3.3. Spanische Eroberung und Akkulturationsprozeß

 In Guatemala kündigte das sich nähernde Unheil der spanischen Eroberung schon einige Jahre vorher durch eine Pestepedemie, die vermutlich von infizierten mexikanischen Indianern eingeschleppt wurde, an. Die Annalen der Cakchiqueles berichten folgendes für das Ende des Jahres 1521: "It happened that during the twenty-fifth year the plague began. (...) First they became ill of a cough, they suffered from nosebleeds and illness of the bladder. It was truely terrible, the number of dead there were in that period. (...) The people could not in any way control the sickness. (...) Great was the stench of the dead. After our fathers and grandfathers succumbed, half of the people fled to the fields. The dogs and the vultures devoured the bodies. The mortality was terrible." (The Annals of the Cakchiquels 1967: 115f)

3.3.1. Die Ankunft der spanischen Eroberer

Im Februar 1524 betrat Pedro de Alvarado Guatemala und drang in das Gebiet des Piedmont-Tieflandes vor. Er eroberte die Quiché-Festung Xelaju und war auf dem Weg K´umarcaaj einzunehmen. Als die Quiché vom Eindringen der Spanier in Guatemala erfuhren, schickten sie Boten an die Cakchiqueles und die Tz´utujiles, um sie zu einem Treffen einzuladen, an dem das weitere Vorgehen gegen die Spanier besprochen werden sollte. Die Cakchiqueles weigerten sich zu kommen und die Tz´utujiles antworteten, daß sie sich alleine verteidigen könnten. Die Feindseligkeiten unter den drei Gruppen waren noch immer zu groß für eine gemeinsame Allianz gegen die Spanier (Orellana 1984: 112).

Auch Alvarado schickte Boten zu den Cakchiqueles und den Tz´utujiles, um sie gegen die Quiché zu gewinnen. Die Tz´utujiles antworteten, indem sie die Boten töteten, die Cakchiqueles jedoch schickten Krieger um Alvarado im Kampf gegen die Quiché zu helfen (ebd.: 112). Nach der Unterwerfung der Quiché erreichten die Spanier Iximché, wo sie von den Cakchiqueles, die glücklich über die Eroberung ihrer ehemaligen Feinde waren, freundlich empfangen wurden. Alvarado fragte die Cakchiqueles nach ihren verbliebenen Feinden und erfuhr, daß dies die Tz´utujiles waren (The Annals of the Cakchiquels 1967: 120-22).

Alvarado entschied sich erneut Botschafter zu den Tz´utujiles zu schicken, mit der Aufforderung sich friedlich zu ergeben. Die Tz´utujiles töteten jedoch auch diese Boten. Kurze Zeit später, am 18. April 1524, brach Alvarado mit 60 Reitern, 150 Infanteristen und einer großen Zahl Cakchiquel-Krieger von Iximché aus auf und erreichte das Territorium der Tz´utujiles noch am selben Tag. Die Spanier attakierten Chiya´ und nahmen es ein (Orellana 1984: 113).

 

3.3.2. Anfänge der Kolonialzeit

Im Juli 1524 gründete Alvarado in Iximché die Stadt Santiago de los Caballeros de Guatemala, die erste Hauptstadt der neuen Kolonie. Die Spanier begannen damit, Tribute von den Cakchiqueles einzufordern, die so hoch waren, daß bald darauf ein Aufstand ausbrach: "Then the Cakchiquels began hostilities against the Spaniards. They dug holes and pits for the horses and scattered sharp stakes so that they should be killed. At the same time the people made war on them. Many Spaniards perished and the horses died in the traps for horses. The Quichés and the Zutuhils died also." (The Annals of the Cakchiquels 1967: 123-25)

Alvarado benutzte die Tz´utujiles als Soldaten gegen die Aufständigen Cakchiqueles: "Don Pedro Alvarado (...) took out of the town many people, sometimes six hundred Indian soldiers, to make war on the Indians of the town (...) of Tecpan Cuauthemala (...) and other rebellious provinces."(1) (Orellana 1984: 114)

Die Cakchiqueles zogen sich in die Berge zurück und die Spanier brannten Iximché 1526 nieder. 1527 verlegten die Spanier die Hauptstadt der Kolonie in das Tal von Bulbuxyá, am Fuße des Vulkanes Agua. Dieses Tal, was die mexikanischen Helfer der Spanier Almolonga nannten, heißt heute Ciudad Vieja (ebd.: 114).

