Zieldarstellungskette 33
- Standort: Peenemünde
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Kreis
Wolgast, Bezirk Rostock (heute: Land Mecklenburg-Vorpommern)
Februar 1959 |
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Aufstellung der Einheit auf Befehl des Ministers für
Nationale Verteidigung.
Die Einheit hat Staffelstärke, geht aus der 3. Staffel des FG-1 hervor und fliegt als sog. "Kommandostaffel"
vorerst weiterhin innerhalb des Geschwaders.
Die Staffel besteht anfangs aus zwei Ketten, ausgerüstet mit MiG-17 und ein paar Jak-11. |
01.02.-04.03.1959 |
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Theoretische Ausbildung eines Teils des Personals auf die
Il-28 in Cottbus. |
Anschließend |
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erfolgt die praktische Ausbildung auf dem sowjetischen
Flugplatz Welzow (11. Selbständiges Aufklärungsregiment der 16. Luftarmee; 11 orap) für
4 Piloten, 2 Steuerleute und 3 Bordfunker durch die sowjetischen Ausbilder. |
Juni 1959 |
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Zuführung der ersten Il-28, die 190 und 196,
aus dem Bestand der 11 orap. |
Kommandeure:
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1959 bis 1963 |
Major Hellwig |
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1963 bis 13.10.1982 |
Oberstleutnant |
G. Oswald |
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Die Hauptaufgabe der Staffel bestand in der Zieldarstellung für die
Jagdfliegerkräfte und die Truppenluftabwehr.
Für die Zieldarstellung der Jagdflieger wurde die Staffel auf die
Flugplätze der jeweiligen Geschwader verlegt und dort als "4. Staffel"
geführt. Die Flugzeuge flogen besonders in geringen Höhen als Luftziele, die
Flakeinheiten trainierten anfangs nur das Richten auf die Ziele ohne scharfen Schuß. Es
wurden auch Zieldarstellungen über der Ostsee für die Flugabwehr der Volksmarine
geflogen. Bereits im Frühjahr 1960 flogen die Il-28 mit angehängtem Luftsack, der ein
scharfes Schießen möglich machte. Aufgrund der strengen Sicherheitsvorschriften gab es
in den 22 Jahren des Einsatzes der Il-28 mit Luftsack zu keinen ernsthaften Zwischenfall.
Daneben führte die Einheit auch Spezialaufträge für das Ministerium
für Nationale Verteidigung durch. Dazu gehörte Anfang der 60er Jahren die Erprobung von
neuen Fallschirmtypen des VEB Bekleidungswerke Seifhennersdorf. Dazu wurden die
Fallschirme mit angehängten Puppen oder Sandbehältern aus den Bombenschacht der Il-28
abgeworfen. Ebenfalls wurden die Agitationsbomben AGITAB 250-B5 und AGITAB 500-300, die
dem Abwurf von Flugblättern dienten, durch die Einheit erprobt.
Herbst 1960 |
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Ein Kette Jak-11 wird zugeführt.
Die Staffel fliegt überwiegend von den Flugplätzen Trollenhagen / Neubrandenburg und
Tutow. |
Anfang 1961 |
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Zuführung zwei weiterer Il-28 (204
und 205). |
Sommer 1961 |
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Die Jak-11 werden wieder abgegeben, dafür
Zuführung der 193, einer Schulmaschine Il-28U. Verlegung nach
Peenemünde und Verstärkung des technischen Personals. |
01.11.1961 |
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Zuführung von zwei Il-28R (180
und 184), die ursprünglich als Aufklärer gebaut und als
Erprobungsträger für das Triebwerk "Pirna 014" des DDR-Flugzeugs
"B-152" dienten. Die Il-28R war durch die festen Kraftstoffbehältern (je
375 l) an den Tragflügelenden deutlich erkennbar. |
November 1961 |
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Die Staffel wird nach Drewitz verlegt. |
1962 |
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Das fliegende Personal wird mit Besatzungen von
der Transportfliegerschule Dessau weiter verstärkt und verbessert seinen Ausbildungsstand
deutlich. Die Staffel wird auf den vollen Bestand von 10 Il-28 aufgefüllt. |
- In der Staffel fliegen nun folgende Maschinen:
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04.01.1963 -
30.11.1964 |
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Handlungen vom Flugplatz
Preschen aus, da die Start- und Landebahn in Drewitz erneuert wird. |
12.10.1963 |
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Auf diesem Flugplatz ereignet sich der einzige Absturz in
dieser Einheit: |
Verlust:
- Am 12. Oktober 1963
- die 204, eine Il-28, Absturz über Polen beim Anflug auf Preschen durch
menschliches Versagen. Aufschlag der Maschine um 16.42 Uhr (nach der ausgebrannten
Borduhr).
