Perspektiven der Bevölkerungspolitik
Analysen und Hintergründe

 

"Die Furcht vor Überbevölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. Die allgemeine Unzufriedenheit, die dann entsteht, glaubt man in erster Linie dem Überfluß an Menschen und dem Mangel an Lebensmitteln und nicht der Art, wie sie gewonnen und verteilt werden, zuschreiben zu müssen."

August Bebel, Die Frau und der Sozialismus, 62. Auflage, 1973, Berlin/DDR, S. 528f

"Die Geschichte hat gezeigt, daß Überbevölkerung immer von denen definiert wird, die den Status quo beibehalten wollen. Die Rechtfertigungen dafür haben sich verändert, je nach den Interessen derjenigen, die definieren. Ich erinnere mich, daß bei den Unwettern in Bangladesh die Opfer dafür verantwortlich gemacht wurden. Als in Brasilien Straßenkinder vor einer Kirche getötet wurden, war in Zeitungsartikeln zu lesen, daß diejenigen, die gegen Familienplanung sind, Schuld hätten am Tod dieser Kinder. Die Logik dahinter war folgende: Wenn diese Kinder nicht geboren worden wären, dann wären sie auch nicht getötet worden. Es sind also unterschiedliche Gründe, die hinter der Befürwortung von Bevölkerungspolitik stehen. Aber es trifft immer die Armen. Die Ärmsten spielen in der Weltwirtschaft keine Rolle. Überbevölkerung, das sind in den Augen der Mächtigen die, die nicht das Geld haben, um zu kaufen und die als überschüssige Arbeitskräfte gelten. Deswegen war es wichtig, im Prozeß der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo diese Konzepte zu hinterfragen und auf die Widersprüche hinzuweisen."

Thais Corral (REDEH, Brasilien) auf der NGO-Arbeitstagung Was kommt nach Kairo? Perspektiven der Bevölkerungspolitik, Frauen-Anstiftung, im Herbst 1994 in Berlin


Ernüchterung jenseits frauenfreundlicher Lyrik.
Reproduktive Gesundheit - 5 Jahre nach der Bevölkerungskonferenz in Kairo (1999)
(auf dem Server von medicus mundi schweiz)

"Warum legen wir fünf Jahre nach Kairo Bevölkerungspolitik als solche nicht zu den Akten und sprechen endlich über Bildung, über Gesundheit, über Ernährung und Wohnen, über Lebensstil und Gerechtigkeit in der Weltwirtschaft und über die Bedingungen einer nachhaltigen Entwicklung im Süden wie im Norden? Schliesslich ist die Schere zwischen arm und reich in den vergangenen drei Jahrzehnten weltweit extrem auseinandergegangen. Zeit zum Umdenken, sollte man meinen."


Die Wünsche der Frauen gelten meist wenig.
Nicht nur in der "Dritten Welt" werden Verhütungsmittel unter bevölkerungspolitischen Gesichtspunkten propagiert (1994)

"Der Wunsch von Frauen nach Verhütungsmitteln, die für sie sicher und von ihnen kontrollierbar sind, ist bei deren Erforschung und Entwicklung kaum relevant. Hier herrscht politisches Interesse vor, in bestimmten Regionen oder bei bestimmten sozialen Schichten die Geburtenraten zu senken. Seit den frühen sechziger Jahren schon gilt deshalb die Suche jenen lang wirkenden Methoden, die als Alternative für die endgültige Lösung, die Sterilisation geboten werden können: Spiralen, Spritzen, Implantate und Impfungen."


Bombenidee. "Die Bevölkerungsexplosion":
Wie eine Kalte-Kriegs-Ideologie weltweit und erfolgreich vermarktet wurde (1994)

"Moore, Rockefeller und etliche andere superreiche US-Bürger bildeten in der ersten Hälfte der 50er Jahre quasi die Avantguarde der neuen Bevölkerungskontrollbewegung nach dem zweiten Weltkrieg. Wie sie es geschafft haben, daß "Verhütung und die Entscheidung, wieviele Kinder eine Frau bekommt, zum Gegenstand von Politik, oder genauer gesagt: zum außenpolitischen Interventionsfeld der USA" wurde, kann nun in einer kürzlich erschienen Materialsammlung nachvollzogen werden. "


Wer hat Angst vor schwarzen Frauen?
Internationale Zusammenarbeit an der neuen Familienplanungsfront in Afrika (1990)

"Trotz massiver Umleitung finanzieller und technischer Mittel auf den afrikanischen Kontinent muß die Einsicht in eine angebliche Notwendigkeit von Maßnahmen zur Bevölkerungskontrolle dort mit größeren Schwierigkeiten erkauft werden, als in Asien und Lateinamerika. Immer noch finden sich Regierungen, die, aus welchen Gründen immer, demographischen Zielsetzungen gegenüber 'widerstrebend' sind. Langfristig jedoch werden auch sie sich von den Vorteilen 'integrierter Programme' und weiterhin fließender Gelder für ihre maroden Ökonomien überzeugen lassen. Um die noch nicht von der Sendung der Bevölkerungskontrollbewegung überzeugten afrikanischen PolitikerInnen auf den Pfad der Erkenntnis zu bringen, aber auch, um das öffentliche Ansehen von 'Familienplanungsdiensten' zu steigern, wurden und werden in allen Regionen, Workshops, Seminare und Konferenzen abgehalten. Der Kontinent wurde in den 8oer Jahren geradezu damit überflutet. "


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