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510 Erinnerungen an das JG-1

Martins Erlebnisbericht
von M. Kuba

»Hallo, ich heiße Martin Kuba und habe den Flugzeugabsturz 1975, sowie auch weitere Katastrophen auf den Flugplätzen des JG-1 (Cottbus-Holzdorf-Alteno) erlebt.

Ich war damals gerade ein paar Tage bei der NVA, Unteroffizierschüler der Flak-Batterie des FTB-1 unter Major Gerald Sowa (Batl.Kdr. OSL Lätzer) und hatte Wache an der Flugleitung als ich folgenden Sachverhalt mitbekam:

Gegen Mittag wurde plötzlich in meiner späteren Kompanie, der FPTK (Flugplatz und Transportkompanie), das Bergebesteck befohlen. Die Fahrzeuge, zu der auch eine Wachgruppe gehörte, wurden in Richtung Stadt befohlen. Mich nahm man einfach mit, weil die Wachgruppe der Wachkompanie nicht vollzählig am Stellplatz, auf dem Flugplatzwartungshof, erschienen war und ich dort in der Nähe meinen Posten bezogen hatte. Unterwegs hörte ich dann von der Katastrophe. Im Stadtteil Ströbitz von Cottbus und zwar in der Karlstraße /Ecke Kurt Pawel Straße war eine MiG-21 abgestürzt. Sie steckte im Fluraufgang eine P2-Blockes (Bezeichnung für einen Plattenbautyp). Dieses haus diente den polnischen Mädchen, die im TKC arbeiteten als Wohnheim. Ich wurde als Wachposten befohlen und hatte die Karlstraße abzusperren. Ich konnte beobachten wie das Flugzeug geborgen wurde und auf einem Tieflader verladen weggeschaft (in die KRS gebracht) wurde. Dann wurden die Trümmer beseitigt und schon am nächsten Morgen war die Platte die am Haus beschädigt war durch eine neue ersetzt. Es war viel Trubel, jeder der im Bezirk Cottbus irgend etwas zu sagen hatte wollte, an die Unglücksstelle und ich durfte ja keinen durchlassen. Ich kann mich noch genau erinnern, das der Generalleutnant, Kdr. der 1. Luftverteidigungsdivision, am Unfallort war.

Die Katastrophe wurde später mehrfach ausgewertet:

Major Makowicka hatte einen Triebswerksausfall im Landeanflug auf den Flugplatz Cottbus. Er erhielt den Befehl sich zu katapultieren. Das tat er nicht mit Hinweis auf das TKC (damaliger Großbetrieb in Cottbus mit mehreren tausend Beschäftigten, vor allem Frauen). Das TKC lag in unmittelbarer Nähe der Einflugschneise. Er versuchte - nach dem Gesprächsprotokoll der Flugleitung - die Maschine auf den Nordfriedhof ca. 50-100 m südlich vom Gebäude in das die MiG-21 dann abstürzte, zu bringen. Er schaffte es aber nur bis hinter das TKC, wo er dann die Gewalt über das Flugzeug vollends verlor. Die Maschine schlug angeblich auf die Oberleitung der Straßenbahn und katapultierte sich von dort in das Flurfenster des Ledigenwohnheimes des TKC.

Makowicka galt als Held, weil er sich nicht katapultierte, sondern durch sein Verhalten eine Katastrophe vom TKC und damit von tausenden Cottbuser Frauen und Mädchen abwandte. Er erhielt postum mehrere staatliche Auszeichnungen und wurde auf dem Südfriedhof in Cottbus in einer Ehrengrabstelle beigesetzt. Die FDJ-Organisation des Jagdfliegergeschwader "Fritz Schmenkel" übernahm die ehrenamtliche Pflege des Grabes. Das Gebäude in das Makowicka abstürzte war das Ledigenwohnheim der polnischen Arbeiterinnen des TKC. Hier verunglückte ein Mädchen meines Wissens tödlich, als Sie in Panik vom Balkon der 5. Etage sprang. Weitere wurden verletzt und mit Rauchvergiftung ins Krankenhaus gebracht. Wenn man heute aufmerksam an dem Gebäude vorbeifährt, kann man noch erkennen, daß die 2. Platte über dem Hauseingang anders ist als die anderen Platten. Der Flugzeugabsturz im unmittelbaren Stadtgebiet entfachte die Diskussion über den Flugplatz neu. Hierbei ging es in erster Linier darum, das die Stadt einer großen Lärmbelästigung ausgesetzt war und das die Sicherheit der Menschen, die in der Einflugschneise wohnten gefährdet waren. Aber irgendwie erloschen diese Diskusionen immer wieder. Diesmal nicht. So dass nach einer Lösung gesucht wurde. Diese Lösung hieß Holzdorf.