1528 begann die reguläre Tributeintreibung im Gebiet des Atitlán Sees. Sowohl die Fürsten, als auch die einfachen Leute mußten Tribut zahlen. Außerdem wurden die Tz´utujiles, neben ihren Aufgaben als Soldaten, verpflichtet in Goldminen zu arbeiten. Andere Tz´utujiles wurden als Träger verpflichtet. Decken, Kakao, Honig, Truthähne, Salz, Chili, Kupfer, Maguey und vieles Andere mehr wurden an die Spanier als Tribut abgeliefert(2) (ebd.: 115).

Im Juni 1541 starb Pedro de Alvarado in Guadelajara, Mexiko, nachdem er bei dem Versuch einen Auftstand in Mexiko niederzuschlagen, verletzt wurde(3) (ebd.: 115). Seine Witwe Beatriz de la Cueva übernahm sein Amt als Gouverneur, aber ihre Amtszeit war nur kurz, da sie bei dem Ausbruch des Agua vom 10. September 1541, der die Hauptstadt zerstörte, starb (The Annals of the Cakchiquels 1967: 134). Eine neue Hauptstadt, das heutige Antigua, wurde kurze Zeit später im Tal von Panchoy errichtet (Orellana 1984: 115).

Am 7. September 1543 wurde die erste audiencia aufgrund einer königlichen Order in Gracias a Dios an der Küste von Honduras gegründet.(4) Audiencias waren die höchsten königlichen Gerichte, die innerhalb ihrer territorialen Grenzen die Rechtsprechung übernahmen. Auch fungierten sie als Räte, die dem Vizekönig, den Gouverneuren und anderen spanischen Offiziellen in ihren Gebieten zur Seite standen.(5) Im Jahr 1549 wurde die audiencia nach Santiago de Guatemala verlegt(6) (Orellana 1984: 115).

Die Einrichtung der audiencia signalisierte das Ende der Kontrolle der Conquistadoren in Guatemala und bedeutete, daß die ganze Macht des spanischen imperialen Verwaltungssystems auf die guatemaltekische Bevölkerung zu tragen kam. Die Entscheidungen der audiencia waren entgültig, da sie nur dem Veto der Krone untergeordnet waren, was nicht unbedingt eine Verbesserung der Situation für die indianische Bevölkerung mit sich brachte. In vielen Fällen verschlechterte sie sich noch, da mit der Einrichtung der audiencia auch die Zahl der Ausbeuter wuchs(7) (ebd.: 116).

Einer der schlimmsten Aspekte der Ausbeutung war, neben exzessiven Tributforderungen, die Praxis der Spanier sich indianische Sklaven zu nehmen. Auch die indianische Elite versklavte weiterhin andere Indianer und verkaufte diese an die Spanier oder untereinander.(8) Nach der Periode der Kämpfe behielten die indianischen Führer die Sklaven, die sie in der Zeit vor der Eroberung gemacht haben und die Spanier erhielten oftmals welche von ihnen. Der Charakter der Sklaverei änderte sich nach der Ankunft der Spanier: sie wurde grausamer. Mehr Indianer als zuvor wurden als Sklaven gehalten und viele die ehemals frei waren, wurden nun versklavt.(9) Auch schickten die Spanier Hochlandindianer, die das kühle Klima im Hochland gewohnt waren in tropische Gebiete, wo sie krank wurden und starben. Zusammen mit den großen Epedemien und den harten Tributen beschleunigte die Sklaverei den Bevölkerungsschwund enorm (Orellana 1984: 116). Einige Priester in Guatemala, wie Bartolomé de las Casas, waren gegen jegliche Form der Sklaverei und taten was sie konnten, um ihr ein Ende zu setzen. Beschwerden der wenigen Priester im Land, die sich dieses Themas annahmen, zusammen mit der katastrophalen Sterblichkeitsrate der 1520er und 1530er, überzeugten die spanische Krone, daß es nötig war Gesetze zum Schutze der noch verbliebenen indianischen Bevölkerung zu erlassen.(10) Dies war der Hintergrund des Erlasses der Neuen Gesetze in den Jahren 1542 und 1543. Die Sklaverei sollte laut dieser Gesetze abgeschafft werden, was jedoch bis in die 1550er Jahre hinein nicht gelang(11) (Orellana 1984: 116).

