"Eine Piazza für alles, und ein Jedes auf seiner Piazza"
Das Motto der Ausstellung von M.S. ist vielleicht überraschend und ohne Erläuterung
nicht verständlich. Es bezieht sich auf unsere Dingwahrnehmung: wie muß ein
Ding plaziert sein, damit wir es unbefangen wahrnehmen können. In dem Motto
spiegelt sich das bildliche Wahrnehmungsideal der Renaissance. [...] Auf dem
zentralperspektivisch angelegten Platz, der Piazza, findet das Geschehen statt. [...]
Der Betrachter wird entsprechend vor dem Bild positioniert. [...] Gibt es nun
eine angemessenere natürliche Platzierung von Dingen?
M.S. ist Steinbildhauer. Für ihn ist nicht nur das Material und seine mögliche
Form bedeutsam. Auch die Geschichte unseres Verhältnisses zu Stein im Angesicht der
Entwicklung von künstlerischen Materialien spielt eine wichtige Rolle. Vor allem aber
die Veränderung unserer Wahrnehmungsweise von Materialien, die immer größere
Vielschichtigkeit des Wahrnehmungsumfeldes, in dem Dinge platziert sind, und ihre indirekte
Wahrnehmung über die vielen Arten der medialen Vermittlung ist für seine Arbeit
prägend geworden. (Uff!)
[...] Nicht mehr die inneren materialen Eigenschaften, nicht das räumliche
Volumen und auch nicht der natürliche Ort, sondern die äußere
Oberfläche bestimmt unsere Einstellungen zu den Dingen unserer Welt. Die Erfahrung,
dass wir in der Herstellung von Dingen immer stärker eine beliebige Form einem
Material überstülpen und damit den Zugang zu den Dingen auf die Wahrnehmung der
Oberfläche reduzieren, geht einher mit der Erfahrung, daß sich in Fotografien
unsere Welt auf eine einheitliche Oberfläche reduziert. Die körperliche Welt
wird zur Fläche. [...] Körper werden zu Bildern und Bilder fluktuieren
unbezüglich durch die Welt. (sic!) Von daher akzeptieren wir bei der Dingwahrnehmung
die ungeklärte Materialität der Dinge [...] S. interessiert sich in
seinen Arbeiten für das Verhältnis zwischen der zum Bild verdichteten
dinglichen Welt und ihrem körperlichen Ursprung.
In seinen jüngsten Arbeiten konfrontiert er manipulierte Bilder mit einem bildhauerischen
Tastraum. [...] ...einer komplexen Bildbearbeitung am Computer hat er über
Schattierungs-, Farb- und Symmetrieänderungen ein 1 zu 1 großes Bild beider
Situationen des Ausstellungsraumes erzeugt und diese Bilder bildhauerisch mit der
Rahmensituation der Eingangstüre bzw. der des Fensters verknüpft. [...]
Ihre Wahrnehmung fordert die Aktivierung des körperlichen Tastraumes heraus.
Im körperlichen Tastraum ist uns noch gegeben, was in einem Bild fehlt: das
Bewusstsein und die Reflexion auf unseren eigenen Standort. Erst von der Gewinnung dieses
Standortes her wird die Orientierungslosigkeit des Bildes und des in ihm gespiegelten
Ausstellungsraumes offensichtlich.