7. Flugvorbereitung

von Matthias Schündehütte

Flugkarten und Streckenplanung

Flugkarten

Eine vernünftige Flugkarte ist die Grundlage jeder guten Flugvorbereitung. Nur gehen leider die Vorstellungen von „vernünftig“ zwischen Pilot und Gesetzgeber bisweilen etwas auseinander. Der Gesetzgeber besteht auf der aktuellen(!) ICAO-Karte im Maßstab 1:500.000, in der alle Luftrauminformationen und Funkfrequenzen eingetragen sind. Das Ding ist also schon mal drin in der Fliegertasche. Und natürlich brauchen wir die Informationen, die dort drinstehen, dringend auch zur Flugvorbereitung, nur – sowohl als Planungs- als auch hinterher als Flugkarte gibt es unseres Erachtens wesentlich schönere Exemplare als nun gerade die ICAO-Karte.

Das liegt zuallererst einmal an dem ausgesprochen reliefschwachen Kartenbild, in dem nur die größten Alpenzüge auf den ersten Blick erkennbar sind. Dann sind aufgrund des großen Maßstabes nur noch wenige Berge eingezeichnet – das erschwert das Umsetzen von Flugberichten ungemein, weil man die ganzen Stellen, von denen einem erzählt wurde, nicht wiederfinden kann. Auch sind alle Höhen in Fuß eingetragen. Für den Motorflieger enorm praktisch, für uns Segelflieger leider etwas an der Realität vorbei. Und schließlich ist der Maßstab für unsere anfänglichen Strecken einfach unpassend. Eine gute 1:200.000 Karte kann das Gebiet vom Grimming bis zum Gerlos, vom Chiemsee bis zum Alpenhauptkamm wesentlich besser darstellen.

Umschauen loht sich also, man kann leicht mal eine Stunde in einem gut sortierten Kartenladen verbringen und die verschiedenen Hersteller vergleichen, die Unterschiede sind durchaus deutlich und die persönlichen Geschmäcker verschieden. Die Lieblingskarte des Verfassers ist die 1:200.000er Straßenkarte "Land Salzburg" des Wiener Verlags Freytag & Berndt. Sie reicht, wie gesagt, vom Grimming bis zum Gerlos, hat ein sehr plastisches Kartenbild und es sind viele der Berge, die immer Erwähnung finden, auch eingezeichnet. Um sich seine ersten „Streckenflugsporen“ zu verdienen, etwa mit den Strecken aus Jan's Text "Hinter der Steinplatte…", reicht die Karte jedenfalls allemal. Anhand der Kartenausschnitte in dem Steinplatten-Text kann man sich das Kartenbild ja auch schon mal vorab ansehen.

Werden die Strecken dann später auch mal größer, ist der Wechsel auf eine Karte mit größerem Maßstab selbstverständlich angeraten. Empfohlen sei hier die "Österreichische Karte 1:500 000 (Topographische Ausgabe)" des Wiener Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen (BEV) [1]. An das topographische Kartenbild muß man sich aber u. U. erst einmal gewöhnen …

Haben wir uns nun für eine Karte unserer Wahl entschieden, gilt es, sie zu unserer Karte zu machen. Das beginnt mit dem Eintragen der wesentlichen Informationen aus der ICAO-Karte (sofern es nicht doch die ICAO-Karte geworden ist).

Hierunter sind Informationen über die Luftraumstruktur wie Kontrollzonen (Innsbruck), Flugbeschränkungsgebiete (ED-Rs und LO-Rs) sowie die Flugplatzinformationen zu verstehen. Nicht zwingend erforderlich sind die Gefahrengebiete (LO-Ds), da der Einflug in solche Gebiete auf eigenes Risiko(!) durchaus erlaubt ist. Schaut man sich die ICAO-Karte unter diesem Aspekt einmal an, so erkennt man schnell, dass nur die Kontrollzonen von Innsbruck und evtl. Salzburg in unsere Karte übertragen werden müssen. Auf deutscher Seite gibt es dazu noch das ED-R 142 südlich von Bad Reichenhall. Die hier gemachten Angaben können aber mittlerweile veraltet sein und sind auf jeden Fall anhand der aktuellen Unterlagen zu überprüfen! Dies gilt im Besonderen für den Luftraum "D" im Kaisergebiet, der seit 25. Dezember 2003 auf 9500 ft MSL abgesenkt worden ist (SRA V Innsbruck).

