F-Schlepp von Unterwössen

Alternative Ausklinkpunkte – größere Ausklinkhöhen

von Jan Lyczywek

In Unterwössen herrscht morgens oft eine gewisse Phantasielosigkeit, was die Ausklinkpunkte aus dem F-Schlepp betrifft: alles, was Flügel hat, läßt sich zum Rechenberg schleppen – weil es dort angeblich immer geht, weil die ersten, die dort hingeschleppt wurden, ja beweisen, daß man dort zumindest nicht absäuft, und auch schlicht aus Gewohnheit.

Besonders an schwachen Tagen führt das aber zu einer oft recht hohen Flugzeugdichte. Sarahs Unfall hat uns auf tragische Weise vor Augen geführt, daß damit auch große Gefahren verbunden sein können. Dabei möchte ich unbedingt eines betonen: ich behaupte auf keinen Fall, daß dies die alleinige Ursache des Unfalls war, oder daß er bei geringerer Verkehrsdichte zuverlässig hätte verhindert werden können. Aber dennoch sollte uns dieser Unfall für alle Themen sensibilisieren, die ein wenig zur Flugsicherheit beitragen können.

Ein Weg dazu könnte es sein, daß wir uns einmal überlegen, welche Alternativen wir zum Standard-Ausklinkpunkt Rechenberg haben, und auch welche Alternativen es zur Standard-Ausklinkhöhe von um 1000 Meter über Platz gibt.

Ausklinkhöhe

Es ist eine alte Weisheit, daß die oberen 200, 300 Höhenmeter die billigsten sind. Klinkt man tief, riskiert man den ganzen Schlepp – ein zweifelhafter Poker: Wetteinsatz ist die gesamte Schleppgebühr, der mögliche Gewinn ist es gerade mal, obenzubleiben und nicht abzusaufen. Schleppt man dagegen nur ein bißchen höher, dann ist der Einsatz eben die zusätzlichen paar Euros für die Extra-Höhenzulage, der Gewinn ist zunächst ganz direkt die größere Ausgangshöhe, die man schon mal nicht mühsam erkurbeln muß. Darüber hinaus kann der Gewinn aber auch deutlich besseres Steigen sein, wesentlich einfacheres Wegkommen und damit ein besserer Start in den Flug. Diese Ersparnis kann durchaus in der Größenordnung einer halben Stunde liegen – ein lohnender Deal. Gründe dafür: vor allem fliegt man von Anfang an höher über der Talinversion und damit in labilerer Luft mit besseren Steigwerten. Hinzu kommt aber auch, daß man einfach mehr mögliche Auslöser abfliegen kann, bevor man unter die Kanten und schließlich in die Inversion sinkt.

Für die Flugleistung lohnt sich der höhere Schlepp also. Für die Flugsicherheit aber auch: zum einen blockiert man aus der größeren Ausgangshöhe weniger Luftraum und den wegen der besseren Steigwerte auch weniger lange. Und außerdem – dieser Faktor sollte nicht unterschätzt werden – mit mehr Abstand zu den Graten und in einem vernünftig organisierten Bart bleibt man lockerer, ist weniger gestreßt und kann sich weit besser der Luftraumbeobachtung widmen. Ein Pilot dagegen, der in zerrissenen Nullschiebern unter der Kante herumbohrt, hat sicherlich weniger Konzentration übrig für die anderen Flugzeuge um ihn herum.

Also, Leute: laßt euch ein paar Meter höher schleppen! Es lohnt sich, erst in 1200 bis 1400 Metern über Platz das Seil zu werfen. Im Schnitt kosten in Unterwössen hundert Höhenmeter mit einem Einsitzer gut drei Euro. Wer über diese Kosten jammert, der sollte sich mal vorrechnen, was bei den üblichen Charterpreisen 30 Minuten langweiliges und mühsames Herumgebohre kostet (was ja wohl nicht die Art Fliegerei ist, für die man den Flieger chartert), oder gar, wie ein Absaufer in der Kosten-Nutzen-Bilanz zu verrechnen ist, für den man ja neben der Schleppgebühr auch noch mindestens 45 Minuten Flugzeitgebühr in den Sand setzt. Und als Privatflieger sollte man tunlichst gar nichts nachrechnen, was die Kosten der Fliegerei angeht.

