Die
äußere und innere Reise einer Frau und vier Künstler afrikanischer,
latein- und nordamerikanischer Abstammungen durch die Landschaft der an
Rassismus erkrankten USA.
Vier befreundete Künstler von
der Westküste brechen auf, das Weiße Haus mit all den Farben
zu bemalen, die in der Geschichte des Landes an den Rand gedrängt
wurden: Der Chicano Tudee wird in seinen Träumen durch einen weißen
Kolonialherrren erniedrigt; sein frauenfeindlicher Cousin Abel ist ein
Mann der Straße, benutzt Drogen, Guns und vulgäre Sprache; Freddy
ist ein Indianer nordamerikanischer Abstammung und versucht, sein Alkohol-Problem
zu besiegen; und schließlich Kaz, ein intelektueller African American,
der trotz einer gewalttätigen Gesellschaft friedlich bleiben will.
Auf dem Weg nach Washington, D.C. treffen sie mitten in Nebraska auf die
Folgen eines Autounfalls, bei dem ein als Häuptling verkleideter Weißer
ums Leben kam. Er war Teil einer Gruppe "Yankees", die die "Indianer-Kriege"
des letzten Jahrhunderts nachspielen. Die vier Künstler nehmen Evey,
die Insassin des anderen Wagens auf, die versucht, den Inhalt ihres Pakets
und ihrer eigenen Reise für sich zu behalten. Während die fünf
Reisenden lernen, miteinander und sich selbst zurechtzukommen, macht ein
weiteres Auto der Yankees Jagd auf die Nicht-Weißen...
Habt
Ihr jemals den abwesenden Stimmen gelauscht? Den Nicht-Repräsentierten,
von europäischen und euro-amerikanischen FilmemacherInnen in die Existenzlosigkeit
gedrängten Menschen? Vor drei Jahren lauschte Allison Anders
und brachte uns mit Mi vida loca – My Crazy Life die bis
dahin ungehörten Stimmen der locas (latina-Homegirls) auf die Leinwand
(in Deutschland bisher leider nicht). Peter Bratt hat nun das hoffentlich
nicht einzigartig bleibende geschafft. Als erster native american – peruanischer
Herkunft – drehte er, natürlich außerhalb des Hollywoodsystems,
einen Spielfilm, Follow Me Home. Das Geld sammelte er mit
Unterstützung der HauptdarstellerInnen auf fundraising parties. Sehr
erfolgreich, denn zu viele native americans sind es satt, sich als Tomahawk-schwingende
Indianer in nostalgisch-romantischen Kostümfilmen zu sehen, als ob
sie heute gar nicht mehr existierten. Von Uschi Glas als Winnetous'
Schwester Apanatschi, über Der mit dem Wolf tanzt bis
zu Pocahontas, die in Wirklichkeit zum Zeitpunkt ihrer Bekanntschaft
mit Captain John Smith keine liebesschwangere Frau, sondern ein
kleines Mädchen war. Selbst gutgemeinte Bürgerrechtsfilme wie
Schrei nach Freiheit über die Apartheit in Südafrika
oder Mississippi Burning über den Rassismus in den Südstaaten
der USA werden aus Sicht eines Weißen erzählt – der Journalistin,
des FBI-Agenten, der guten Freundin und somit entpolitisiert. Bratt ging
weiter. Nicht um die ihm zugehörige Gruppe geht es ihm, sondern um
alle "Seelenverwundeten". All jene, die auf den amerikanischen
Kontinenten kolonialisiert und aus Afrika zu diesem Zweck versklavt wurden.
Follow Me Home beginnt mit vier Männern, von denen einer,
Abel, nichts als abwertend über Frauen spricht. Doch stop: Schnell
wird klar, warum einige ZuschauerInnen diesen Film auch als Frauenfilm
werten. Schon zu Beginn spricht Regisseur Bratt durch die Stimme Kaz' in
feministischen, interkulturellen Tönen, wie sie von anderen Filmemachern
der Westküste zu vernehmen sind, wie Autor / Regisseur Lawrence
Elbert, Schauspieler / Performer Mario Gardner oder Schauspieler
Alexis Arquette alias drag performer Eva Destruction. Auf
das religiös-rechte Argument frauenfeindlicher Bibeltexte antwortet
Kaz trocken, dass mann sich eben anderen Religionen zuwenden solle, die
nicht die weiblichen Prinzipien zurückstoßen. Mit einer schnodderigen
Kraft, wie es einer Alfre Woodard nur würdig sein kann, bietet
auch Evey nachhaltig Abel die Stirn, dass selbst die einfachsten Worte
richtig sitzen müssen. Erstaunlich für eine Crew, die bis auf
Produzent Alan Renshaw zum ersten Mal an einem Film arbeitet, wirkt
Follow Me Home nicht wie ein 220.000 $ Low-Budget-Werk. Eine Botschaft,
auf die viele gewartet und die viele gefürchtet haben und die die
Welt braucht, um ihren Heilungsprozess zu starten. Oder wie Cyril Neville,
mitverantwortlich für den Soundtrack, es formuliert: "Dies ist
Medizin für die Welt."
- Die ausverkauften Säle und standing ovations
des vor allem nicht-weißen Publikums der Festivals von Sundance,
San Francisco und NewYork versprechen einen hohen Kopienschnitt, wenn Follow
Me Home im Frühjahr '97 in den USA startet. Das Ausland wird
ebenfalls gespannt auf den Film warten, den trotz seiner Beliebtheit kein
Major in den USA zu verleihen wagte, weil die Bösen mal die Weißen
sind.
copyright:
Queer View 1996
Nehme
mir mein schlechtes Gewissen und entbinde mich der Verantwortung!
Eine Welle von Bürgerrechts-Gerichts-Blockbustern verschleiert
den Blick auf den eigenen Rassismus