Wichtig für uns sind die Flugplätze mit ihren Frequenzen. Aber nicht nur das. Auch die Höhe der Landebahn wird bei der weiteren Flugvorbereitung noch wichtig werden, ferner der Name der Flugfunkstelle ( oft FLUGPLATZ statt INFO wie in Unterwössen) und die ganz Peniblen können auch gleich herausschreiben, ob eine Rechts- oder eine Linksplatzrunde für den Segelflug(!) jeweils üblich ist.
Die meisten Flugplätze sind ja mittlerweile im Internet präsent, so daß man sich die erforderlichen Informationen leicht zusammenholen kann. Ein Einstiegspunkt ist etwa das Flugplatzverzeichnis Österreich oder auch die Flugplatzliste bei aviator.at. Einige Flugplatz-Homepages bieten sogar gleich die JEPPESEN Anflug-Karten und -Beschreibungen an.

Gewarnt sei hier davor, die Meter-Angabe neben der Flugplatzfrequenz in der ICAO-Karte für die Flugplatzhöhe zu halten, so wie es mir unterlaufen ist – es handelt sich hier um die Landebahnlänge.

Diese Informationen benötigen wir nun auch für die „offiziellen“ Landewiesen in der betrachteten Region. Wir finden sie bei Christian Hynek's www.streckenflug.at. Nur JEPPESEN-Karten gibt es dafür (noch) nicht…

Jetzt haben wir also schon ein ganz beruhigendes Netz von „Rettungsinseln“ in unsere Karte eingetragen. Gerade die Umgebung des Unterwössener Flugplatzes ist, wie wir jetzt sehen, ausgesprochen komfortabel was Aussenlandungen betrifft. Mit Kufstein, St. Johann und Zell am See haben wir sogar richtige Flugplätze an recht zentralen Stellen. Sie lassen sich im Fall von Absaufern gut erreichen und der Rücktransport (oder auch Neustart) kann bequem per Flugzeugschlepp erfolgen.

„Wie hoch muß ich denn jetzt mindestens sein, um diesen Flugplatz oder jene Wiese noch erreichen zu können? Oder fliege ich doch besser zu der anderen Wiese? Kann ich hier noch nach Thermik suchen oder sollte ich mich langsam besser in Richtung Flugplatz verdrücken?“

Um solche Fragen mit einem Blick in die Karte beantworten zu können, hilft es, sich Entfernungskreise bzw. -kegel um die möglichen Landestellen einzuzeichnen, die die Höhe des Landeplatzes ebenso berücksichtigen wie das Gleitvermögen des Flugzeuges und dabei natürlich noch einiges an Reserven für Saufen, Gegenwind etc. miteinbeziehen. Übliche Werte in der Alpenfliegerei für Flugzeuge mit Gleitzahlen > 30 sind:

Diese Annahmen sind natürlich Quell endloser Diskussionen und fragt man drei Segelflieger wird man sicherlich mindestens sechs abweichende Meinungen hören – trotzdem seien diese Zahlen als ganz pauschale Daumenwerte hier einmal verwendet. Es steht natürlich jedem frei, für seine persönliche Flugvorbereitung andere Werte zu nehmen. Ist man beispielsweise mit einer K8 unterwegs, erscheint das auch dringend angebracht. In diesem Fall ist eine Gleitzahl von 25 sicherlich zu optimistisch bzw. beinhaltet keinerlei Reserven mehr.

Um die Übersichtlichkeit der Karte nicht allzusehr zu beeinträchtigen, empfehlen wir maximal drei Kreise für die Höhen 1500 MSL, 2000 MSL und 2500 MSL einzuzeichnen. Je nach persönlichem Geschmack natürlich auch weniger. Am Beispiel des Flugplatzes St. Johann sei die Berechnung der Radien einmal vorgeführt:

Der Flugplatz liegt in einer Höhe von 670m MSL. Zuzüglich unserer gewünschen Ankunftshöhe von 500m GND ergibt dies eine Ankunftshöhe von 1170m MSL. Bis zum ersten Kreis bei 1500m MSL bleiben somit 330m zum Abgleiten, bei einer angenommenen Gleitzahl von 25 sind das also 8250m bzw. 8,25km Radius. In der 200.000er Karte somit ein Kreis um St. Johann mit 41,25mm Radius. Entsprechend für 2000m MSL (20,75km bzw. 103,75mm in der Karte) und für 2500m MSL (33,25km bzw. 166,25mm in der Karte).

