90er
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Mit der sog. "Wende" und den politischen Umwälzungen wurde der Grundwehrdienst für Wehrpflichtige Anfang 1990 schlagartig von 18 Monate auf nur noch 12 Monate und bei Unteroffizieren auf Zeit die Mindestdienstzeit von 3 auf 2 Jahre herabgesetzt. Das führte zu Entlassungen bei etwa 40.000 Soldaten und Unteroffizieren sowie 19.000 Reservisten. Ein voraussetzungsloser Zivildienst mit gleicher Dauer wie die Militärzeit wurde mit Wirkung vom 07. Mai 1990 eingeführt. Mit Öffnung der Staatsgrenze und faktisch unkontrollierten Grenzverkehrs mit der BRD und Westberlin desertierten knapp 1.350 Mann (incl. 57 Offiziere). Zudem warfen viele Berufssoldaten ab Herbst 1989 das Handtuch und zu den Einberufungen waren längst nicht mehr alle Wehrpflichtigen da. Die Grenztruppen wurden ersatzlos aufgelöst.

Im folgenden der Wortlaut eines Fernschreibens zur "Militärreform" vom 03. Januar 1990
- Originalkopie (pdf; 562 kb) -

[KOPF]

Ausgehend von der gegenwärtigen Situation in der Nationalen Volksarmee und den Grenztruppen der DDR werden folgende Sofortmaßnahmen festgelegt:

1.
Es wird noch im Januar 1990 ein neues Wehrdienstgesetz erarbeitet und dem Ministerrat zur Weiterleitung an die Volkskammer zur Beschlußfassung übergeben.
In diesem Entwurf wird von einer 12monatigen Dienstzeit im Grundwehrdienst sowie mindestens 24monatigen Dienstzeit im Dienstverhältnis auf Zeit ausgegangen. Die Wehrpflichtigen werden weitestgehend nach dem Territorialprinzip und im Alter von 18-21 Jahren einberufen.
Soldaten, die gegenwärtig ihren Grundwehrdienst im dritten Diensthalbjahr ableisten werden vorzeitig aus dem aktiven Wehrdienst entlassen. Die weitere Entlassung von Soldaten im Grundwehrdienst hat vorzeitig nach Ablauf von 12 Monaten Wehrdienst zu erfolgen.
Soldaten auf Zeit und Unteroffiziere auf Zeit können auf Antrag nach Ablauf von 2 Jahren vorzeitig aus dem aktive Wehrdienst entlassen werden.
In diesem Falle sind die Festlegungen des Paragraphen 11 der Förderungsverordnung über die vorrangige Zulassung zum Studium und über Stipendien nicht anzuwenden.

2.
Der Regierung der DDR wird noch in dieser Woche der Vorschlag unterbreitet, die ausschließlich für den Einsatz in der Volkswirtschaft geschaffenen Strukturelemente (Ausbildungsbasen und Pionierbaubataillone) aufzulösen und die Soldaten im Grundwehrdienst sowie Soldaten auf Zeit und Unteroffiziere auf zeit aus dem aktiven Wehrdienst zu entlassen, soweit die in Ziffer 1. festgelegte Mindestdienstzeit erfüllt ist. Strukturelemente der Mobilmachung werden davon nicht berührt.
Die zur Zeit in den Ausbildungsbasen befindlichen Soldaten im Grundwehrdienst werden nach Abschluß ihrer dreimonatigen Ausbildung am 26.01.1990 in die Wehrkreiskommandos zurückversetzt und leisten ihren 12monatigen Grundwehrdienst in Verantwortung der Wehrkreiskommandos ab.
Für die dem Ministerium für Bauwesen und Wohnungswirtschaft unterstehenden Bautruppen werden dem Minister für Bauwesen und Wohnungswirtschaft analoge Regelungen vorgeschlagen.

3.
Im Rahmen der Militärreform der DDR wird der Entwurf einer neuen Innendienstvorschrift erarbeitet, der öffentlichen Beratung gestellt und gleichzeitig mit dem Wehrdienstgesetz dem Ministerrat zur Beschlußfassung in der Volkskammer übergeben.

4.
Ab sofort werden für alle Angehörigen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR eingeführt:
- Dienst an den Wochentagen Montag bis Freitag mit einer wöchentlichen Dienstzeit von 45 Stunden. Über diese Stundenzahl hinaus geleisteter Dienst wird in erster Linie durch Freizeitgewährung bzw., wenn das nicht möglich ist, finanziell vergütet.
- Durchsetzung der 50 Prozent-Regel für Ausgang und Urlaub bei Gewährleistung der erforderlichen Stärken der Gefechtsbereitschaft und des Diensthabenden Systems.
- Übergang von der Anrede der Armeeangehörigen von "Genosse" bzw. "Genossin" auf "Herr" bzw. "Frau/Fräulein".
- Verbleib des Personalausweises und Reisepasses der DDR am Mann.
- Erweiterung des Ausgangs über die Standortgrenzen hinaus.
- Ausgabe von Dienststellenausweisen für Unteroffiziere auf Zeit.
- Freizeitgestaltung in den Kasernenobjekten nach individuellen Wünschen, auch über 22.00 Uhr hinaus.