Erst als 1548 Alonso López de Cerrato Präsident der audiencia wurde, wurden die Neuen Gesetze in einem weiteren Rahmen angewandt: "When he arrived, he condemned the Spaniards, he liberated the slaves and vassals of the Spaniards, he cut the taxes in two, he suspended forced labor and made the Spaniards pay all men, great and small. The lord Cerrato truly alleviated the sufferings of the people." (The Annals of the Cakchiqueles 1967: 137)

Um 1547 begannen die Spanier die indianische Bevölkerung am Atitlán See in zentrale Siedlungen umzusiedeln, wo sie einfacher regiert und zum Katholizismus konvertiert werden konnten. In diesem Jahr wurden auch die Tz´utujiles in ihren neuen Hauptort Santiago Atitlán umgesiedelt. Kurze Zeit später entstand das indianische Ämtersystem in den Ortschaften des Hochlandes. Es bestand aus einem Stadtrat, oder cabildo, und einem indianischen Bürgermeister, der einem lokalen spanischen Magistraten, dem corregidor, untergeordnet war. 1547 wurden alle Ortschaften Avarados einstiger Ländereien, wozu auch Atitlán gehörte, in sieben corregimientos eingeteilt. Atitlán wurde Hauptort, oder cabecera, des gleichnamigen corregimiento, in den auch die prähispanischen Tz´utujil-Gebiete im Piedmont mit einbegriffen waren. Die corregimientos waren im politischen System auf einem niedrigeren Niveau als der gobierno, und der corregidor war dem Gouverneur und der audencia untergeordnet. Zusätzlich gab es noch drei größere Unterteilungen, die alcaldías mayores. Sie waren Sonsonate, Zapotitlán und Verapaz. Atitlán war ein corregimiento innerhalb der alcaldía mayor von Zapotitlán(12) (Orellana 1984: 117).

Die Präsidenten der audiencia, die López de Cerrato nachfolgten, waren der indianischen Bevölkerung nicht mehr so wohl gesonnen wie Cerrato. Rodríguez de Quesada, der am 14. Januar 1555 die Präsidentschaft übernahm, erließ ein Dekret, nach dem wieder, wie vor Cerratos Zeiten, Tribute erhoben wurden und welcher den Wiederbeginn einer härteren Politik gegen die indianische Bevölkerung bedeutete. 1560 wurde die Situation der Indianer der Seeregion durch eine weitere Pestepedemie zusätzlich verschlimmert (Orellana 1984: 118).

Im Jahr 1566 ließen sich zwei Priester, Juan Alonso und Diego Martín, in Santiago Atitlán nieder. Ihre Ankunft markierte den Beginn einer Periode starken kirchlichen Einflußes in der cabecera. Spätestens seit 1566 und möglicherweise schon 1552, als eine Schule eingerichtet wurde, wurde die Religionsausübung organisiert. Gonzalo Méndez, der Nachfolger von Alonso und Martín, überwachte den Bau einer Kirche, die erst einige Jahre später fertiggestellt wurde(13) (ebd.: 119). 1571 wurde die Seeregion von einer Hungersnot, und einige Jahre später erneut durch eine Pestepedemie geplagt(14) (ebd.: 119).

Zusammengefaßt ergibt sich folgendes Bild der Situation der Tz´utujiles in den ersten fünfzig Jahren spanischer Herrschaft: 1524 brachten die Spanier die Tz´utujiles nach kurzem Kampf unter ihre Kontrolle. Kurze Zeit später halfen sie Alvarado den Cakchiquel-Aufstand von 1524 niederzuschlagen. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts blieb der Hauptort der Tz´utujiles Chiya´, wo sie nur sporadisch von katholischen Priestern besucht wurden. Die spanische Kontrolle über die Tz´utujiles sowohl der See-, als auch der Piedmont-Region, weitete sich erst als Ergebniss der Umsiedelungen aus, die 1547 begannen. Santiago Atitlán wurde der neue Tz´utujil-Hauptort und ein städtisches Regierungssystem wurde eingerichtet, welches von einem Offiziellen der Krone, dem corregidor, überwacht wurde. Vor und nach Cerratos Zeit als Präsident der audiencia, zahlten die Tz´utujiles extrem hohe Tribute. Sie litten unter verschiedenen Krankheiten und wiederholten Pestepedemien und gerieten unter die enge Überwachung der Franziskaner. Um 1570 hatten die Tz´utujiles von Atitlán damit begonnen eine große Kirche zu bauen (Orellana 1984: 120).