Trägt man sich diese Kreise für alle Flugplätze der Umgebung und ggf. auch für die wichtigen Aussenlandeplätze ein, so bekommt man sehr schnell ein Gefühl dafür, wo es eng wird, wo man hoch bleiben sollte und in welchen Bereichen man auch mal etwas intensiver nach Thermik suchen kann. Oder auch, auf welchen Routen man zweckmässigerweise suchen sollte, damit man den Entfernungskegel nicht verlässt. Beachten muss man dabei natürlich, dass man in den Alpen keineswegs immer Luftlinie fliegen kann, sondern im Zweifelsfall wieder ein Berg im Weg herumsteht. Aber es sind ja gewisse Reserven einkalkuliert, ein kleiner Schlenker ist schon noch drin – 500m Ankunftshöhe sind ja z.B. eher komfortabel zu nennen.

Damit sind wir mit der Aufbereitung unserer Flugkarte weitgehend fertig. Sinnvoll ist es u.U. noch, die Talwindrichtung der einzelnen Täler einzuzeichnen, um in einer Aussenlandesituation nicht lange überlegen zu müssen. Abgeraten sei aus eigener Erfahrung heraus vor dem Einzeichnen von sog. „sicheren Thermikstellen“. Je mehr Leute man danach fragt, desto mehr Stellen bekommt man auch genannt und schliesslich ist fast jeder Berg der näheren Umgebung markiert – sinnlos.

Diese Kartenarbeit bietet eine Orientierungshilfe, die dem Einsteiger in den Alpenstreckenflug dabei helfen soll, mit der begrenzten Zahl von Landemöglichkeiten umzugehen. Sie soll einen Teil der Optionen bereitstellen, die einen Flug in jeder Situation sicherer machen. Und sie ermöglicht es, bereits im Winter bei der Flugvorbereitung ein Gelände für den Segelflug zu erkunden und so einen Teil der erforderlichen Ortskenntnis zu schaffen.

Streckenplanung

Für die Einstiegsstrecken bis etwa 300 km ist es sicherlich nicht erforderlich, eine bis in's Letzte ausgetüftelte Streckenplanung zu erstellen. Trotzdem können einige Überlegungen zu dem Thema nicht schaden und uns einen ersten Einblick in die Probleme des Streckenflugs in den Alpen liefern.

Wichtig ist es aber auf jeden Fall, überhaupt eine Streckenplanung zu machen. Wer nur mal so „Sightseeing“ fliegt, sieht eben gerade meist nicht so besonders viel, weil ihm das Ziel und somit der Ansporn fehlt. Eine persönliche Aufgabe im Kopf oder sogar im Logger hilft ungemein beim zielstrebigen erkunden der Landschaft.

Die Punkte, die von Anfang an Einfluss auf unsere Streckenplanung haben, sind:

Tagesgang der Sonne

Die Einstrahlungsrichtung der Sonne wandert im Tagesverlauf von Ost über Süd nach West. Dies bedeutet für uns, dass Vormittags Südosthänge bessere Kandidaten für ergiebige Thermik sind als etwa Westhänge. Nachmittags steht die Sonne entsprechend für Südwest- und (gegen später) Westhänge günstiger als für unsere Südost-Favoriten vom Vormittag. Nun ist die Berücksichtigung der Einstrahlrichtung in den Zeiten intensiven Sonnenscheins nicht von existenzieller Bedeutung, da die Strahlungsenergie der Sonne dann so hoch ist, dass auch ein etwas schräger Winkel durchaus noch Thermik entstehen lässt. Aber am Vormittag sind es sicherlich die Ost- bzw. Südosthänge, die als erste nutzbare Thermik erwarten lassen. Und wenn wir am Nachmittag, natürlich wieder viel zu spät, doch noch nach Hause wollen, empfiehlt es sich einfach, nach Südwest- und Westhängen ausschau zu halten.

Besonders die Einstrahlungsrichtung ab Nachmittag ist auch von genereller Bedeutung für unsere Streckenplanung: Wer schon einmal im Herbst geflogen ist, weiss, wie anstrengend und gefährlich die tiefstehende Sonne für den Piloten ist. Dies gilt natürlich auch im Sommer, wir sollten also unsere Flüge nach Möglichkeit so planen, dass wir zum Ende des Vorhabens hin in östliche Richtung fliegen, die Sonne also im Rücken haben. Damit beantwortet sich auch meist die Frage nach dem Drehsinn bei Dreiecksflügen. So ist die Reihenfolge Grimming-Gerlos sicherlich besser als zuerst den Pass zu besuchen und dann die lange Strecke von Niederöblarn nach Unterwössen gegen die Sonne zu fliegen.

