4.1.2. Alternativtourismus versus Massentourismus

 

In diesem Kapitel möchte ich darstellen, was unter dem Begriff "Alternativtourismus" zu verstehen ist und ihn in Beziehung zu dem, zumeist als Gegenpol verstandenen, Begriff "Massentourismus" setzen.

4.1.2.1. Die Entwicklung zum Alternativtourismus

Als Vorläufer zahlreicher Erscheinungen des Individualtourimus heutiger Ausprägung läßt sich die "Grand Tour" des 17. bzw. 18. Jahrhunderts beschreiben (Spreitzhofer 1995: 102). Spreitzhofer bezeichnet die "Grand Tour" der Adligen, die "allmählich eine sinngemäße Entsprechung in der "Grand Tour" niedrigerer sozialer Schichten" fand, "deren Reisemotivation nicht mehr durch den Oberbegriff 'Bildung' subsumierbar war", als eine Vorstufe des "Tramping" (ebd.: 102).

Das arbeitsorientierte "Tramping" junger Männer der Arbeiterklasse, eine Vorstufe des Alternativtourismus, zumindest in der Art zu reisen, war bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein, etwa in den USA, gesellschaftlich etabliert und positiv assoziiert. Die Annäherung des ursprünglich "labour-oriented tramping" an den Tourismus als freizeit- und genußorientiertes System, wird durch eine zunehmende Romantisierung offenkundig. Die öffentliche Akzeptanz sinkt jedoch parallel zum Rückgang von Facharbeitern und dem vermehrten Auftreten von Vagabondage und Landstreicherei. Das "Tramping" verliert zunehmend gesellschaftspolitischen Rückhalt und gilt fortan als verdächtig und illegal (ebd.: 102).

Parallelen zu der Tramp-Bewegung der 30er Jahre lassen sich bei den amerikanischen "Beats" der 50er Jahre mit ihrer "Vision der großen Rucksackrevolution" (Fahrenholtz/Lorenz 1986: 134) wiederfinden und können inhaltlich als Wegbereiter der Hippiebewegung, dem eigentlichen Auslöser für großräumigen Alternativtourismus, angesehen werden (Spreitzhofer 1995: 103).

"Die "Blumenkinder" der 60er Jahre beschränkten sich nicht länger auf (passive) landesinterne Protestkundgebungen und Demonstrationen gegen das Establishment, sondern setzten aktive Zeichen auf ihrer Suche nach einer besseren Welt: Die Überlandfahrten nach Indien werden nicht nur zu den ersten Alternativreisen per se, sondern entwickeln sich indirekt zum Wegbereiter für (massenhaften) Alternativtourismus der nächsten Jahrzehnte" (ebd.: 103).

Zunächst ist die Gründung erster "Aussteigerzentren" in den 70er Jahren noch punktuell auf Gegenden beschränkt, die sich dem Hippie-Lebensstil gegenüber als tolerant erweisen. Die ersten "Freakzentren" in Asien sind Goa (Indien), Kathmandu (Nepal), Kabul (Afghanistan) und Kuta (Bali/Indonesien) (ebd.: 103). Aber auch in Mittelamerika bilden sich einige dieser Zentren heraus, unter Anderem am Atitlán See Guatemalas, hauptsächlich in Panajachel (siehe Hamer 1979), in kleinerem Maßstab aber auch in San Pedro.

Erste massive Kritik am Lebensstil der Hippie-Aussteiger erfolgt von kirchlicher Seite, wobei die bürgerliche Argumentationslinie der Tramping-Opposition weitgehend beibehalten wird. Die Hippies werden hierbei mit Drogen, sexueller Unmoral, vernachlässigter Hygiene, Verbrechen, Faulheit und Ausbeutung assoziiert (Spreitzhofer 1995: 103).

