St. Benedikt (Stifter 2)

"Auf der rechten Seite ist der geistliche Stifter, ebenfalls mit einem rechteckigen Nimbus, dargestellt (Abb. 37). Er ist zur Mittelnische hingewendet und hält Christus das Modell einer Saalkirche entgegen. Auch für diese Stifterfigur liefert die Forschung verschiedene Deutungen, die von einem einfachen Priester bis hin zum Abt von Müstair reichen. Die von der älteren Literatur nicht weiter beachtete liturgische Gewandung - Albe, Dalmatica und Kasel - gibt indessen zu erkennen, dass es sich um einen höheren Geistlichen handelt. Auch lassen die bedeutende Ausstattung der Kirche sowie ihre Lage an einer wichtigen Durchgangsstraße wohl am ehesten das Bildnis eines Churer Bischofs vermuten. Immerhin war die Kirche laut der bekannten Schenkungsurkunde an das Kloster Müstair vor 1170 im Besitze des Churer Bischofs. Diese These wird bekräftigt durch die rote Farbe der Kasel.
Als historische Personen kommen folgende Bischöfe von Chur in Betracht:

  • - Bischof und Praeses Remedius, um 800.
  • - Bischof Viktor III., erstes Viertel des 9. Jahrhunderts.

Die Darstellung des letzteren ist allerdings aus kirchenpolitischen Gründen eher unwahrscheinlich. Mit der Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung vollzog sich ein Machtverlust der Kirche, der zu seiner Amtszeit eskalierte. Dieses Stifterbild mit gleichwohl memorialen Charakter entspricht dem typischen Dedikationsbild.
Betrachtet man die beiden Stifterbilder zusammen, so wird man am ehesten im Laien den Stifter, d.h. Geldgeber und/oder Schenker großer Besitzungen erblicken können, wohingegen der Geistliche wohl als Ausführender anzusprechen ist. Die Deutung der Stifter ist von nicht unerheblichem Interesse für die Datierung der Fresken.
Es bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten: bei einer Datierung der Fresken vor 807 ('Divisio regnorum') kann es sich in den Bildnissen nur um einen Churer Bischof und einen Großen mit Allodialbesitz oder einen Mächtigen, der mit dem Schutz der Alpenpässe beauftragt war, handeln. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich das Amt des Praeses und des Bischofs in Personalunion vereint. Bei einer Datierung nach 807 wäre an Bischof Remedius und den Grafen Hunfried zu denken."

Stifter_farbig

geistlicher Stifter (Detail)

© Frasnelli-Keitsch, Bozen, 2000

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Erstellt am 3.6.2000, Geändert am 20.2.2010.

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