Trostlose Sklaven schwarzer Seelen
In gleich drei Filmen werden junge Männer von Frauen-Vergewaltigern mit der Einforderung ihrer Freundschaft eingefangen.

Trend-Artikel zu den Filmen
Blackrock,
Desolation Angels und
Slaves to the Underground.

Dass Mörder immer eine Mutter haben, wissen wir bereits seit Jahren. Jetzt wird uns in Erinnerung gebracht, dass Vergewaltiger oft auch die besten Freunde von jemandem sind. Während Mütter im Allgemeinen ihren Beistand nicht erklären müssen, wird von Freunden und Bekannten eine tiefere Auseinandersetzung mit den Übeltätern erwartet und daraus folgend zwangsläufig das Ende jeglicher Beziehungen. Oft ein guter Wille, leider bleibt die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Opfern dabei auf der Strecke und frau fragt sich, wie ohne eine solche eine mit den Tätern überhaupt möglich sein soll. Queer View hat dazu im Januar '97 das Independent Film Festival Sundance und im darauffolgenden Monat den Europäischen Film Markt besucht und evaluiert nun, wie sich die Filmwelt mit diesem Thema auseinandersetzt: sehr unterschiedlich, wie sich zeigen sollte.

Zwar bieten sich hier große Chancen, und doch ist dieses Feld ein sehr undankbares. Den FilmemacherInnen bleibt gar nichts anderes übrig, als zwischen den Lagern zu balancieren. Damit das Durchschnittspublikum sich nicht dem Film verschließt, muss die RegisseurIn äußerst geschickt umgehen. Wird der Film von der ersten Minute an als ein radikales, wortgewaltiges Feminismus-Pamphlet empfunden, wäre der Film umsonst gedreht worden, jedenfalls machte sich das Zielpublikum keine Gedanken mehr. Sich der Thematik bereits bewusste ZuschauerInnen interessiert es dagegen sowieso herzlich wenig, wenn bisher vom Missbrauch unberührte Menschen mit Samthandschuhen angefasst werden. Eine Verweigerung klarer Standpunkte wird dann wohl eher als Beleidigung empfunden. Und so geht auch Queer View eher etwas härter mit den Filmen ins Gericht.

Ein Schwachpunkt solcher Filme, so sollte frau meinen, wäre eigentlich die Vorhersehbarkeit. Wer nun nicht vollkommen reaktionär dastehen möchte, wird so einen Film selbstverständlich mit einem erleuchteten Charakter enden lassen, der endlich versteht, was dem Opfer angetan wurde, und dass soetwas nicht im eigenen Freundeskreis toleriert werden kann. Überraschung: Keiner der drei Filme erfüllt diese Annahme zu 100%.

In Blackrock weiß Jared, der Protagonist und beste Freund der Vergewaltiger Bescheid, denn er war Zeuge des Geschehens, bzw. erfährt den Rest der Wahrheit von einem weiteren Täter höchstpersönlich. Über das Ausmaß für das Opfer des Verbrechens dürfte ebenfalls absolute Klarheit herrschen, denn das Mädchen kam dabei um. Jared schweigt den ganzen Film hindurch, komme, was da wolle. Die Freundschaft ist ihm eben wichtiger. Am Ende rastet er dann aus, aber das ist lediglich situationsbedingt, Dritte sind nur zufällig anwesend. Ob Jareds Charakter dadurch wachsen konnte, bleibt fraglich.

Desolation Angels will bewusst keinen Standpunkt vorgeben, zu diesem sollen die ZuschauerInnen selbst finden. Verstörend genug ist der Film allemal, um zumindest ein anschließendes, tiefergehendes Gespräch mit den gemeinsamen Kino-GängerInnen zu provozieren. Irgendwann akzeptiert Nick, der Lover der von seinem Freund Sidney vergewaltigten Mary, zwar die Tat, weist aber dauerhaft Defizite in der Deutung auf. So wäre Mary schon irgendwie selbst dran Schuld. Das Verbrechen empfindet er letztendlich als Angriff auf sich selbst, und so etwas müsse gerächt werden. Um seine Freundin kümmert er sich überhaupt nicht. Diese zieht zum Schluß wenigstens einen Strich und packt ihre Sachen. Was einige feministische ZuschauerInnen schon vorher getan haben werden.

Jimmy und einen weiteren Freund plagt in Slaves to the Underground dagegen, eine endgültige Gewissheit haben zu müssen, dass das mit der Vergewaltigung sich auch wirklich so zugetragen hat. Jimmy steht zu Shelly, aber wohl nur deshalb, weil eine Beziehung mit ihr andernfalls nicht möglich wäre. Erst als der Vergewaltiger erneut zuschlägt und diesmal alles offiziell bekannt wird, entscheiden sich auch die anderen Freunde, Shelly verspätet Glauben zu schenken. Das ist dann aber schon alles, an Shellys Seelenheil sind sie nicht allzu interessiert. Glücklicherweise ist das dagegen der Film, und der eigentliche Hauptcharakter ist Shelly, die Überlebende, selbst. Slaves to the Underground beschäftigt sich somit mehr mit der Frage, wie Frau mit den Freunden ihres Vergewaltigers umgeht, als umgekehrt.

Keinem der Filme gelingt es dagegen, die teuflichen Strukturen einer Vergewaltigung mit ihren komplizierten aber verheerenden Folgen für das Opfer näherzubringen und die Frage stellt sich, ob das überhaupt möglich ist, wenn die Filmzeit der/des Überlebenden durch andere Charaktere eingeschränkt, gar ausgeklammert wird. Nur weil sich auch die Freunde von Vergewaltigern der Tat stellen müssen, bedeutet dies nicht, dass ein Film mit einem Protagonisten in ihren Schuhen der erfolgreichste Weg dorthin ist. Wer z. B. Das schweigsame Mädchen gesehen hat, wird keinen Film mehr brauchen, der Loyalitäten überpüft.

ki, Park City / Berlin
Foto 1: Blackrock
Foto 2: Desolation Angels
Foto 3: Slaves to the Underground, © Overseas Filmgroup 1996 / credit: Chris Helcermanas-Benge

English Version

copyright: Queer View, 1. Juni 1997