4.1.2.2. Alternativtourismus im wissenschaftlichen Diskurs

Zu Beginn der 80er Jahre hielt der Begriff "Alternativtourismus" Einzug in die wissenschaftliche Tourismusforschung. Auffällig ist hierbei jedoch die Schwierigkeit einer einheitlichen inhaltlichen Definition und Interpretation dieses Phänomens. Ein gemeinsamer Nenner sämtlicher Begriffsannäherungen läßt sich lediglich in der Abgrenzung zu (massenhaftem) Pauschaltourismus mit all seinen negativen Folgen feststellen (Spreitzhofer 1995: 105; Krippendorf 1984: 85; Armanski 1986: 145).

Verschiedene Individuen und Interessengruppen wählen bei der Betrachtung alternativen Reisens unterschiedliche Schwerpunkte und Ansätze. "Given the different backgrounds and concerns of these individuals and organisations, it is not surprising that no universally agreed or widely adopted definition of alternative tourism is to be found, nor that few explicit links between its different forms have been made." (Pearce 1994)

Laut Spreitzhofer tendieren viele Definitionsansätze zu fehlender Präzision und lassen verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zu. So auch der Erklärungsansatz der Welttourismusorganisation WTO, die Alternativtourismus als "new forms of socially responsible and environment-conscious tourism" darstellt (Spreitzhofer 1995: 105). Die desillusionierenden Folgen des Massentourismus führten dazu, daß viele Tourismusforscher und -beobachter Methoden und Richtungen der Tourismusentwicklung kritisierten und die Hoffnung auf einen alternativen Tourismus äußerten, der weitgefaßt definiert wird, "as forms of tourism that are consistent with natural, social, and community values and wich allow both hosts and guests to enjoy positive and worthwhile interaction and shared experiences" (Eadington/Smith 1994).

Einige Autoren legen Schwerpunkte bei verschiedenen tourismusspezifischen Aspekten, um einen alternativen Tourismus zu beschreiben. So definiert Dernoi Alternativtourismus über die Art und Weise der Unterbringung: "In alternative tourism (AT) the "client" receives accomodation directly in or at the home of the host with, eventually, other services and facilities offered there" (Pearce 1994).(1)

Für die Ecumenical Coalition of Third World Tourism (ECTWT), ein von Kirchen der 3. Welt getragenes Netzwerk mit Sitz in Bankok (Gormsen 1996: 30), deren Interessen und Sichtweisen bezüglich des Tourismus in den 70er und 80er Jahren entstanden sind, ist das entscheidende Kriterium eines alternativen Tourismus die Verbesserung und Intensivierung des Kontaktes zwischen Gast und Gastgeber: "Alternative tourism is a process which promotes a just form of travel between members of different communities. It seeks to achieve mutual understanding, solidarity and equality amongst participants" (Pearce 1994).(2)

Das Konzept des "Sanften Tourismus", welches in den frühen 80er Jahren besonders im deutschsprachigen Alpenraum eine gewisse Popularität erlangte (siehe Krippendorf 1984: 175ff), ist ökologisch orientiert. Ein "sanfter Tourismus" ist demnach ein Tourismus, der umweltverträglich ist und bei dessen Entwicklung ökologische Belange im Vordergrund stehen (Pearce 1994). Das Konzept des "Sanften Tourismus" ist im Gegensatz zum Alternativtourismus kein neuer Reisestil, sondern ein eigenständiger Teil der Ökologiebewegung und durch einen ganzheitlichen Anspruch zu charakterisieren: Ziel ist das optimale Zusammenwirken von Mensch, Technik, Natur und Kulur (Krippendorf 1984: 177).

Spreitzhofer sieht Alternativtourismus als ein multifunktionales System, das "nur durch ein selbstbestimmendes Faktorenbündel bestimmbar" (Spreitzhofer 1995: 105) ist, sowie als "Subsumierung gesellschaftlich relevanter Reiseaspekte unterschiedlicher Zielebenen" (ebd.: 106). Alternativtourismus umfasst denmach unterschiedliche Belange, die sich sowohl auf den Touristen und die Gastgeberkultur, als auch auf die natürliche und politische Umgebung beziehen (ebd.: 106).