3.3.3. Der Akkulturationsprozeß

Der Kontakt zwischen den Tz´utujiles und den Spaniern löste einen Akkulturationsprozess (zum Begriff 'Akkulturation' siehe Kapitel 4.2.2.1) aus, der zwei Kulturen einbezog, die ursprünglich nichts voneinander wußten. Die spanische Kultur war zwar die dominante Kultur, aber auch unter den Eroberern stellten sich Veränderungen ein, wie Foster(15) gezeigt hat. Akkulturation resultierte aus den ständigen Interaktionen zwischen den dominaten Spaniern und den unterworfenen Tz´utujiles und war mehr als nur ein Transfer von Eigenheiten einer Kultur zur anderen. Der Akkulturationsprozess vollzog sich mit vielen Konfrontationen zwischen beiden Kulturen. Die Indianer akzeptierten, zumindest nach außen hin, was sie ihrer Meinung nach akzeptieren mußten, aber Einzelne und Gruppen müssen beständig versucht haben, zufriedenstellende Anpassungen oppositionellen kulturellen Glaubens und Handelns zu entwickeln. Selbst wenn spanische Kulturmuster angenommen wurden, ob unwillig oder enthusiastisch, wurde oftmals die ursprüngliche Intention verändert, oder ging ganz verloren. Die Spanier waren sehr erfolgreich darin, die einheimische Wirtschaft für ihre Zwecke zu verändern, wesentlich mehr Widerstand leisteten die Indianer jedoch in den Bereichen, die ihre sozialen und religiösen Vorstellungen und Sitten betrafen (Orellana 1984: 221f).

Orellana gibt den Akkulturationsprozess der Tz´utujiles nach der spanischen Eroberung in drei Schritten wieder, die ich hier kurz darstellen will.



1. Phase: Kontakt und Konsolidierung, 1524-47

Der erste Kontakt mit den Spaniern war für die Hochland-Mayas noch kein traumatisches Erlebniss. Sie betrachteten Cortés als den großen Führer eines mächtigen Königreiches jenseits des Meeres und in ihrer frühesten Phase sahen die Quiché, die Cakchiqueles und Tz´utujiles die Eroberung als eine Fortführung der vorspanischen politischen Situation. Natürlich führten die überlegene Militärstrategie und die technische Überlegenheit der Spanier schnell zur Niederlage der Hochlandindianer (Orellana 1984: 223).

Die Niederlage selbst brachte jedoch noch keine signifikanten Veränderungen im Leben der Indianer. Die Eroberer forderten Tribute, aber auch das war üblich gewesen im Hochland, wobei die Spanier die Organisationsstrukturen der indianischen Gesellschaft vorerst intakt ließen. Verantworlich für das Eintreiben des Tributs waren, wie vor der Conquista, die Führer der lineages. Die Tz´utujil-Fürsten behielten ihre Kakao-Ländereien im Piedmont, lediglich ihr eigener Gewinn war stark zurückgegangen, da die Spanier den größten Teil des Ertrages als Tribut forderten. Die Situation muß der zu Zeiten der Quiché-Herrschaft ähnlich gewesen sein, als die Tz´utujiles Tribut an K´umarcaaj zahlen mußten, nur daß die Spanier mehr verlangten. Soweit es die einfache indianische Bevölkerung betraf, waren die encomenderos, die spanischen Tributherren, weit entfernt. Für diejenigen, die auf den milpas oder Kakao-Plantagen arbeiteten, hatte sich das Leben zu dieser Zeit noch kaum verändert (Orellana 1984: 224).

Die wichtige Veränderung, die eingetreten war, war die Höhe der Tributzahlungen. Auch forderten die encomenderos wesentlich häufiger Tribute ein, als es in früheren Zeiten geschehen war. Außerdem nahmen die Spanier alles Gold und Silber, sowie alle wertvollen Steine, die die Indianer besaßen, womit sie das einheimische Handwerk, das mit diesen Dingen gearbeitet hatte, zerstörten. Um selbst etwas behalten zu können, waren die indianischen Fürsten gezwungen die Tribute noch weiter zu erhöhen, wodurch sie die Last auf ihre Untergebenen noch erhöhten. Für die einfache Bevölkerung war diese Periode durch wachsenden Streß gekennzeichnet (ebd.: 224).