Ausklinkpunkte

Sicherlich ist der Rechenberg ein sehr bewährter, sehr zuverlässiger Ausklinkpunkt. Aber er ist nun einmal bei weitem nicht der einzige mögliche Auslöser innerhalb der Reichweite unserer Schleppzüge. Rechnen wir die einmal nach: einen Kunststoffeinsitzer schleppt man mit um 100 km/h und im Schnitt beträgt die Schleppzeit zu den üblichen Klinkhöhen am Rechenberg 12-13 Minuten, davon etwa 10 Minuten am Seil. Wir legen also gut und gerne 16 Kilometer im Schlepp zurück und innerhalb dieses Umkreises können wir unsere Klinkpunkte suchen.

Und da bietet sich einiges an: Dürrnbachhorn, Hörndlwand, Hochfelln, Jochberg, Rauhe Nadel, Hochplatte sind nur die am nächsten gelegenen denkbaren Klinkpunkte.

Die Entfernungen zum Platz, und die Höhen der jeweiligen Gipfel:

Berg Entfernung Höhe über Platz Höhe MSL
Dürrnbachhorn 14 km 1221 m 1776 m
Hörndlwand 11 km 1136 m 1691 m
Hochfelln 9,5 km 1116 m 1671 m
Hochgern 6 km 1189 m 1744 m
Rauhe Nadel 3,5 km 805 m 1360 m
Hochplatte 3 km 1032 m 1587 m
Rechenberg 6 km 840 m 1395 m

Dürrnbachhorn, Hörndlwand und Hochfelln

Insbesondere diese drei Berge sind sehr selten angeflogene Klinkpunkte. Dabei sind sie aber keineswegs schlecht, wenn man ohnehin den Abflug nach Südosten plant:

Zwei Dinge sind bei all diesen Vorteilen allerdings unbedingt zu beachten:

Hochgern und Jochberg

Diese bereits relativ häufig genutzten Ausklinkpunkte liegen zwar nahe am Rechenberg, bieten aber einen guten Kompromiß zwischen Zuverlässigkeit, Schleppzeit und nötiger Klinkhöhe. Zudem kann man sich auch bei einem eigentlich zum Rechenberg geplanten Schlepp noch sehr spät, sogar auf Rechenberg-Klinkhöhe (1000-1100 m über Platz) noch umentscheiden und diesen Wunsch per Funk dem Schlepper mitteilen. Auf dem Weg vom Rechenberg zum Hochgern werden dann die ohnehin nötigen zusätzlichen Höhenmeter erschleppt. Und wenn Hochgern oder Jochberg einmal nicht gehen, kann man sich immer noch zum Rechenberg abseilen. Vorsichtig sein muß man allerdings, daß die Pulks von Jochberg und Rechenberg nicht ineinanderdriften – so etwas ist gefährlicher als ein einzelner großer, aber dafür organisierter Pulk. Genauso sollte man sehr darauf achten, daß an den recht zahlreichen möglichen Auslösern entlang des Hochgern-Südgrates nicht von verschiedenen Flugzeugen mehrere Thermikkreise eng nebeneinander aufgemacht werden. Für einen frühen Abflug ist der Jochberg jedoch häufig die bessere Wahl als der Rechenberg. Und wer schon vor dem Start sowieso eine größere Ausklinkhöhe plant als die üblichen 1000 bis 1100 Meter über Platz, der sollte lieber grundsätzlich diesen hohen Klink über Hochgern oder Jochberg verlegen, als himmelhoch über den Graten des Rechenbergs das Seil zu werfen.

Rauhe Nadel

An Tagen, an denen durch entsprechende Schichtung oder auch stärkeren überregionalen Wind die Talinversion schwach ausgeprägt ist, kann das Gebiet zwischen Balsberg, Gscheurer Wand und Taubensee erstaunlich gut sein, und das mit sehr niedrigen Klinkhöhen. An solchen Tagen lohnt sich ein Suchkreis im Schlepp in dieser Gegend auf jeden Fall. Lohnt sich der Klink hier nicht, kann man ohne Verlust weiterschleppen zu einem der höheren Ausklinkpunkte.

Hochplatte

Für den Abflug direkt nach Westen, der das Inntal noch nördlich von Kufstein quert, ist die Hochplatte ein naheliegender und sinnvoller Ausklinkpunkt, für den Westabflug allemal sinnvoller als ein Schlepp zum Rechenberg. Aber genauso könnte man doch einmal den Versuch machen, für einen Standard-Abflug nach Südosten nicht am Rechenberg, sondern an der Hochplatte zu starten. Als Abflugpunkt für DMSt-Flüge böte sich dann der Flugplatz (Bahnmitte) oder vielleicht noch günstiger die Raitener oder Unterwössener Kirche an, die man auf der Querung von der Hochplatte zum Jochberg oder Rechenberg sowieso überfliegt. Ob die Hochplatte frühmorgens schon so hoch geht, weiß ich zugegebenermaßen nicht aus eigener Erfahrung, aber immerhin zeigt sich dort oben morgens meist das zweite Wölkchen des neuen Tages – ausprobieren!

