Erinnerungen
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Das JG-9 zu „Besuch“ in Schweden
von Heinz-Dieter Magnus, Jägerleitoffizier auf dem Gefechtsstand (GS) des JG-9 von 1970-1973

 

»Im Frühsommer(?) 1972 stand für das JG-9 die Aufgabe anfliegende Luftziele ( Tu-20 und Tu-22) , aus dem Raum Rigaer Bucht kommend, über der Ostsee im Raum Stettiner Bucht bis Rügen abzufangen. An diesem Tag war eine dickere Wolkenschicht in Höhe von etwa 5000-8000m im Handlungsraum. Als Jägerleitoffizier fungierte ein Hauptmann, der aus gesundheitlichen Gründen als Flugzeugtechniker abgelöst und auf dem Gefechtsstand ausgebildet worden war. Er galt als etwas pedantisch in seinen Handlungen. Ich war als Steuermann eingesetzt.

Sein Abfängerpaar startete, als Führender fungierte der Stellv. des Geschwaderkommandeurs für fliegerische Ausbildung. Der Leitoffizier schickte sein Paar in die Sperrflugzone über Rügen in eine Höhe von 5000m. Er machte aber dabei zwei Fehler:
1. befahl er einen Sperrflugkurs 180/360 Grad und
2. schätzte er die Flugzeit, anstatt sie zu stoppen.

Eine Zielanzeige auf seinem Sichtgerät war auf Grund der Wolken nicht vorhanden. Auf mehrmalige Anfragen des Diensthabenden, ob er Zielzeichen habe, bestätigte er dieses immer wieder. Da kam sein übersteigerter Ehrgeiz voll durch. Nun kam es, wie es kommen musste, die Flugzeit auf 360 Grad war jedes Mal erheblich länger als, die auf 180 Grad. Die Piloten hatten auch keine Erdsicht. Plötzlich riß kurzzeitig die Wolkendecke auf und der Führende erkannte unter sich einen Flugplatz, der dem von Ribnitz-Damgarten ähnelte. Er meldete da dem Gefechtsstand (GS) und der Leitoffizier korrigierte es, da sie ja nun angeblich zu weit westlich von Rügen waren. (Wurde später anhand der erarbeiteten Dokumentation in Auswertung der Aufzeichnungen festgestellt). Die Kurbelei ging weiter.

Plötzlich fragte der Führende den Geführten, welche Position er im Verband habe. Er bekam die Antwort, die ihn aber nicht befriedigte, denn in seinem Rückblickspiegel sah er eine andere Position. Der Geführte schaute rechts und links raus und sah auf jeder Seite ein Flugzeug mit den hübschen 3 Kronen. Man war durch den Leitfehler ca. 90 km in Schweden eingeflogen. Durch die international bekannten Zeichen wurden unsere Jäger zum Folgen aufgefordert und bis über die Ostsee zurück begleitet. Unsere Maschinen landeten dann mit dem letzten Tropfen Sprit im Tank.

Der König von Schweden schickte eine diplomatische Protestnote und in unserer Dienststelle Pudagla war in den nächsten Tagen ein Massenaufkommen an hohen Dienstgraden.

Das gleiche Spiel machte bewusster Hptm. etwa 6 Monate später ähnlich noch einmal. Diesmal war man ca. 20 km in Dänemark. Es wurde aber rechtzeitig erkannt und die Maschinen konnten abdrehen, bevor die dänischen Jäger ran waren.

In Auswertung der ganzen Sache wurde der Hptm. für den GS gesperrt und er kam als Ausbilder auf den Flugsimulator. Da hatte er eine Planstelle Major und nur Tagesdienst. Auf dem GS wäre er bei Hptm. hängen geblieben und war dem ständigen Schichtdienst ausgesetzt. Uns war es recht, denn mit seiner Pedanterie hat er viel Unsinn angestellt. Mir hat er mal beim scharfen DHS im Angriff auf die Atlantic die Funkverbindung gekappt.«

Dazu der Webmaster: Das "arme" Schweden! Etwa 10 Jahre später, machte auch das JG-3 diesem seine Aufwartung. Im Übrigen: Wenn der oben erwähnte Hauptmann eine andere Sicht der Dinge hat, wäre ich ihm für seine "Gegendarstellung" / Korrektur / Information dankbar.


Militärflugplätze der NVA