Nachdem die Kämpfe vorbei waren, hatten nur wenige Indianer direkten Kontakt mit Spaniern, außer zu wenigen Priestern, die umherwandernd predigten und versuchten zu bekehren. Abgesehen von außerordentlichen Tributzahlungen und oberflächlichen Massentaufen, lief das Leben der Tz´utujiles eine Zeit lang weiter wie bisher. Einige hochgestellte Indianer, wie don Juan de Atitlán, fingen an, spanische Gewohnheiten zu übernehmen, mit dem Ziel die Privilegien ihres Standes zu behalten. Sie waren von Tributzahlungen befreit, und schon früh entstanden grundlegende soziale Unterschiede zwischen denen, die Tribute zahlten und denen, die es nicht mußten. Die Integration von Teilen des indianischen Adels in die spanische Gesellschaft spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung einer Akzeptanz für die spanische Herrschaft (ebd.: 225).

Im Allgemeinen war in der ersten Zeit nach der Eroberung die Akkulturation noch wenig fortgeschritten. Es gab nur wenige Priester, die größtenteils die indianischen Sprachen nicht genug beherrschten, um den Katholizismus effektiv zu verbreiten. Die meisten Spanier lebten in der Hauptstadt und besuchten fast nie die entfernten Ortschaften im westlichen Hochland. Am meisten litt die einfache indianische Bevölkerung unter den extremen Tributforderungen, harter Zwangsarbeit und vermehrter Sklaverei (ebd.: 225).



2. Phase: Einrichtung spanischer Institutionen, 1547-82

Nach der Einrichtung der audiencia und des corregimientos und nach den Umsiedlungen der Indianer in zentralisierte Dörfer, war der Weg für eine umfassendere Eingliederung der indianischen Bevölkerung in europäische Institutionen geebnet. Der corregidor, seine Familie und die verschiedenen Priester, die permanent in der neu gegründeten cabecera Atitlán lebten, konnten jetzt größeren Einfluß und Kontrolle auf das Alltagsleben der Indianer ausüben. Die Tz´utujiles waren zwangsweise aus ihren alten Siedlungen vertrieben worden, die Kulte um ihre Götterfiguren wurden angegriffen, zerstört oder in den Untergrund getrieben und der Bevölkerungsrückgang verstärkte sich (Orellana 1984: 225).

Die Tributzahlungen wurden stärker reguliert, blieben aber hart und die Forderungen wurden nicht an den Bevölkerungsrückgang angepasst. Die Tribute, der Kirchenbau und Erpressungen spanischer Offizieller und Priester mußten von einer kleiner werdenen Zahl von Indianern geleistet werden, auch wenn im Gebiet der Tz´utujiles der Bevölkerungsrückgang nicht ganz so dramatisch war, wie in anderen Gebieten. Die Elite der indianischen Gesellschaft verarmte, besonders, nachdem López de Cerrato die Sklaven befreite. Der Bevölkerungsschwund und das encomienda System waren die Hauptfaktoren der Nivellierung sozialer Unterschiede in der indianischen Gesellschaft (ebd.: 226).

Die Spanier führten neue politische Strukturen ein. Sie richteten das corregimiento ein, welches ungefähr dem vorspanischen Tz´utujil-Reich entsprach und den cabildo welcher die Stadtverwaltung überwachte. Der cabildo war ein erfolgreiches Mittel die lokalen indianischen Machtstrukturen zu verwalten, da es dem vorspanischen Rat ähnlich war und der indianischen Bevölkerung eine gewisse politische Beteiligung gewährte. Bei der Besetzung der Ämter des cabildo dominierte größtenteils die indianische Elite (ebd.: 226).