4.1.2.3. Touristenkategorien

In dem Maße, wie die Definition des Begriffes "Alternativtourismus" in der Tourismusforschung vage bleibt, so vielfältig gestalten sich die Bezeichnungen für die Vertreter dieser Form des Reisens. Wurde anfangs der Billigindividualreisende noch mit dem Terminus "Hippie" gleichgesetzt, wird zu Beginn der 80er Jahre diese negativ belegte Bezeichnung von weniger assoziatiationsbeladenen Begriffen abgelöst (Spreitzhofer 1995: 106).

Die Terminologie zur Bezeichnung touristischer Kategorien variiert jedoch, abhängig vom jeweiligen Autor, sodaß keine einheitliche Beschreibung möglich ist. "Neben subjektiver Kategorienbildung stößt auch das weitgehende Fehlen jeglichen empirischen Bezuges und expliziter Kriterien zur Gewinnung und Abgrenzung einzelner Typologiekonstrukte auf allgemeine Kritik" (ebd.: 109). Trotzdem möchte ich hier einige Kategorisierungsansätze darstellen, da eine Unterteilung von Touristen nach verschiedenen Merkmalen ihrer Reiseorganisation, -motivation und Verhaltensweisen während des Aufenthaltes in den bereisten Kulturen, nicht nur notwendig, sondern auch sinnvoll ist.

Wissenschaftsintern hat sich scheinbar, laut Spreitzhofer, der Begriff "Alternativtourist" durchgesetzt, während sich die Vertreter dieser Reiseform selbst, eher als "(Budget) Traveller", "Globetrotter" oder "Backpacker" (Rucksacktourist) bezeichen. Laut Spreitzhofer "eine Reflektion der Terminologie und Werbesprache einschlägiger AT-Industrien" (ebd.: 107). Die Bezeichnung "Alternativtourist" wird aufgrund des Wortteiles "-tourist" in Travellerkreisen abgelehnt, da als ein verbindendes Element der sonst recht inhomogenen Gruppe "anders Reisender", eine Negierung der touristischen Rolle existiert (Scherrer 1986: 76). Als "Touristen" werden die anderen, die Massentouristen, bezeichnet, eine terminologische Abgrenzung in Opposition zu massentouristischen Erscheinungsformen (Spreitzhofer 1995: 107; Krippendorf 1984: 94; Gormsen 1996: 38).

Bei dem Versuch eine allgemeine Touristentypologie zu erstellen, berücksichtigte Cohen(3) 1972 erstmals auch "noninstitutionalized tourist roles". In Cohens vierteiligem Konzept übernehemen der "organized" und "individual mass tourist" die institutionalisierten Rollen, während die "drifter" und "explorer" die alternativtouristischen Gegenkonzepte bilden, ein Modell, welches laut Spreitzhofer auch zwanzig Jahre später noch als Basis der wenigen einschlägigen Alternativtourismus-Untersuchungen gilt (Spreitzhofer 1995: 107).

Der "explorer" wird als ein Typ bezeichnet, der Reiseorganisation und Fortbewegungsart selbst bestimmt und arrangiert, jedoch gleichzeitig Mindestansprüche bezüglich Komfort stellt. Gleichzeitig hofft er auf Routine, Regelhaftes und Bekanntes, wobei er über einen fixen Zeit- und Routenplan verfügt. Der "drifter" dagegen, zeigt verstärktes Interesse am Lebensstil der bereisten Regionen und Kulturen, den er zu teilen versucht. Er gilt als unpatriotisch und ideologieverachtend, zumeist aus einem Mittel- oder Oberschicht-Background stammend und neigt zu Anarchie und Hedonismus. Bei vorherrschenden Fluchtmotiven tritt er die Reise freiwillig an (Cohen 1973: 93f).