5.
Am Freitag, dem 05.01.1990, findet in Strausberg, Tageszentrum des MfNV eine Kommandeurstagung statt. Die Teilnehmer und der Zeitpunkt der Durchführung werden gesondert befohlen.
Die Führung der NVA und der Grenztruppen der DDR wird alle erforderlichen Maßnahmen einleiten, um ein hohes Niveau der Ausbildung sowie der Disziplin und Ordnung zu gewährleisten.

Der Inhalt dieses Fernschreibens ist unverzüglich allen Angehörigen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR sowie den Zivilangestellten bekanntzugeben.

[ohne Unterzeichnung]

Die Bundeswehr übernahm zum 03. Oktober 1990 vorläufig:

24.600 Offiziere (1988 noch 41.000)
24.000 Unteroffiziere
44.400 Soldaten
= 93.000 Mann + 48.000 Zivilbeschäftigte

 

Uniformwechsel 1990

... zwei Beispiele aus dem JG-3
(Quelle: Elf99, Jugendfernsehen des DFF; eigene Bearbeitung und Animierung)

S.gif (31381 Byte)

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Das "Bundeswehrkommando Ost" hatte die Aufgabe daraus 50.000 Mann zu machen, wobei die Wehrpflichtigen nunmehr nach BRD-Recht normal weitermachten und einberufen wurden.

Knapp die Hälfte der Längerdienenden der NVA, jedenfalls von denen die zum 03.10.1990 noch da waren, bewarben sich um einen Job in der Bundeswehr. Jeder der im Staatsdienst und über 50 Lebensjahre war, konnte in einen Vor-, Vorruhestand gehen, die meisten in diesem Alter wurden entlassen. Kein General der NVA wurde übernommen. Lediglich ein Sanitätsgeneral, Generalmajor Beyer / Chef medizinischer Dienst im MfNV, konnte erst einmal als Oberst ("Oberstarzt") weiterdienen, 5 Generäle erhielten befristete Beraterverträge. Dabei handelte es sich um die Generale Engelhardt, Schlothauer, Berger, Baarß und Admiral Born. Generalmajor Schlothauer, zuletzt im Kommando des Militärbezirks III und vom 15.09. - 02.10.1990 Chef des Hauptstabes NVA im MfAV, »erfüllte seinen Vertrag nicht« (vgl.: "Was war und was bleibt", S. 92). Von 2.110 mit Dienstgrad Oberst im Oktober 1990, verblieben Mitte 1991 noch 28, daneben 10 im Sanitätsdienst. Von ursprünglich 8.180 Oberstleutnante im Oktober 1990 hatten im Juni 1991 noch 612 einen Vertrag. Es gab praktisch keine älteren Offiziere mehr. Ab Oktober 1992 wurden 6.000 Offiziere und 11.200 Unteroffiziere auf Zeit, sowie 3.000 Offiziere und 7.600 Unteroffiziere als Berufssoldaten in die Bundeswehr übernommen. Von den Zivilbeschäftigten waren 1998 noch ca. 20.000 in Lohn und Brot.

Im Ergebnis fanden von den Längerdienenden der NVA ca. 2.800 Offiziere und 5.700 Unteroffiziere ihren Platz in der Bundeswehr, wobei die meisten jedoch um einen oder mehrere Dienstgrade zurückgestuft wurden.

Die übernommene Bewaffnung und Ausrüstung wurde größtenteils verschrottet und verscherbelt. Moderne Kampftechnik, wie MiG-29, Su-22M, Mi-24 wurde vorab umfassend als Kriegsgerät potentieller Kriegsgegner für die kommenden Aufgaben der "deutschen Normalität" getestet. Viele Schiffe der Volksmarine wurden an die damalige blutige Diktatur nach Indonesien verkauft / verschenkt. Panzer gingen in die Türkei, wo SPW der NVA wohl zur Kurdenbekämpfung eingesetzt wurden. Über MiG-21 für den Bürgerkrieg nach Kroatien wird gemunkelt. Das letzte verbliebene Waffensystem, die MiG-29 ging im Jahr 2004 für einen EUR pro Maschine mach Polen.

Am 09. Februar 1993 wurde den ehemaligen Offizieren das Tragen ihres alten Dienstgrades mit dem Zusatz "d.R." oder "a.D." untersagt. Die Dienstgradbezeichnung mit dem Zusatz "der NVA" ist - mangels Grundlage - rechtlich ebenfalls nicht zulässig. Von da an wurden sie ohne Titel als "Gediente in fremden Streitkräften" bezeichnet (seit 01. März :) 2005 lautet die Bezeichnung nun "außerhalb der Bundeswehr"). In den Traditionsrichtlinien (ZDV 10/1) der Bundeswehr vom 16. Februar 1995 heißt es eindeutig: "Unstrittig ist jedoch, daß die ... aufgelöste Nationale Volksarmee ... keine Tradition für die Bundeswehr stiften kann." Ein größeres Lob konnte die Bundeswehr der NVA nicht aussprechen, denn beide Armeen haben miteinander nichts gemein!

"Die Bundeswehr hat wie keine zweite gesellschaftliche Institution ernst gemacht, die Teilung durch Teilen zu überwinden."
Volker Rühe, Rede des Bundesministers für Verteidigung, auf der 33. Kommandeurstagung der Bundeswehr am 14. Mai 1992 in Leipzig (zitiert nach: Informationen zur Sicherheitspolitik, Mai 1992, S. 10).

 



Militärflugplätze der NVA