Das Leben der Radikal-Feministin Valerie Solanas zum Zeitpunkt ihrer Bekanntschaft mit Andy Warhol lässt die Blütezeit der endsechziger "Factory" wiederauferstehen.
Als Valerie Solanas 1966 auf Andy Warhol trifft, bezahlt sie – oder auch nicht – ihre Miete durch Schnorrerei, Gelegenheitsprostitution und dem bemühten Verkauf ihres S.C.U.M.-Manifestos der Society for Cutting Up Men, deren alleinige Mitfrau sie ist. Für Warhol verfasst sie das Manuskript eines Theaterstückes mit dem Titel Up Your Ass, von dem sie sich Anerkennung durch die hippe KünstlerInnen-Clique um Warhol erhofft. Das Manuskript jedoch wird verlegt, zu radikal empfindet es der Kreis der Warhol Factory: pornographische wechselt sich gelegentlich mit Fäkalsprache ab und ihre Ansichten zur (Teil)Vernichtung der "männlichen Rasse" für eine bessere Welt stoßen auch nicht bei jederfrau auf ungeteilte Gegenliebe. Dennoch gelingt es Solanas, in den erlauchten Kreis einzudringen, in einem von Warhols Filmen mitzuspielen (I, a Man) und zusätzlich einen Verleger, Maurice Girodias, zu finden, der ihr einen Autorinnen-Vertrag verspricht. Und übers Ohr haut. In der Factory lässt das Interesse an ihr nach, steht sie in ihrer Wut allein und wird von dem spitzzüngigen Gefolge Warhols, der sich selbst zurückzieht, als Person, als Frau geschnitten. Als sie dann auch noch im Fernsehen in der Alan Burke Show als Talkgästin niedergemacht wird, keimt Paranoia in Solanas auf. Der festen Überzeugung, Warhol stecke hinter all ihren aktuellen Miseren, kehrt sie zu ihm und seinen Künstler-Freunden zurück und zieht eine .32er Baretta Automatik hervor...
Bei all dem Wiederbeleben der Endsechziger ließ sich Harron leider dazu verleiten, sich auf den aus heutiger Sicht komischen Aspekt vergangener Perioden zu stützen, der eher zu der komödiantischem Ader zu Filmen der letzten Zeit passt, von Forrest Gump über Die Brady Family bis hin zu Mr. Holland's Opus. Die wenig Sympathie aufbringenden Charakterisierungen der Mitmenschen Solanas' könnten als entlarvend durchgehen, werden aber nur ansatzweise benutzt, um Rückschlüsse auf die Feministin zu ziehen. Und auch Solanas selbst bleibt als Protagonistin des Films für das Publikum über weite Strecken unzugänglich. Gleich zu Beginn wird die ZuschauerIn mit der Tat, einem derbe Sprache benutzenden Ausschnitt ihres Werkes und der Forderung nach Eliminierung der Männer zugemauert. Ohne dass die in der ZuschauerIn aufkeimende Abwehr später in Frage oder bloßgestellt wird. Gerade mit der fortwährenden Herausstellung Solanas' männermordenden Gedanken wird die Radikalität der Feministin auf deren potentielle Gewaltbereitschaft limitiert und durch den Einschub ihrer – natürlich wieder verulkten – paramilitärischen Übungen in der WG der Motherfuckers unterstrichen.
Was dagegen zu kurz kommt, ist die Zeichnung der strukturellen Gewalt gegen Frauen. Der hastig vorgetragene Text einer in erster Linie "geistig Verwirrten", der einzige Bezugspunkt zu diesem Thema, prallt an der ZuschauerIn ab. Solanas' Strich- und besonders Inzesterfahrungen mit ihrem Vater kommen so kurz, dass sie gerade einmal das Klischee der Wahl-Lesbe nähren können, eventuelle Wahrheiten nicht mehr. Andere Erfahrungen fallen gänzlich weg. Gegen Ende wird Solanas schließlich paranoid. Zu deutlich wird die fehlende Einstellung des Filmes, dass frau keinen Verstand hat, wenn sie ihn über gewisse Zustände nicht verliert, wie wir es aktuell in dem österreichischen Film Der Kopf des Mohren von Paulus Manker zu einer anderen Thematik miterleben dürfen. Und ganz bestimmt besteht für die ZuschauerIn nicht die Gefahr und die Chance, wie in der aufrüttelnden Dokumentation von Allie Light, Dialogues With Madwomen, ebenfalls verrückt zu werden. Die ZuschauerIn verlässt das Kino und durfte nicht die Wut der Valerie Solanas teilen – ein Zustand, der der Autorin des inzwischen zu den Klassikern des Feminismus zählenden S.C.U.M.-Manifestos nicht gerecht und durch die Wucht einer Lili Taylor nur ansatzweise entschädigt wird.
ki, Berlin
Gelaufen während des:
26th International Film Festival Rotterdam
Deutscher Kinostart ist der 30. Januar 1997 im Verleih von Tobis Filmkunst.
Siehe auch Persönlichkeits-Parallelen zu Alan Lambert, Objekt des Films Finished.
copyright: Queer View 1996