- Die Besatzung
- Pilot: Hauptmann Walter
Schröder
Navigator: Hauptmann Helmut Rommel
Bordfunker/Heckschütze Ufw Jürgen Streiber
- wurde leichtverletzt.
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- Dazu habe ich dankenswerterweise folgenden Erlebnisbericht erhalten:
"Unser Flugauftrag war Zieldarstellung für die Gefechtsstände in
3000 m. Wir hatten schon einige Wendepunkte angeflogen und waren unterwegs nach
Küstrin. Der Pilot bemerkte ein Schieben in der Maschine und vermutete
Unregelmäßigkeiten in einem Triebwerk. Nach der Meldung an den Gefechtstand brachen wir
die Strecke ab und flogen Preschen an. Am Platz war eine dichte Wolkendecke (Untergrenze
700m Obergrenze 1200m). Als Landeverfahren wurde "Rechenwinkel" angewiesen. Wir
waren schon auf der "Langen Geraden",also fast zu Hause. Beim durchstoßen der
Wolken bekamen wir starke Schräglage in die Maschine (ca.80 Grad). Der Pilot reagierte
mit Vollast und Höhenruder und zog die Maschine in eine Steilkurfe um ein weiteres
Abrutschen zu vermeiden und wirkte der Schräglage entgegen. Die Il-28 hat relativ kleine
Ruderflächen und reagiert bei geringer Geschwindigkeit entsprechend träge. Die
Schräglage kam raus und die Maschine schoß mit Vollast fast Senkrecht nach Oben.
Wir sind in dieser Fluglage schlicht und einfach verhungert. Kein Ruder
reagierte mehr und wir sind rückwärts wieder runtergefallen. Der Pilot hatte keine
Chance die Maschine aus dieser Fluglage abzufangen.Der Pilot Hauptmann Schröder gab nach
dem "Aushungern" in ca. 2.500 m Höhe das Kommando zum katapultieren. Er
hatte leider die Kopfhaube nicht geschlossen, verlor sie beim katapultieren und bekam die
Brechkupplung an die Stirn. Er hatte ein "Horn groß wie ein Ei". Er landete in
einer Schonung mit ca. 1m hohen Bäumen ohne weitere Verletzungen. Die Il-28 wollte er
nicht mehr fliegen und wurde später Stabschef der Staffel (ZDK-33). Der Navigator
Hauptmann Rommel hatte keine Zeit sich auf dem Katapultsitz anzuschnallen, da er in der
Bugkanzel zwei Sitze - Arbeitssitz und Katapultsitz - hatte und hat sich beim
katapultieren das Brustbein gebrochen. Er landete im Wald auf einem hohen Baum. Seine
Schmerzen setzten glücklicherweise erst ein, als er vom Baum runter war. Er flog nie
wieder und wurde Steuermann im Gefechtstand Cottbus.
Ich war damals Unterfeldwebel und ca. ein halbes Jahr auf der Il-28,
ausgebildet als Bordfunker auf der IL-14 (TFS-24). Beim Aussteigen gab es, auf Grund der
unklaren Fluglage, ein Problem. Trotz offener Bodenluke kam ich nicht aus der Maschine. Da
wir rückwärts abgeschmiert sind, wurde ich an die Kabinendecke gedrückt. Erst nach dem
ersten Umschwung der Maschine kam ich raus. Höhe war kein Problem. Es war noch in den
Wolken, also über 700 m. Noch am Fallschirm hängend konnte ich den Aufschlag der
204 verfolgen. Die anschließende Baumlandung bescherte mir einen Bluterguß an
Allerwertesten. Wie gelernt wollte ich auf dem Baum bleiben bis ich geholt werde. Erst
nachdem mir die Querschläger der ausbrennenden Maschine (Bugwaffen 2x NR-23 mit je
100 Patronen, davon 30 Panzerspreng- und Splitterpatronen!) um die Ohren flogen, bin ich
vom Baum runter. Wir haben uns gleich gefunden. Unsere Landezone lag innerhalb von ca.
