das mag stimmten, denn die Lage in der historischen Altstadt ist einzigartig. Es ist keine Luxusunterkunft, aber dafür vergleichsweise billig. Eigentlich ist es ein Zimmer für zwei. Alles ist doppelt, zwei Betten, zwei Tische, zwei Stühle, zwei Regale, zwei Schränke. Leider auch nur zwei Steckdosen, die mit erschreckender Regelmäßigkeit aus der Wand fallen, wenn man einen Stecker rauszieht. Ich habe mir deshalb einen Verteiler besorgt, damit ich nicht irgendwann tragende Wände einreiße, wenn ich meinen Fön aus der Steckdose zerre. Die anderen sagen, ich hätte das beste Zimmer hier. Das könnte stimmen. Jedenfalls ist es das größte. Und bei mir fallen auch nicht die Schränke um, wenn man sie zu lange anschaut. Auch sehen bei mir Wände und Fußboden noch recht stabil aus, was man von anderen Zimmern hier nicht gerade behaupten kann. Die Studenten im Wohnheim kommen aus ganz Europa, nur nicht aus Lettland. In der Küche und im Computerraum herrscht babylonisches Sprachengewirr. Jedoch wird meistens englisch gesprochen. Eine Waschmaschine gibt es auch. Sie läuft für gewöhnlich Tag und Nacht und ist heißer umkämpft als die Dusche. Der Student gegenüber spielt Geige. Er tut das nicht schlecht, aber leider immer zur falschen Zeit. Nämlich dann, wenn ich schon im Bett liege. Und er spielt keineswegs so gut, dass man dabei schlafen könnte. In der Küche steht ein Radio. Wenn die Studentin ganz hinten am anderen Ende des Gangs Musik hören will, wird volle Pulle aufgedreht. Meistens auch zur falschen Zeit. Ansonsten ist es jedoch ein sehr angenehmes Zusammenleben. Es findet sich immer jemand, der nochmal mitkommt, um ein Bier zu trinken. |
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Direkt unter meinem Fenster rumpelt die Straßenbahn>. Zum meinem Glück jedoch (und zum Pech der Rigaer Nachtschwärmer) gibt es hier nachts so gut wie keinen öffentlichen Nahverkehr. Das beschehrt mir einen gesunden Schlaf. Es gibt ganz viele verschiedene Sorten von Straßenbahnen> in Riga, wahrscheinlich hat das was mit dem jeweiligen Alter der Gefährte zu tun. Mir kommt es vor, als würden sie alle anders aussehen. Straßenbahnfahren in Riga ist sehr einfach. Man steigt ein und hält 20 Santími bereit. In jedem Wagen gibt es einen Schaffner (machmal ist es auch eine Schaffnerin), der rumgeht und die Tickets verkauft. Man muss weder sagen können, wo man hin will, noch, was für ein Ticket man kaufen möchte. Das macht die Sache sehr einfach. Das Ticket gilt genauso lange, wie man sich in dem jeweiligen Verkehrsmittel aufhält. 20 Santími - das sind etwas mehr als 30 Cent. Man ist geneigt zu sagen, das sei wie im Osten. Es gibt auch Tickets für 10 Santími, aber ich habe noch nicht rausbekommen, für wen die sind. Etwas komplizierter als das reine Benutzen der Tram ist die Bestimmung der jeweiligen Fahrtrichtung. Die Nummern sind zwar groß und deutlich an den Zügen angebracht, doch wo sie hinfahren, ist für den Ortsunkundigen nicht erkenntlich. Vorne unter der Nummer stehen einfach beide Endhaltestellen. Zu welcher der beiden Endpunkte die Bahn nun gerade unterwegs ist, kann man nur durch das Bemühen eines Stadtplans oder durch Probieren zu erfahren. Bis jetzt ging es aber immer gut. |
