Das Auge des Taifun
(eine Aktion von Erich Wonder)
Österreich, 1994, 70min
Regie: Paulus Manker
Cast: Einstürzende Neubauten

PlakatEs ist Nacht in Wien. Die Kamera reist über die Stadt mit den sternengleich funkelnden Lichtern der Fenster hinweg und nähert sich dann der Ringstraße. Wien, den 16. Mai 1992. Die Akademie der bildenden Künste feiert ihr 300. Jubiläum.

Ein Brummen setzt ein, die Lichter summen, metallene Geräusche schwillen an. Das Bild taucht in Blau und Rot. Autos drängen sich dicht an dicht. Unter Goethes Denkmal streunen Polarhunde. Ein Denkmal, übergroß und aus Stein. Vereinzelte, verlorene Bewegungen. Ein gläserner Sarg, gleich einer riesigen Larve, schiebt sich über den breiten Boulevard. Die Einstürzenden Neubauten begeben sich auf ihre Plätze in diesem Gefährt. Blixa Bargeld steht groß und steif im Cockpit des Zuges, auch er ein Denkmal, wohl aber aus Fleisch und Blut.

Plötzlicher Krach setzt ein, monotones Hämmern, rasselndes Klirren. Die langsame Kamerafahrt ist ein Gegensatz zu den schnellen Bewegungen der Musiker, die sich dem Inferno des Sturmes hingeben. Es ist ein langsamer Zug. Ein Glaspalast auf Sattelschleppern, begleitet von dem sklavischen Traben von Polarhunden. Künstliches Schneetreiben hüllt den eisigen Kokon ein. Dieser wird noch einmal von Glaswänden und Segel abgeschirmt. Riesige rotleuchtende Augen, Bildschirme, Bremslichter teilen das Publikum, dem nichts anderes übrigbleibt, als rechts und links dem Aufzug nebenherzulaufen, und das nichts als schattenhafte Gestalten wahrnehmen kann. Auf den Leinwänden prangt ihm nur der Titel entgegen: Das Auge des Taifun. Die Stadt erbebt, befindet sich mitten in der Naturgewalt, im Taifun, im Untergang, in der Zerstörung. Ein metallener Riese stellt sich dem Zug in den Weg. Auch er ein Denkmal der grauen Zukunft. Eine kreischende Kreissäge teilt ihn mittendurch.

Den Kameras zu glauben, so befindet sich innen die einsame Ruhe, die Eislandschaft mit Gletschern und Schneewüste. Große Glasscheiben, Eisfelsen gleich splittern und brechen ins Meer. Der Krach frisst die Sinne, bohrt sich in den Schädel, und die Schlittenhunde bringen den Zug in das Land jenseits von Schmerz und Tod.

Eine Reiterin im Hochzeitskleid auf einem Einhorn findet Einlass, bringt den Zug zum Stehen. Monitorrauschen, dann schmerzhaftes Pfeifen. Funkenregen. Das mythologische Wesen sprintet hinaus. Ein wehmütiger Blick könnte ihm nur hinterherschauen. Der Zug bewegt sich wieder. Ein langer, langer Sinuston breitet sich aus, nichtendenwollend, alles überschüttend. Die Fahrt geht weiter. Rollt zurück. Nur das Echo des Windes singt ein Lied.

en, Berlin
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Filmdaten:

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