Cohen modifizierte die Darstellung des "drifting" als Teil der "counterculture" der Hippieanfänge nur wenig später selbst. Drifting wird zum Trend und auf einer Ebene institutionalisiert, die zwar getrennt ist vom Massentourismus, aber parallel zu ihm verläuft (ebd.: 90). "The 'Vermassung' of drifting and its gradual penetration by economic interests, could not but change the original non-routininized character of drifting and lead to its institutionalization; this is manifested in the emergence of such traits as fixed travelling patterns, established routines and a system of tourist facilities and services catering specifically to the youthful mass-tourist. Thus drifting, in its prevelant form, became encumbered by all those paraphernalia of mass tourism against which the original drifters rebelled because they rob the trip of its spontaneity and of the the experience of the 'real life' in the host society" (ebd.. 95). Laut Spreitzhofer ist die enge Verbindung von "drifting" und "drugs" der 70er Jahre, in den 80er Jahren nicht mehr feststellbar (Spreitzhofer 1995: 108). Eine Behauptung, die, wie ich noch darstellen werde, in dieser Absolutheit nicht zutrifft.

Auf der Basis touristischer Erfahrungswerte bietet Cohen später(4) weitere Kategorisierungsansätze. Er unterscheidet dabei zwischen "recreational", "diversionary", "experiental", "experimental" und "existential". Nach diesem Ansatz sind Alternativtouristen als Experimentier- und Existenztypen definierbar. Erstere suchen "nach alternativen Lebensentwürfen und Wertvorstellungen, (...) geben sich nicht damit zufrieden, (scheinbar) authentischens Leben in anderen Kulturen und Gesellschaften zu beobachten, sondern versuchen vielmehr für einige Zeit in andere Kulturen integriert zu werden" (Spreitzhofer 1995: 108),(5) während die "Existenztypen" ihre alternative Lebensweise bereits gefunden haben, sie jedoch nur auf Reisen verwirklichen (ebd.: 108).

Ein anderer Kategorisierungsansatz stammt von Vorlaufer.(6) Seine Typologie basiert auf der Touristenzahl und ihrer Anpassung an lokale Normsysteme. Alternativtouristen werden dabei durch die Konzepte des "Elite-Touristen" und des "Off-Beat-Touristen" repräsentiert, die "durch die Benutztung lokaler Verkehrssysteme, Unterkünfte und Gaststätten, kaum sozio-kulturelle Überformungen bewirken" (Krippendorf 1984: 59). Diesen Ansatz stellt Spreitzhofer in seiner Studie zu Alternativ- und Massentourismus zur Diskussion und versucht ihn zu widerlegen (Spreitzhofer 1995: 108).

Nach "adventurer", "worrier", "dreamer", "economizer" und "indulger" differenziert eine US-Gallup-Umfrage, wobei sich Alternativtouristen in das Konzept des "adventurer" einordnen. Dieser Touristentyp gilt als unabhängig und selbstbewußt, "they like to try new activities, meet new people and experience different cultures","travel plays a central role in their lives" (Spreitzhofer 1995: 108).(7)

Auch Köck bezeichnet Alternativtouristen als 'Abenteuertouristen', die anhand ihrer Abenteurreisen eine Vermehrung kulturellen Kapitals anstreben (Köck 1993: 195). Er versucht die Frage zu klären, welches Interesse Menschen haben, die in ihrem Alltag Bankangestellte, Lehrerinnen, Pädagogen, Studenten oder Ingenieure sind, in ihrem Urlaub Himalaya-Expeditionen oder Dschungeltouren zu unternehmen. Nach Bourdieu(8) ist das Streben nach der ständigen Produktion und Reproduktion des kulturellen Kapitals ein typisches Merkmal der akademisch-geisteswissenschaftlichen Berufe, aber auch der Ingenieure und der medizinischen Berufe, sowie der neuen Angestelltenschicht. Das Kompetenzkapital, das sich aus Weltkenntnis, Beherrschung der Natur und der natürlichen Umwelt, Kenntnis von Land und Leuten, Fremdsprachenbeherrschung usw. zusammensetzt, soll durch Abenteuerreisen vermehrt werden (ebd.: 195).

Soweit zu den unterschiedlichen Bezeichnungen und Konnotationen verschiedener Autoren für Alternativtouristen. Ich werde später, in meinem Kapitel zum Alternativtourismus in San Pedro, selber die Touristen die im Ort anzutreffen sind, in Kategorien unterteilen, wobei ich mich jedoch dem Kriterium der Verweildauer vor Ort zur Unterscheidung bedienen werde.