Zudem hat die Hochplatte als Klinkpunkt den Vorteil, zumindest am späteren Vormittag nicht nur hoch oben am Gipfel, sondern auch noch in nur 500 Metern über Platz am Hausbart zuverlässig zu gehen. Dabei kommt man notfalls jederzeit bequem zum unmittelbar benachbarten Platz zurück. Damit ist die Hochplatte nicht nur für Streckencracks interessant, sondern auch eine lohnende Alternative für Genießer, die aus dem F-Schlepp streßfrei in die Luft kommen wollen.

Sportliche Gesichtspunkte

Es gibt eigentlich nur einen einzigen zwingenden Grund, am Rechenberg (oder Jochberg) klinken zu müssen: wer für die DMSt eine angemeldete Aufgabe fliegt, der braucht einen Abflugpunkt, den er morgens überfliegt und abends maximal 1000 Meter tiefer auch wieder erreichen kann. Bewährt hat sich dazu der Wössener See (N47°43'39", E012°28'26"), weil er einerseits nahe genug an den bewährten Thermikquellen Jochberg und Rechenberg liegt und andererseits abends auch nach einem langen Gleitflug zu Wendepunkten im Flachland (z.B. Herrenchiemsee) problemlos sehr tief anfliegbar ist, während beispielsweise die Hörndlwand ein blödsinniger, weil abends nicht mehr erreichbarer Abflugpunkt wäre.

Sport heißt aber auch Fairneß, und Fairneß bedeutet in diesem Falle, daß wir denjenigen Piloten, die eine solche Aufgabe in den Logger programmiert haben, nicht an Rechenberg und Jochberg den Luftraum zusätzlich eng machen – zumal mit Hörndlwand, Hochfelln und Dürrnbachhorn für den entspannten Nicht-Wettbewerbsflieger, wie oben dargelegt, bessere Ausklinkpunkte bereit stehen.

Wer also nur für den OLC fliegt, wer für die DMSt ohne Anmeldung eine freie Strecke einreichen will und jeder, der ganz ohne Logger fliegt, sollte so clever sein, sich zu einem der alternativen Klinkpunkte durchschleppen zu lassen.

So erhöht sich die Sicherheit in den hochfrequentierten Abflugzonen, und das bei einem taktisch besseren Abflugpunkt – für denjenigen, der nicht durch Wettbewerbsregeln eingeschränkt ist, ein angenehmer und praktisch kostenloser Vorsprung. Durch eine solche aufgabenorientierte Verteilung der Abflugpunkte entstehen also taktische Vorteile und Sicherheitsgewinne für alle Beteiligten.

Das Kostenargument

Aus meinen mitgeloggerten Flügen und den dazugehörigen DASSU-Rechnungen der Saison 2003 entstand folgende Übersicht (Zeiten: UTC, Höhen: MSL Std.Atmosphäre/1013,2 hPa):

