Erhelle mein Gewissen aber nicht meinen Geist!

Eine Welle von Bürgerrechts-Gerichtsfilmen
verschleiert den Blick auf den eigenen Rassismus

Das AttentatEs gibt gute und es gibt schlechte Menschen. Das war im Film schon immer so. Die ZuschauerIn zählt sich selbst natürlich zu den guten, und um dieses auch bestätigt zu wissen, sieht sie sich ab und an Filme über gesellschaftliche Missstände an, in denen sie sich tapfer mit den unterdrückten Bevölkerungsgruppen solidarisiert. Und was die durchschnittliche ZuschauerIn sehen möchte, liefert Hollywood ihr auch: In den meistens Fällen hat das alles nichts mehr mit gut oder böse zu tun, sondern den Graubereichen in der Mitte. Hauptsache, das eigene grau ist stets heller, als das der Bösen im Film, andernfalls wird von Minderheitenkino geredet, dass nichts für die durchschnittliche Zuschauerin sei.

Beispiel "Bürgerrechtsfilme", in denen die Diskriminierung von African Americans, bzw. SchwarzafrikanerInnen bekämpft wird. Trotz des Erfolges des schwarzen Frauenfilms Waiting to Exhale – Warten auf Mr. Right wird immer noch von einer weißen ZuschauerIn ausgegangen, oder besser: von einem weißen Zuschauer, der eine Identifikationsfigur braucht, um den Film anzunehmen. Diese sollte nicht nur weiß sein, sondern auch weiß denken. In den Nebenrollen dürfen, eh, müssen selbstredend auch nicht-weiße Charaktere eingesetzt werden. Aber bitte keine Radikalen. Und "radikal" ist schließlich alles, was nicht den weißen Denkstrukturen entspricht. Da die Verwirklichung "weißer Schwarzer" nicht ganz leicht ist, fährt die RegisseurIn am Besten, wenn der Anteil der schwarzen Charaktere möglichst gering ausfällt und deren Textzeilen um so kläglicher. Eine gute Lösung ist dabei, gleich zu Beginn mit dem heimtückischen Mord an dem "Bürgerrechtler" das Publikum mit dessen politischen Zielen zu verschonen (Mississippi Burning, Das Attentat) oder in den Knast zu stecken und den Film um dessen Befreiung zu zentrieren, was den gleichen Zweck erfüllt (Schrei nach Freiheit). Andernfalls fallen die weißen KritikerInnen über den Film her und zerpflücken ihn nach historischen Inkorrektheiten oder belächeln ihn als agitatorisch (Panther).

Nie handelt es sich bei den weißen Identifikationsfiguren um Alltagsmenschen, denn solche würden sich wohl kaum in diese Angelegenheiten einmischen. Nein, es handelt sich stets um eine von drei Kategorien: Regierungsvertreter mit Auftrag (Mississippi Burning, Verraten, Hearts and Minds); Anwälte mit Auftrag (Die Jury, Das Attentat, Die Kammer); JournalistInnen mit Auftrag (Schrei nach Freiheit). Damit wird suggeriert, das Länder wie die USA an sich mit ihren obersten Instanzen Regierung, Gerichte und Medien selbstredend auf der Seite der Schwarzen stehen. Wehe, ein Film greift diese Instanzen an, siehe erneut Panther.

Normalerweise bleibt für den alltäglichen Rassismus, der von der durchschnittlichen weißen ZuschauerIn selbst ausgeht, so gut wie überhaupt kein Platz im Film. Viel lieber wird sich dort mit Polizei und Gerichten rumgeschlagen (Die Jury, Das Attentat, Die Kammer – wenigstens die phantasielosen aber effektiven deutschen Titel verraten, worauf sich die ZuschauerIn einzustellen hat). Immerhin gewinnt der weiße Held Bobby DeLaughter in Das Attentat die Erkenntnis, dass alle (Weißen) gleich sind, z.B. zählten weder er noch seine ihn unterstützende Freundin African Americans zu ihren FreundInnen oder auch nur Bekannten. Vielleicht wird es nach den "toleranten 90ern" einen "mutigen Jahrtausendwechsel" geben und das weiße Publikum wagt sich an Filme heran, die nicht wie für sie gemacht wurden...

ki, Berlin
foto: Das Attentat, © Concorde – Castle Rock / Turner

Bürgerrechtsfilme

copyright: Queer View, 19. April 1997