4.1.2.4 Kritik am Alternativtourismus

Wurde zu Beginn der 80er Jahre Alternativtourismus noch eher als Chance und Hoffnung auf eine kulturell und ökologisch vertäglichere Tourismusvariante betrachtet, so häuften sich im Laufe der Zeit kritische Stimmen. Anfangs war die Kritik, hauptsächlich kirchlicher Einrichtungen, noch geprägt von bürgerlichen Argumentationslinien: "Das herkömmliche Wissen in den Gastländern assoziiert die "Hippies" mit Drogen, sexueller Unmoral, vernachlässigter Hygiene, Verbrechen, Faulheit und Ausbeutung. Es gibt Beweise dafür, daß diese Anschuldigungen alle wahr sind (...) Der Zynismus und die Ziellosigkeit, charakteristisch für die Gemeinschaften junger Menschen in (...) populären Absteigerorten in Asien, ist äußerst entmutigend (...)" (Spreitzhofer 1995: 103).(9)

Weitere Kritik richtet sich gegen eine "Sparbrötchenphilosophie" (Wahrlich 1984: 171) der "sogenannten Abhau- und Rucksacktouristen" (ebd.: 170). Zur Kritik werden Alternativreiseführer mit Titeln wie "Um die Welt fast ohne Geld" (Schablow 1980) herangezogen, in denen Tips zum Geldsparen auf Reisen gegeben werden, die zum Teil eindeutig Ausbeutungscharakter aufweisen. So wird in einem Reiseführer empfohlen, in Sarawak/Ostamalaysia in einem Langhaus unterzukommen und dadurch Geld für die Pension zu sparen: "Höflich ist es, den Langhausbewohnern kleine Geschenke mitzubringen, Süßigkeiten für die Kinder, Zigaretten für die Erwachsenen. Da du wahrscheinlich zum Essen eingeladen wirst, während du da bist, wird es dir nicht wehtun, ein paar Dosen mit Essen als Gegengabe mitzunehmen. Falls du planst, dort auch zu übernachten, nimm so viel mit, wie du selbst essen wirst. Ein persönliche Einladung brauchst du nicht, die Leute auf dem Boot wissen meist, zu welchen Häusern man so gehen kann. Du gehst einfach hin, grinst, und dann wirst du eingeladen, dir alles anzuschauen. Um ein richtiges Gefühl fürs Langhaus zu kriegen, bleib über Nacht da, oder auch länger, oder reise von Langhaus zu Langhaus die Flüsse hoch." (Wahrlich 1984: 171).

Auch auf Fidschi wurden Mitte der 70er Jahre die abgelegenen Yasawa-Inseln zum Ziel von Rucksacktouristen, die nach Auffassung des Fidji Visitors Bureau (FVB) wenig Geld hatten und auf Kosten der Einheimischen lebten. "Frequently, the hosts are embarrassed because they cannot offer more. Sometimes, understandable, they get annoyed with 'the man who came to dinner'" (Kahrmann 1995: 180).(10) Die Diskussion um diese Touristen führte dazu, daß heute jeder Tourist, der in abgelegene Regionen Fidschis reisen möchte, eine Sondergenehmigung braucht. Um die Einheimischen vor Negativeinflüssen des Tourismus zu schützen, propagiert die fidschianische Regierung das Konzept des Massentourismus in Form von "Ghetto"- bzw. Resort-Tourismus als das bessere Tourismus-Konzept. "Einheimische, die bereits Erfahrungen mit Rucksack- und Resort-Touristen gemacht haben, sind der Meinung, daß Resort-Touristen die besseren Touristen sind, denn diese würden mehr Geld ins Land bringen. Die Rucksacktouristen lebten dagegen auf ihre Kosten, und die fidschianische Etikette verbiete es, von ihnen Geld zu verlangen" (Kahrmann 1995: 180). Aber, so Kahrmann: "Der Einfluß der Regierung auf diese Meinung ist hier nicht von der Hand zu weisen" (ebd.: 180).