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Wir waren an der Ostsee. Immerhin noch etwas über 20km von hier. Man fährt mit dem Zug oder mit dem Minibus. Wir haben den Minibus genommen. Am entsprechenden Terminal standen zunächst so viele Busse, wie man es rein physikalisch gar nicht für möglich hält. Doch nach kurzem Fragen lichtete sich das Chaos. Binnen kürzester Zeit saßen wir im Bus und fuhren für 0,50 Lat nach Júrmala ans Meer. Júmala: Ein Ort voller Holzhäuser, teils verfallen, teils saniert. Allesamt wunderschön. Ein durch und durch kalter Ort, wenn man im Winter hin kommt. Aber keineswegs ungastlich, denn die zahlreichen Cafés waren trotz (oder gerade wegen) der Kälte geöffnet. Ein Seebad - nur derzeit völlig ohne See. Die ist nämlich, soweit das Auge reicht, eingefroren. An einigen Stellen sieht es so aus als wären die Wellen mitten in der Bewegung erstarrt. Man kommt sich vor wie im Eismeer und rechnet jeden Moment mit dem Erscheinen eines oder mehrerer Eisbären. Ein sehr surrealer Ort, denn man vermisst sofort das Meeresrauschen. Es ist, als hätte jemand einfach den Ton ausgedreht. Damit jeder in den Genuss dieser Eislandschaft kommen kann, habe ich einige Fotos zusammengestellt. Aufrufbar auch aus der linken Navigationsleiste. Fotos vom Eismeer in Júrmala> |
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In Lettland gibt es keinen Starbucks und keinen World Coffee Shop. Was zunächst nur eine Vermutung von mir war, hat Frank durch eine Internetrecherche bestätigt. Keinen Starbucks! Das ist irgendwie schade, aber nicht zu ändern. Schade besonders für Starbucks, denn sie hätten sich mit meinem Geld einen weiteren Teil ihrer Kaffeemaschinen vergolden lassen können. Gut für mich, denn so muss ich den teuersten Kaffee der Welt nicht kaufen und spare Geld. Gut auch für Lettland. Man sollte jedes starbucksfreie Stückchen Erde sofort unter Naturschutz stellen. Problem für mich als Kaffeeliebhaber. Bei McDonalds gibt es hier nur Nescafé, der auch nicht besser wird, wenn man ganz viel Milch reintut. Er schmeckt dann immer noch wie eingeschlafene Füße. Nescafé empfinde ich als Vergewaltigung der Kaffeekultur und boykottiere ihn daher nach Möglichkeit. Außerdem sind hier bei McDonalds die Kaffeebecher immer undicht, was dazu führt, dass ständig gefrorene Kaffeetropfen an einem kleben bleiben. Es gibt hier natürlich ganz hervorragenden Kaffee. Aber nicht zum Mitnehmen, wie ich das so gerne habe. Im Sommer würde man das sicher bekommen, aber bei den Temperaturen rechnet hier einfach keiner damit, dass jemand so blöde ist und seinen Kaffee freiwillig draußen trinken möchte. Ich sitze aber einfach nicht gerne alleine im Café. Im Goethe-Institut gibt es auch Kaffee, ich trinke aber meistens Tee, weil die dort so einen Superwasserkocher haben, der das Wasser binnen Sekunden zum Kochen bringt. Das geht so unschlagbar schnell, dass der Tee für mich einfach das Rennen gemacht hat. Aber meinen Morgenkaffee, den bekomme ich trotzdem jeden Tag. Ich habe, obwohl ich mich gar nicht traue, das zu schreiben, einfach meine eigene Kaffeemaschine mitgenommen. Die ist nur winzig klein und kocht nicht mehr als eine Tasse Kaffee, aber mehr brauche ich ja auch nicht. Ich hoffe, dass mich jetzt nicht alle für verrückt halten. Aber ich bin hier mit soviel Technik angereist, dass eine Kaffeemaschine eigentlich nur eine logische Konsequenz darstellt. Bestimmte Dinge müssen einfach sein... |
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