Gegen die Sonne fliegen bereitet auch noch weitere Schwierigkeiten, wenn man Bergzüge queren muss und nicht an ihnen entlangfliegen kann: Gegen die Sonne fliegt man immer gegen die Schattenseite der Berge, muss also jedes Mal erst über den (Gipfel-)Grat bzw. um den Bergzug herum fliegen. Und das auch noch mit reichlich Sicherheitsabstand, da im Schatten kaum Hindernisse erkannt werden können. Das behindert das Vorwärtskommen erheblich, senkt die Durchschnittsgeschwindigkeit deutlich und führt zu einer mühsamen Fliegerei.

Kurz:
Du willst nicht gegen die tiefer stehende Sonne fliegen!
Das lässt sich nicht immer umgehen, aber es sollte bereits bei der Streckenplanung berücksichtigt und dadurch so weit irgend möglich vermieden werden.

Am Vormittag gilt es auch noch einen Nebeneffekt des Sonnenstandes zu berücksichtigen: Es dauert, bis die Wärme der Sonne die nächtliche Talinversion auf- bzw. weggeheizt hat. Das bedeutet aber, dass etwa Steilwände wie die Sonnwendwand (Steinplatte), deren thermikerzeugende Bergfußbewaldung tief unten im Tal liegt, vormittags deutliche „Startschwierigkeiten“ haben. Was oben für die Ost- und Südosthänge am Vormittag gesagt wurde, gilt nur für die hohen Hänge, die sicher aus der Talinversion herausragen.

Geländebezogene Streckenwahl

Wer einmal den „Pinzgauer Spaziergang“ entlanggeflogen ist, weiss, was damit gemeint ist. Es handelt sich hier um ein Paradebeispiel einer tragenden Geländelinie – ein schnurgerader (na ja, fast…) Gebirgszug in Ost-West-Richtung von etwa 50 km Länge, d.h. ein eben so langer Südhang(!), über dessen Grat man meistens fast eine halbe Stunde geradeausfliegen kann ohne auch nur ein Mal Kurbeln zu müssen. Und solch ein Gelände ist noch nicht einmal eine besondere Ausnahme in den Nordalpen; Inntal und auch das Ennstal sind weiter Beispiele für solche „Rennstrecken“, die wir natürlich gerne bei unserer Streckenplanung berücksichtigen. Das Dreieck Unterwössen-Grimming-Gerlos ist ein gutes Beispiel für die Einbeziehung von diesen optimalen Landschaftsstrukturen.

Solche Geländeabschnitte ersparen uns das Kreisen in der Thermik und verbinden den Höhengewinn mit dem Weiterkommen ideal. Dies gilt natürlich auch im kleinen. Daher sollten wir jeden auch noch so kleinen Aufwind, der am Wegesrand quasi „herumliegt“, mitnehmen. Der meist kleine Umweg lohnt sich auf jeden Fall und verbessert unsere Gleitzahl spürbar. Mit jedem Meter, den wir nicht sinken, kommen wir wieder mindestens 30 Meter weiter. Das betrifft selbstverständlich nicht nur thermische Aufwinde sondern gilt ebenso für Hangwind. Wo in der Näher der Kurslinie ein angeströmter Hang ist – nichts wie hin, den nehmen wir unbedingt mit! Entsprechend versuchen wir Leegebiete besser zu umfliegen. Selbst wenn wir mit hoher Fahrt durch ein solches Gebiet hindurchschiessen verlieren wir doch meist mehr Höhe, als wenn wir den Bereich clever umfliegen.

Das klappt nicht gleich perfekt, es bedarf schon einiger Erfahrung, um das oben gesagte auch nur so einigermassen umzusetzen. Selbst ein Jochen von Klackreuth war schon lange kein Anfänger mehr, als er sich bei einem Sightseeing-Flug mit Siggi Kier sagen lassen musste: „Nimm die hellen Kanten unten mit, nicht stur geradeaus. Da geht überall was hoch.“

Thema von Folge 8: „F-Schlepp von Unterwössen: Alternative Ausklinkpunkte“


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