Weitere Kritik am Alternativtourismus betrifft seine Stellung als eventuellen Wegbereiter für Massentourismus (z.B. in Goa/Indien siehe Bender 1994: 372ff). Der kontinuierliche Aus- und Aufbau von alternativtouristischen Einrichtungen bewirkte im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte eine verstärkte Kommerzialisierung nicht nur in den westlichen Quelländern, sondern führte zur Schaffung alternativtouristischer Infrastrukturen und zur Popularisierung travellerspezifischer überregionaler Trampelpfade (Spreitzhofer 1995: 203). Auf der Suche nach touristisch noch nicht erschlossenen Gebieten können Alternativtouristen als Wegbereiter für einen massenhaften Tourismus wirken: "Alternativtourismus nimmt (...) die Vorreiterrolle für großflächigen Pauschaltourismus ein; die Erforschung der 'letzten weißen Flecken' auf der touristische Landkarte ("Geheimtips") macht Traveller damit unbewußt zu Speerspitzen des Massentourismus" (ebd.: 205) (siehe auch: Krippendorf 1984: 86; Gormsen 1996: 32).

Die Abgenzung des Alternativtourismus vom Massentourismus wird zu Beginn der 90er Jahre immer schwieriger, da Alternativtourimus selber zum Massenphänomen geworden ist (Spreitzhofer 1995: 109ff). "Massentouristischer Alternativtourismus ist ein Produkt der 80er Jahre, die idealisierte Gegenüberstellung 'Alternativtourismus versus Massentourismus' ist (in der Theorie) nur mehr eingeschränkt anwendbar und (in der Praxis) von der realen Entwicklung großteils überholt" (ebd.: 111). Laut Spreitzhofer ist die These, daß Alternativtourismus lediglich Massentourismus auf budgetär niedrigem Niveau ist, nicht gänzlich verwerfbar.

Laut Armanski handelt es sich beim Alternativtourismus um eine "subkulturelle Variante des Massentourismus" (Armanski 1986: 147). Diese Definition trifft meineserachtens heute bei vielen alternativtouristischen Reiseformen den Kern, auch wenn ich sonst die Analyse und Kritik Armanskis nicht rundum teile und auch nicht der Meinung bin, daß der Alternativtourismus "den Einheimischen nicht einmal Geld bringt" (ebd.: 147).

 


1. Zitiert nach: Dernoi, L. A.: Towards a new style in North-South Relations: The example of Alternative Tourism. In: IFDA Dossier. Nyon Nr. 25 (Sept.-Okt. 1981). (zurück)

2. Zitiert nach: Holden, P. (Hg.): Alternative Tourism, with a Focus on Asia. Ecumenical Coalition on Third World Tourism. Bankok 1984. (zurück)

3. Cohen, E.: Towards a Sociology of International Tourism. In: Social Research 39 (1), 1972, 164-81. (zurück)

4. Cohen, E.: A Phenomenology of Tourist Experiences. In: Sociology 13, 1979, 185-92. (zurück)

5. Zitiert nach: Stohrbeck, D. (Hg.): Moderner Tourismus. Tendenzen und Aussichten. Materialien zur Fremdenverkehrsgeographie, 2. Aufl., Heft 17, S. 336, Trier 1990. (zurück)

6. Vorlaufer, K.: Ferntourismus und Dritte Welt. Studienbücher Geographie, Frankfurt a. M. 1984. (zurück)

7. Zitiert nach: Lowyck, E.: Typologies of Tourist Roles. In: Johnson, P.; Thomas, B. (Hg.): Choice and Demand in Tourism. Mansell, London 1992, S. 24. (zurück)

8. Bourdieu, P.: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M. 1982. (zurück)

9. Zitiert nach: O´Grady, R.: Zwischenlandung Dritte Welt. Ein Beitrag zur Tourismuskritik. Frankfurt a. M. 1982, S. 22. (zurück)

10. Zitiert nach: Hosting and Purchasing, July 1974, 10. (zurück)

 

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