Zu Beginn der 70-er Jahre wurde im Raum Herzberg-Jüterbog-Jessen, in unmittelbarer Nähe des Abzweiges der F-187 von der F-101 ein Feldflugplatz gebaut der die Dislozierung der Geschwader unterstützen sollte. Kurze Zeit nach der oben geschilderten Katastrophe begannen an dieser Baustelle die Vorbereitungen zum Bau eines operativen Flugplatzes mit Wohnungen für die Familien der Berufssoldaten und Zivilbeschäftigten. Dieser Flugplatz wurde in einem riesigen Waldgebiet nördlich der Kremitz, einem Zufluss der Elster, sozusagen aus dem Wald herausgeschlagen. Hier war ein dichter Kiefernbestand von der Kremitz bis zum Bankweg und von dort bis zur F-101. Das verstärkt meine Vermutung, dass es nicht von vorn herein geplant war, hier einen operativen Flugplatz zu bauen.

Die technischen Anlagen des Flugplatzes wurden von 1976 bis 1982 errichtet. Auf dem Flugplatz Holzdorf landete 1980 eine erste Staffel MiG-21. Über Nacht wurde das Materiallager des PiBau 24 weggeräumt. Eine Materialschlacht, sondergleichen. Alles was in den Kreisen Jessen und Herzberg an Hebetechnik aufzutreiben war, arbeitete dort und räumte über Nacht eine Materiallager von ca. einem Ha. Größe ein paar hundert Meter weiter. Am Tage darauf landeten die MiG's nach einer taktischen Variante. Die Maschinen stiegen in Cottbus auf, flogen wie gewohnt zum Erdschießplatz Jerischke und unterflogen von dort aus das Radar. D.h. sie flogen im Tiefstflug ohne Funkkontakt und nach Sicht nach Holzdorf, landeten dort. Am nächsten Morgen ging es dann auf dem gleichen Weg Retour. Das war sozusagen die Einweihung des Flugplatzes Holzdorf, der dann offiziell im Jahr 1982 übergeben wurde. Das gesamte JG-1, das FTB-1, das NFB-1 und das NB-31 verlegten mit Mann und Maus, Kind und Kegel in den Wald von Holzdorf. Selbst das "Schein DHS" wurde im Landmarsch verlegt.

PS.: Dieser Bericht ist ein Erlebnisbericht erhebt nicht den Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit.«

 

Christians Bericht
von Christian Schubert

»Mein Name ist Christian Schubert, ich war einige Jahre Mitglied im Flugplatzmuseum Cottbus, habe später meinen Dienst als Hubschrauberwartungsmechaniker an der Bell UH 1D in Holzdorf versehen wo ich auch einige Ehemalige des JG-1 kennen lernte u.a. auch Herrn Volker Rauch zuletzt Major Triebwerk MiG 21 im JG-1 und zu all dem kenne ich durch meine Mutter die Witwe Becher (nicht "Becker" so wie es in Deiner Erläuterung des Flugunfalls noch hieß), von der Katastrophe der 798.

Die Maschine soll wohl nach Aussage von Herrn Rauch mit nahezu voller Geschwindigkeit ohne Nachbrenner in den Erdboden eingeschlagen sein. Er sagte mir das die Maschine einige Meter im Erdreich gesteckt haben soll. Seiner Witwe hat man nur - wie es damals halt so üblich war - gesagt das er im Dienst tödlich verunglückt sei. Wolfgang Becher hinterließ seine Frau und eine kleine Tochter. Später fand sie ein neues Lebensglück. Frau Becher und meine Mutter waren damals Kolleginnen im Armee-Kindergarten des Flugplatzes Cottbus, in dem auch ich oft als Kind zu Gast war.