In gewisser Weise wirkte die Selbstverwaltung der indianischen Orte und die Trennung der spanischen von den indianischen Bevölkerungsgruppen wie ein Akkulturations-Puffer. Spanier, mit Ausnahme der Priester und der corregidores, durften sich nicht in indianischen Orten aufhalten oder gar in ihnen wohnen. Diese Politik funktionierte sehr gut in den entfernten Hochlandregionen, war aber im Küstengebiet mit seinen Kakao-Plantagen nicht praktizierbar. Hier litten die Indianer wesentlich stärker unter dem Kontakt zu spanischen Bevölkerungsgruppen, wie etwa Händlern, die die Indianer immer wieder betrogen. Der Bevölkerungsrückgang bei den Indianern dieser Region war rapide und Teile des Gebietes waren schon eher spanisch als indianisch. San Antonio Suchitepéquez wurde eine spanische Stadt. Die restlichen Indianer der Tz´utujil-Tieflandregion standen bis zum Ende des Jahrhunderts nicht einmal unter dem Schutz eines permanent ansässigen Priesters. Mißbrauch und ständiger Kontakt zu skrupellosen Kleinhändlern machten den Indianergemeinden im Küstengebiet schwer zu schaffen (Orellana 1984: 227).

Die vorspanischen Berufshändler wurden nun von der eher niedriger gestellten spanischen Klasse abgelöst. Den Handel zwischen Hoch- und Tiefland führten die Tz´utujiles jedoch als Kleinhändler weiter. In dieser Zeit begann auch die Marktregulierung durch den cabildo, die Einführung spanischer Gewichte und Maße, sowie ein vermehrter Gebrauch von Münzen als Zahlungsmittel (ebd.: 227).

Das System der lineages, chinamit und moieties blieb nach der Conquista bestehen, unterlag jedoch einigen Veränderungen, indem sich manche lineages aufgrund des Bevölkerungsrückganges zusammenschlossen und andere ausstarben (ebd.: 227).

Die katholischen Priester lehrten das Christentum in den Sprachen der Indianer und achteten darauf, daß sie die Gottesdienste besuchten. Trotzdem hielten die Indianer viele ihrer eigenen Traditionen aufrecht, indem sie nach außen hin den katholischen Glauben annahmen, ihm aber ihre eigenen Bedeutungen gaben. Solange die Bevölkerung die Messen besuchte und nicht öffentlich ihre alten Heiligenfiguren anbetete oder Menschen opferte, versuchten die guatemaltekischen Priester nicht die indianischen religiösen Praktiken radikal zu unterbinden. Die Indianer brachten den katholischen Heiligen Opfer dar, so wie sie es auch in vorspanischen Zeiten mit ihren eigenen Heiligen getan hatten und assoziierten alte Rituale mit den neuen Darstellungen. Die Kirche vereinfachte in vieler Hinsicht den indianischen Akkulturationsprozeß, denn es gab eine bemerkenswerte Kompabilität in bestimmten Aspekten der indianischen und der katholischen Religionen, besonders seit die Priester ein vereinfachtes Christentum eingeführt hatten. Auf diese Weise waren einige Aspekte der alten Religion, wie Vulkankult, alte Tänze, Opfer, Priester der alten Götterfiguren und Heiler, bei den Tz´utujiles zum Ende des 16. Jahrhunderts noch vorhanden. Andere Aspekte der alten Religion wie Opferungen Kriegsgefangener, viele Götterfiguren und ein großer Teil der ursprünglichen Kultstruktur, waren jedoch verschwunden oder verändert worden (ebd.: 228).

In der zweiten Akkulturationsphase nach der Conquista gerieten die Tz´utujiles unter einen umfassenderen Einfluß spanischer Institutionen und Kultur. Die Kontakte zu den Spaniern wurden zahlreicher, besonders im Küstengebiet, und immer mehr Aspekte der spanischen Kultur, wie Religion und Ökonomie, wurden den Indianern aufgezwungen. Die Tz´utujil-Kultur unterlag Veränderungen, sowie jeder Einzelne versuchte sich den Änderungen die ihm aufgezwungen wurden, anzupassen. Obwohl die Indianer in zentrale Ortschaften zur besseren Konvertierung und Kontrolle umgesiedelt worden waren, war es für die Priester, ihre Assistenten und die corregidores unmöglich, alle Aspekte des Alltagslebens der indianischen Bevölkerung zu überwachen. Zudem erlaubte die Politik der getrennten Bevölkerungen, wie sie die Krone betrieb, den Indianern viele Elemente ihrer früheren Lebensart beizubehalten (Orellana 1984: 229).