300 m. Entfernung zur Maschine ca. 400 m. Wir begaben uns zur Absturzstelle und
haben uns das brennende Wrack angesehen. Es war gespenstisch. Der Wald war schlagartig
voller Menschen. Später haben uns dann polnische Grenzer eingesammelt und zur
Grenzstation Nowa Rola gebracht. Hauptmann Rommel wurde dort erstversorgt. Die Warterei
auf unser Bergungskommando dauerte bis in die Nacht (Grenzprobleme). In Preschen wurden
Hauptmann Schröder und ich im Med-Punkt isoliert. Hauptmann Rommel wurde in das Lazarett
Cottbus überführt. An schlafen war nicht zu denken. Immer wenn ich die Augen zugemacht
habe, sah ich die offene Bodenluke, die brodelnden Wolken und ich kam nicht aus der
Maschine. Am anderen Tag begann das Berichteschreiben und eine Befragung jagte die andere.
Wie wir später erfuhren haben sie den Wart der 204, den armen Kerl, gleich nach dem
Absturz im Knast isoliert."
Aufgrund der explodierenden Munition nach dem Absturz, flogen die Il-28
erst einmal ohne Munition, später wurde die (auch nicht benötigte) Kanonenbewaffnung aus
allen Maschinen der Staffel ausgebaut.
"Was mich, den Bordfunker/Heckschütze anbelangt, wird zwar in der
offiziellen Auswertung behauptet, daß ich die Reißleine nicht eingehängt hätte, das
stimmt aber nicht. Es gab keinen, konstruktiv dafür vorgesehenen Punkt. Deshalb wurde
festgelegt, die Reißleine unter dem Sitz in einer Verstrebung zu befestigen. Das hatte
den Nachteil, daß man die Leine weit aus dem Schirm ziehen musste. Ich fand es viel
praktischer sie in einem starken Konterdraht, der den KW-Resiver sicherte, einzuhängen.
(Es ist mir nämlich beim Aussteigen passiert, Leine vergessen, Schirm offen, alle lachen
wenn du mit offenen Schirm neben der Maschine stehst) Jedenfalls hat die
Untersuchungskommision die Leine nicht am Sitz gefunden; daher diese Version. Ich hatte
zwar Probleme mit dem Schirm (es war nicht mal meiner, der war zur Wartung) die lagen aber
bei mir. Ich bin wie beim Übungssprung in die Hocke gegangen und kopfunter stabil
geworden, habe dabei wahrscheinlich den Hilfsschirm mit den Beinen eingeklemmt. Noch in
den Wolken habe ich das erste mal gezogen und hatte am Handgriff keinen Widerstand, also
hatte der Automat schon gezogen. Als ich aus den Wolken rauskam und unten Wald und Acker
sah, habe ich das zweite mal gezogen, und zwar soweit, daß die Stifte schon aus der
Hülse kamen. Dadurch, daß ich meinen Arm länger ausgestreckt hielt, hat es mich gedreht
und die Luft hat den Schirm mitgenommen. Wie gesagt, ich habe den Aufschlag beobachtet und
konnte die Augen kaum von der Maschine lassen. Als der Winkel immer kleiner wurde, sah ich
nach unten. Da waren die Bäume schon da und gleich darauf hing ich drin. Noch was zur
Reißleine: wenn ich sie nicht eingehängt hätte, mußte sie ja noch am Schirm sein. Da
wurde sie aber nicht gefunden."
