Finished
Experimenteller Versuch, den möglichen Gedanken eines schwulen Pornodarstellers gerecht zu werden, der sich mit 25 Jahren das Leben nahm.
Von 1988 - 90 steigt Alan Lambert in insgesamt 18 Produktionen zum Pornostar auf. Nach einer Pause feiert er mit aufgepumpten Body ein kurzes Comeback in zwei weiteren Erotikfilmen. 1991 entdeckt der angehende Filmemacher William E. Jones zum ersten Mal ein Anzeigenfoto von Lambert und ist ihm spontan verfallen. Als Jones ein Jahr später eine Todesanzeige des Akteurs entdeckt, beschließt er, einen Film über den Pornodarsteller zu drehen...
Dabei sickern ganz andere Beweggründe durch die Recherche Jones, die mehr mit der Bankrotterklärung eines Gesellschaftskritikers an diese Welt und mit Reinkarnation zu tun haben, als mit oberflächlichem Schönheitsfrust. Der junge Filmemacher hatte nach eigenen Angaben derart komplexe Gedanken einem Pornomodell nicht zugetraut, und nun wird offensichtlich, dass ihn die Persönlichkeit Lamberts überfordert. Der Pornostar betrachtete im Gegenteil Prostitution als notwendiges Übel, um sich über Wasser zu halten und letztendlich politische Ziele zu erreichen. In seinem Leben hinter der Kamera wird er zum Verfasser eines kommunistischen Manifests, schreibt gehaltvolle Briefe, teilweise in der französischen Sprache. Letztendlich wird das Leben des als manisch-depressiv Beschriebenen in dieser unverbesserlichen Welt unerträglich.
Alan Lambert war sich sicher, unweigerlich Objekt eines Filmes zu werden. Allerdings waren selbst seine Freunde überrascht, dass dies derart früh nach dessen Freitod geschehen würde. Erwartet wurde dagegen schon etwas Größeres, bzw. Großartigeres als ein 78minütiger Experimentalfilm. Als sich aus Sicht der Nachlassverwalter und Freunde abzeichnete, dass Jones Schwierigkeiten mit dem Lebensgefühl Lamberts hat, stellten sie sich für das Filmprojekt, wie z.B. Interviews, nicht zur Verfügung.
Wer also die Chance bekommt, Finished zu sehen, sollte bereit sein, nicht nur zu konsumieren, sondern auch zwischen und hinter der Zeilen zu lesen. Eine Konsumhaltung ist bei diesem experimentellen Wagnis mit sich oft wiederholenden An- und Einsichten allerdings sowieso unwahrscheinlich, werden doch die sensationellen Bedürfnisse nach ausgiebigen Pornoausschnitten frustriert. Allenfalls im grobkörnigen Grau, siehe Foto, werden wir ZeugInnen Lamberts verewigten Filmschaffens. Ansonsten wird über das Geschehen in den 20 Erotik-Videos lediglich aus dem Off berichtet. Die Bilder setzen sich dagegen größtenteils aus Himmels- und Wellenfahrten zusammen, sowie verlassenen Straßenzügen des San Fernando Valley, der nordamerikanischen schwulen Pornoindustrie, und Montreals, dem Ort, an dem Lambert seinem Leben ein Ende setzte. Auf diese Weise soll dem Publikum Raum für die eigene Phantasie gegeben werden. Allerdings, so gibt der Filmemacher zu, sei er nicht der Typ Mensch, der ungeniert kopulierende Männer auf Film bannen kann. Als Biograph für einen Pornodarsteller mag das merkwürdig klingen, vielleicht schätzte er das Objekt seiner Sehnsüchte mehr, als dass er es bloßstellen mochte. Auch wenn die Pornos das sichtbarste Vermächtnis Alan Lamberts sind, muss doch gesehen werden, dass sie eben nur einen kleinen Teil der Persönlichkeit ausmachen. Schade, dass der Rest ebenfalls nicht so recht rüberkommen will.
ki, Park City – Berlin
Gesehen während des:
Sundance Film Festival 1997
Außerdem gelaufen während des:
26th International Film Festival Rotterdam
Gewisse Ähnlichkeiten zu Valerie Solanas, Objekt des Films I Shot Andy Warhol, drängen sich auf.
copyright: Queer View, 5. September 1997