Zudem haben meine Eltern, meine Schwester und ich ab ca. 1981 bis 1988 in dem Haus und genau dem Hauseingang (in der Wohnung schräg darüber) in der Schmellwitzer Str. gewohnt, in der am 14. 01.1975 die 849 hinein flog. Hierzu lernte ich viele Jahre später im Flugplatzmuseum Cottbus Herrn Siegfried Daligk kennen, einen derer die vor diesem Flug die Maschine betreuten. Er wurde wohl nach seiner eigenen Aussage bis zu Klärung der Absturzursache vom Dienst "suspendiert" und durfte - nachdem ihm keine Fehler nachgewiesen wurden - seinen Dienst als Ketten-Techniker weiterführen. Des Weiteren erzählte er mir auch, daß nachdem bekannt wurde, das die 849 Triebwerkprobleme hatte bzw. das Triebwerk ausgefallen sei, sich einige Techniker am IKP oder SKP (?) versammelten und dem Funkverkehr lauschten. Die letzten Worte des Piloten, Major Peter Makowicka, sollen “Ich muss die Kinder retten“ gewesen sein, nachdem er den Befehl zum Katapultieren erhalten hatte. Daraufhin sei der Funkkontakt zur 849 abgebrochen, angeblich soll der Pilot den Funk abgestellt haben.

“Ich muss die Kinder retten“ erklärt sich daraus, daß die Maschine sich im Landeanflug aus Richtung des Textilkombinat Cottbus (TKC; in dem auch mein Vater arbeitete) befand. Noch ehe die Maschine das TKC überflogen hatte, fiel das Triebwerk aus und der Pilot erhielt vom Boden den Befehl sich zu katapultieren. Da der Pilot der Überzeugung war, daß, wenn er sich katapultieren würde, die Maschine in den Kindergarten (welchen auch ich besuchte und welcher sich zwischen dem TKC und dem Wohnhaus befand) stürzen würde, verweigerte er den erhaltenen Befehl. Er zog es m.E. vor, in der Maschine zu bleiben, um sie noch einmal nach oben zu ziehen. Er wählte in meinen Augen den Freitod, um das Leben der Kindergarten - Kinder und deren Erzieherinnen zu schützen. Er stürzte dann allerdings in das Wohnhaus in der Schmellwitzer Straße, das zu diesem Zeitpunkt Arbeiter - Wohnheim des TKC war.«

 

Das See-Schießen
Ort: JG-1 / Ostsee
Zeitraum: 1988
Techniker: Oberleutnant
Korrektur durch:  Karl Koerschner

»Folgende Geschichte kenne ich als Angehöriger des ingenieurtechnischen Personals (ITP) nur aus Gerüchten und einer (ausnahmsweise) Auswertung während einer Offiziersversammlung im "Regimentsclub" der Militär-Handels-Organisation (MHO). Die MiG-21 flogen regelmäßig zum Schießen auf Seeziele zur Ostsee. Ein jüngerer Offizier verlor beim Anflug auf das Seeziel (ein Schiffswrack) die Orientierung, verließ die Schießzone und griff versehendlich ein normales Fischerboot an.

Den Schrecken der Fischer kann man sich leicht vorstellen, da rast im Tiefflug ein Kampfflugzeug über das Schiff hinweg und schieß - zu allem Überfluß - auch noch eine Salve ungelenkter Raketen auf selbiges. Nein, nicht einmal, gleich zwei Anflüge mit Salve machte der Pilot - mit einem gutem Trefferbild, wie die spätere Auswertung ergab. Nur durch ein Wunder wurde keiner verletzt, denn mindestes eine S-5 hat das Boot getroffen den Rumpf durchschlagen. Beim anschließenden Entschuldigungsbesuch des Piloten, samt Staffelkommandeur, soll die Mannschaft unter Bord "eingesperrt" gewesen sein, um Tätlichkeiten zu vermeiden. Nur der Kapitän nahm die Entschuldigung an.

Der junge Flugzeugführer hatte die Seeziele vor Peenemünde aufgrund schlechter Vorbereitung und Einweisung nicht gefunden und ein anderes Schiff beschossen. Alle drei Raketen haben getroffen, hatten aber keinen Sprengkopf. Der Flugleiter war lt. Dienstvorschrift (DV) berechtigt, den Angriff zu erlauben, denn die Ziele waren frei. Auch ist laut DV allein der Flugzeugführer für die Auswahl des richtigen Zieles verantwortlich. Trotzdem wurde der Flugleiter vom Vorsitzenden des Verteidigungsrates E. Honecker mit einer Verwarnung wegen Vernachlässigung der Dienstpflichten (beinahe Degradierung) und mit der Aberkennung der Flugzeugführer - Leistungsklasse 1 für ein Jahr bestraft worden, weil ein höherer Dienstgrad als "Sündenbock" für diesen Vorfall dienen musste. Der junge Flugzeugführer erhielt lediglich einen Verweis, wurde - entgegen allen Gerüchten - nicht degradiert oder entlassen.«


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Uwe Beyreuther
Michel Klaver

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Militärflugplätze der NVA