Ab 1965 |
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ist die Staffel wieder in Drewitz. |
1966 |
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Die Unterstellung der Einheit geht vom Kommando LSK/LV an die
1. LVD über. Die neue Bezeichnung lautet nun
"Zieldarstellungsstaffel 21" (ZDS-21) |
04/1971 - 11/1972 |
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Die Staffel wird in Trollenhagen (Neubrandenburg)
stationiert, der 3. LVD unterstellt und in
"Zieldarstellungsstaffel 33" (ZDS-33) umbenannt. |
14.11.1972 |
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Verlegung nach Peenemünde, dort bleibt die Einheit auch bis
zum Schluß. |
15.11.1972 |
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Mit Wirkung dieses Tages, wird die ZDS-33 dem JG-9 operativ unterstellt. |
10.-29.09.1979 |
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Theoretische Umschulung der Piloten auf die L-39 an der OHS "Otto Lilienthal"
in Bautzen. |
10.10.1979-12.02.1980 |
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Zeitraum der - mit einigen Unterbrechungen
erfolgenden - fliegerische Umschulung in Bautzen. |
12.-28.11.1979 |
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Spezielle Umschulung auf die Schleppvariante
L-39V für 3 Piloten und 7 Angehörige des Fliegeringenieurdienstes (ITP). |
13.03.1980 |
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Zuführung der ersten L-39ZO (187,
200, 222) aus Bautzen für die
Zieldarstellung. |
30.05.1980 und 06/1981 |
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Zuführung der einsitzigen Schleppvarianten L-39V
(171, 170). |
01.12.1981 |
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Aufgrund der allmählichen Aussonderung der Il-28
hat die Einheit nur noch die Stärke einer Kette. Umbenennung in
"Zieldarstellungskette 33" (ZDK-33). |
13.10.1982 |
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Überführung der letzten Il-28, der 208, nach
Bautzen durch den Kommandeur der Einheit. Das Flugzeug wird an der
"Traditionsvorstartlinie" abgestellt und steht heute in Gatow. |
Die Besatzung des letzten Fluges von links nach rechts: Major Wolgang Otto, Oberstleutnant
Gerhard Oswald, Oberfähnrich Horst Lohse.
Dieses Ereignis beschreibt die Fliegerrevue 1983 (Heft 1, S. 1) so:
"Gespannt blicken Angehörige des NVA-Jagdfliegergeschwaders Schmidt der Offiziershochschule "Franz
Mehring" in den grauverhangenen Herbsthimmel. Eine IL-28 ist im Anflug. Geflogen
wird sie vom Verdienten Militärflieger der DDR, Oberstleutnant Gerhard Oswald (Bild
oben), der nach der Landung von seinen Genossen mit Blumen und Beifall empfangen wird.
Denn es war nicht nur der letzte Flug dieser Maschine - sie steht nun an der
Lehreinrichtung zu Ausbildungs- und Demonstrationszwecken zur Verfügung -, sondern es war
zugleich auch der letzte Flug für Gerhard Oswald.
Der gebürtige Geraer gehörte zu den ersten Flugzeugführern der
Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der NVA, und dieser Flug mit der betagten IL-28 war
sein insgesamt 5600. Mit einer Jak-18 hatte er seine fliegerische Laufbahn an gleicher
Stelle begonnen. Vorwiegend führte es mit der IL-28 schwierige Zieldarstellungsflüge
aus. Oberstleutnant Oswald wird trotz Beendigung seiner fliegerischen Laufbahn seine
reichen Erfahrungenweiterhin in den Dienst der LSK/LV stellen." (Text und Foto: H.
Karos)
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- Personalbestand September 1990
- insgesamt: 41 Mann/Frau
- davon:
- 13 Offiziere
- 28 Unteroffiziere / Soldaten
03. Oktober 1990
Mit dem Anschluß gem. Art. 23 GG a.F. der BRD wurden die verbliebenen
NVA-Angehörigen, Angehörige der Bundeswehr...
Die 5 L-39 wurden nach Rothenburg geflogen, wo sie die BW-Kenner 28+48
bis 28+52 erhielten. Zwei Maschinen, die 200 und die 222
wurden nach Ungarn verschenkt.
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