3. Phase: Anpassung und Neustrukturierung: 1582-1630

Zu Beginn der 3. Phase waren die meisten Neurungen im Leben der indianischen Bevölkerung eingeführt und die Arbeit am Aufbau einer indianischen Gesellschaft, die der spanischen Philosophie der getrennten Bevölkerungsgruppen entsprach, vollendet.

Um 1630 gab es in Atitlán nur noch wenige Nachfolger der indianischen Adelsschicht, obwohl don Barnabé, ein direkter Abkömmling der alten Ajtz´iquinajay Herrscher-Klasse, noch immer der Kazike war. Der Rückgang des indianischen Adels bedeutete, daß nur noch wenige Personen in Atitlán ihre adelige Herkunft beweisen konnten und damit von den Tributzahlungen befreit waren. Der Niedergang der Adelsklasse wirkte sich auch auf die Kakaoplantagen des Tieflandes aus. Der indianische Adel besaß die Pflanzungen und hatte sich um die richtige Kultivierung gekümmert. Entferntere Nachkommen erbten die Plantagen, waren jedoch tributpflichtig, sodaß viele versucht haben müssen ein solches Erbe zu umgehen. Möglicherweise haben die Nachkommen auch den Prozess der Kakaoaufzucht nicht verstanden, sodaß zum Ende des Jahrhunderts eine Entwicklung eingeleitet war, die schließlich zur Zerstörung der Grundlage des Tz´utujil-Reichtums führte (Orellana 1984: 230).

Die signifikanteste Entwicklung dieser Periode war das Aufkommen der cofradías, Bruderschaften, in denen ein bestimmter Heiliger verehrt wird und die sich um die Ausrichtung des jeweiligen Patronatsfestes kümmern. Die cofradías bildeten einen sehr erfolgreichen Teil des indianischen Lebens, da sie den Indianern die Möglichkeit boten einige vorspanische Elemente in das Dorfleben mit ein zu beziehen. Die Rituale in den cofradías waren denen der vorspanischen Zeit in vieler Weise ähnlich. Prozessionen, trinken, tanzen, Feste, Weissagungen, Heilungen und der Gebrauch des alten Kalenders lebten mit der Hilfe der cofradías, neben der Verehrung der christlichen Heiligen, weiter. Die Führer der lineages hatten ähnliche Funktionen wie in den alten chinamit-Strukturen. Sie sponserten die Zeremonien und kümmerten sich um die Heiligenbilder. Zu dieser Zeit gab es kaum noch alte große Priester und auch die alten Figurenkulte waren verschwunden, der Glaube an Naturgottheiten hatte sich aber erhalten und den katholischen Heiligen wurden viele Charakteristika der ursprünglichen Götter übertragen (Orellana 1984: 231).

Während des Akkulturationsprozesses mußten die Indianer Veränderungen in vielen Lebensbereichen hinnehmen, die stetiges Aufarbeiten und Neuanpassen erforderten. Um 1630 hatten die Tz´utujiles, als Reaktion auf die Auflagen der spanischen Kultur und ihrer Institutionen, eine umfassende Umorganisation ihrer Kultur vollendet. Die ersten hundert Jahre nach der Conquista bedeuteten für die Kultur der Tz´utujiles die tiefgreifendsten Veränderungen mit denen sie jemals konfrontiert war, die Tz´utujiles schafften es jedoch notwendige Anpassungen zu leisten und dabei die Basis ihrer kulturellen Identität zu bewahren (ebd.: 232).

 


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Betancor y fray Perdo de Arboleda. Anales de la Sociedad de Geografía e Historia de Guatemala

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2. RGA 1964: 95. (zurück)

3. Kelly, John E.: Pedro de Alvarado, Conquistador. Princeton University Press 1932: 212-14. (zurück)

4. Sanchíz Ochoa, P.: Los hidalgos de Guatemala: Realidad y apariencia en un sistema de valores. Sevilla 1976: 26. (zurück)

5. Cline, H. F.: Introductory notes of territotial divisions of Middle America. In H. F. Cline:

Guide to ethnohistorical sources. Handbook of Middle American Indians, 12: 17-62. Austin 1972: 24f. (zurück)

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7. MacLeod, M. J.: Spanish Central America: A socioeconomic history. 1520-1720. Berkley and Los Angeles 1973: 83f. (zurück)

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