SOUNDTRACK

To Have and to Hold

(Mute Records)

CD-CoverNick Cave wurde erstmals auf John Hillcoat aufmerksam, als dieser seinen Kurzfilm Frankie und Johnny vorstellte (produziert von der Swinburne Film School Melbourne). Zwischen den beiden erwuchs eine Freundschaft fürs Leben. Bereits für das The Birthday Party Video The Stripper zeigte sich Hillcoat verantwortlich. Der australische Regisseur drehte später auch diverse Videos der Bad Seeds (z.B. The Ship Song und Loverman) und der Berliner Einstürzenden Neubauten (Blume, Interim). Bei John Hillcoats erstem abendfüllenden Spielfilm, Ghosts... of the Civil Dead, standen ihm dann zum Ausgleich Nick Cave, dessen engster Mitarbeiter Mick Harvey und Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten, Bad Seeds) zur Seite, indem sie die Musik einspielten, Nick Cave nahm ferner eine Rolle in dem Streifen an. Der Film stieß sowohl bei den FilmliebhaberInnen als auch bei den MusikkennerInnen auf großen Anklang und bereiste auf Festivals die ganze Welt. Wen wundert es also, daß John Hillcoat auch für seinen zweiten Film diese drei um ihre Mitarbeit bat.

Die Musik von Nick Cave, Mick Harvey und Blixa Bargeld, bzw. ihrer „hauptberuflichen" Bands, sollte die HörerIn der CD erst einmal aus dem Gedächtnis streichen. Die Filmmusik zu To Have and to Hold ähnelt auch nicht der von Ghosts... of the Civil Dead, sie verstört die ZuhörerIn nicht ganz so offensichtlich. Die Musik zeigt sich zuerst nur von seiner romantischen Seite. Übrigens schöpft To Have and to Hold aus den großen melodramatischen Filmwerken der 40er und 50er Jahre. Hillcoat erklärt im Pressematerial zu der CD, dass die Romantik, und der Film ist eine Romance Noir, in vielen Kulturkreisen eine heilige Form des Wahnsinns sei.

Zwei Welten treffen in To Have and to Hold aufeinander, sowohl in der Musik als auch in der Handlung. Die VertreterInnen der westlichen Kultur, also die beiden HauptdarstellerInnen, befinden sich an einem „exotischen" Ort (der Film wurde größtenteils auf Papua Neu Guinea gedreht, einem mystischen Flecken unserer Erde) und leben dort in einem uns in Europa fremden Kulturkreis. Die neu-klassischen Kompositionen auf To Have and To Hold werden mit ethnischen Chören unterlegt, welche interessanterweise nicht weit von der osteuropäischen Musik entfernt zu sein scheinen. Die traditionellen Stücke werden vom Raun Raun Theatre vorgetragen. Die Filmmusik ist romantisch, sie verströmt eine liebliche Schönheit, und wenn die Musiker ein durchgehendes Musikwerk aus dem Score geschaffen hätten, dann könnte es durchaus mit dem Erfolg von Michael Nymans The Piano konkurrieren. Die melodiösen Themen basieren hauptsächlich auf den Geigen. Ab und an wird das Klavier und eine Oboe verwendet. Nur die atmosphärischen Stücke lassen die Verrissenheit der Charaktere und die tatsächlichen Spannungen erahnen.

Den SammlerInnen und LiebhaberInnen von Filmmusik sei soviel gesagt, die CD liefert in erster Linie den Score, die Musik ordnet sich den Bildern unter. So kann man den Soundtrack durchaus eigenständig genießen, jedoch brechen die einzelnen Stücke immer wieder ab, ein Thema folgt dem anderen. Zwei Lieder fügen sich zwischen die Themen ein. Scott Walker singt ein Stück von Dylan (I Threw it All Away, und der Vollständigkeit halber, hier war Barry Adamson für das Arrangement zuständig). Die Gruppe Keety General beendet die CD mit dem Rapstück Gangster Bone, ich vermute mal, in dem Film erklingt dieses Stück erst, wenn die ZuschauerInnen bereits das Kino verlassen haben, denn dieser Rap passt so gar nicht zu der Klangfarbe des Filmes, im Gegenteil, er entreißt einen aus der Stimmung der vorangehenden Musik.

en, Berlin

copyright: Queer View 1996