Datum 2003 Start zeit Klink zeit Schlepp dauer Boden höhe Ausklink höhe Schlepp höhe Klink punkt Schlepp zeit Rückfl. zeit Preis € Steig geschw. Sturz geschw. Kosten €/100m
2.Jun 07:47 07:53 6 min 650m 1654m 1004m Rechen berg 10 min 4 min 27,00 2,789 m/s 4,183 m/s 2,69
3.Jun 08:08 08:14 6 min 650m 1639m 989m Rechen berg 16 min 10 min 43,20 2,747 m/s 1,648 m/s 4,37
10.Jun 08:44 08:53 9 min 649m 1809m 1160m Hoch felln 14 min 5 min 37,80 2,148 m/s 3,867 m/s 3,26
12.Jun 10:02 10:13 11 min 648m 1790m 1142m Hoch gern 15 min 4 min 40,50 1,730 m/s 4,785 m/s 3,55
17.Jun 09:18 09:26 8 min 649m 1933m 1284m Joch berg 12 min 4 min 32,40 2,675 m/s 5,350 m/s 2,52
7.Jul 08:40 08:47 7 min 649m 1664m 1015m Rechen berg 10 min 3 min 27,00 2,417 m/s 5,639 m/s 2,66
8.Jul 09:10 09:18 8 min 652m 1727m 1075m Rechen berg 10 min 2 min 27,00 2,240 m/s 8,958 m/s 2,51
11.Jul 09:36 09:45 9 min 651m 1638m 987m Joch berg 12 min 3 min 32,40 1,828 m/s 5,483 m/s 3,28
13.Jul 10:16 10:20 4 min 650m 1350m 700m Rauhe Nadel 7 min 3 min 18,90 2,917 m/s 3,889 m/s 2,70
14.Jul 09:37 09:41 4 min 649m 1306m 657m Rauhe Nadel 7 min 3 min 18,90 2,738 m/s 3,650 m/s 2,88
19.Jul 08:43 08:52 9 min 648m 1681m 1033m Rechen berg 14 min 5 min 37,80 1,913 m/s 3,443 m/s 3,66
3.Aug 09:15 09:25 10 min 651m 1799m 1148m Rechen berg 14 min 4 min 37,80 1,913 m/s 4,783 m/s 3,29
8.Aug 08:35 08:47 12 min 651m 2004m 1353m Hörndl wand 16 min 4 min 43,20 1,879 m/s 5,638 m/s 3,19
24.Aug 09:25 09:35 10 min 650m 1791m 1141m Rechen berg 14 min 4 min 37,80 1,902 m/s 4,754 m/s 3,31

Genau die Hälfte aller Schlepps gingen zum Rechenberg. Im Durchschnitt habe ich dort in 1050 Metern über Platz geklinkt, mit einer durchschnittlichen Schleppzeit von zwölfeinhalb Minuten, davon 8 Minuten am Seil. Ein Rechenberg-Schlepp kostet also im Mittel knapp 34 Euro. Umgelegt auf 100 Höhenmeter sind das 3 Euro und 24 Cent.

Demgegenüber stehen die beiden Schlepps zur Hörndlwand und zum Hochfelln nicht schlechter dar. Die Schleppzeiten sind mit 16 und 14 Minuten zwar etwas länger, aber die Klinkhöhen waren ja auch größer, ich bekam also was für mein Geld. Zum Hochfelln kosteten hundert Höhenmeter 3,26 €, zur Hörndlwand sogar nur 3,19 €. Dies zeigt deutlich, daß keinerlei zusätzliche Kosten für die geschleppte Strecke anfallen, nicht einmal für den Rückflug des Schleppers, der mit jeweils vier Minuten genau dem Rückflug vom Rechenberg entspricht! Beide Schlepps waren übrigens hinter Dreibein-Falken, mit dem Samburo läge man natürlich noch günstiger. Und auch die absoluten Mehrkosten lohnen sich, wenn man bedenkt, daß ich zur Hörndlwand keine 10 Euro, zum Hochfelln sogar nur 4 Euro mehr bezahlt habe als für einen durchschnittlichen Rechenberg-Schlepp. An beiden Tagen habe ich Strecken über 500 km geflogen.

Sehr lohnend ist an den Tagen, an denen sie geht, die Rauhe Nadel, weil mit 650-700 Metern über Platz extrem niedrige Klinkhöhen möglich sind. Mit 18,90 € waren das die billigsten Schlepps des ganzen Jahres, das Wegkommen war problemlos. Allerdings herrschte an beiden Tagen hohe Labilität verbunden mit starkem überregionalem Wind, was offenbar die Talinversion zerstörte.

Fazit

Schlepps zu den hochgelegenen alternativen Klinkpunkten Hochfelln und Hörndlwand sind auf die Höhenmeter bezogen nicht teurer als der Standardschlepp zum Rechenberg, und kosten auch absolut gesehen mit zwischen 5 und 10 Euro nur lächerliche Beträge mehr. Beim Dürrnbachhorn wird es bei frühzeitiger Entscheidung und einem entsprechend geschickt angelegten Schlepp nicht anders aussehen. Und Rauhe Nadel, Jochberg und Hochplatte schließlich sind billiger oder gleich teuer wie der Rechenberg, so daß Kosten hier gar kein Thema sein sollten.

Es gibt also doch einige Alternativen zum „ewigen“ Rechenberg, die schon allein dadurch attraktiv sind, daß sie (im Moment noch) weniger frequentiert sind. Hinzu kommen flugtaktische Vorteile, und das ohne oder mit nur moderatem Aufpreis. Also, auf geht's, es lohnt sich!


Valid XHTML 1.0!