d.) Dankschreiben eines Restaurators an die Künstler
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Liebe Künstler,
Ihnen, den Kunstproduzenten, möchte ich ein herzliches
"Dankeschön" sagen, die Sie mir und sicherlich vielen nachfolgenden
Restauratoren-Generationen, mit Ihren miserabel hergestellten Produkten ein
sorgenfreies Einkommen garantieren.
Nichts hilft mir so sehr dabei, wie ein sich selbst zerstörendes Kunstwerk,
das, hat es einen Käufer gefunden, wahrscheinlich entgegen Ihren Intentionen
und Wünschen, auch erhalten werden muß.
Beherzigen Sie deshalb auch in Zukunft die folgenden 7 goldenen Regeln:
- Verwenden Sie als Malgrund möglichst billig produzierte Leinwände von
dubiosen Herstellern, dünne Sperrholztafeln oder die gut durchfeuchteten, mit
Holzschutzmitteln behandelten Preßspanplatten, ungrundierte Hartfaserplatten
oder andere glatte, eventuell polierte PVC-Platten.
Günstig sind, auf diese mit Tischlerleim oder Pattex aufgeklebte,
unbehandelte Zeitungs- und Packpapiere. Vergessen Sie bitte nicht, die Rückseite der
Leinwand mit Papieren zu bekleben oder mit Edding zu beschreiben.
- Haben Sie sich entschlossen, aus besonderen, künstlerisch relevanten
Gründen, rohe Leinwände zu verwenden, benutzen Sie möglichst dünne
Nesselstoffe, die Sie vor Gebrauch auf keinen Fall auskochen dürfen. PVC- und andere
Kunststoffgewebe sollten Sie vorziehen. Grundieren Sie diese auf keinen Fall, denn eine
darauf aufgetragene, möglichst pastose, Farbe garantiert Ihnen die sicherlich
gewünschte kurzfristige Lebensdauer. Ach ja, bitte vergessen Sie nicht,
überstehende Leinwandkanten abzuschneiden.
- Sollten Sie, entgegen Ihren üblichen technischen Gepflogenheiten, doch einmal
eine Grundierung in Erwägung ziehen, besorgen Sie sich viel Gips (ausreichend
Bindemittel hielten den Verfallsprozeß unnötig auf) oder auch sogenannte
Binderfarbe (Ihrer Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt) und grundieren
Sie flott und in möglichst dicker, einmaliger Schicht (das krümelt später
nicht so) oder versuchen Sie es doch mit der ebenso beliebten PVC-Abtönfarbe
(die kann man wenigstens bequem in einem Stück abziehen wie die Haut nach einem
Sonnenbrand, Sie kennen das haptische Vergnügen - bitte gönnen Sie es mir auch).
- Verwenden Sie schmale Keilrahmen aus frischem Holz, mit möglichst vielen
Astlöchern oder variabel gestaltete, biegsame Dachlatten. Nageln oder tackern
Sie die Leinwand unbedingt mit an der Luft rostenden Nägeln oder Klammern, die
Leinwand wird es Ihnen sichtbar durch Entspannung, der Kunstkäufer durch
freudig erregte Gespräche über eine Neuerwerbung aus Ihrem Atelier oder durch
die philosophierende Frage nach dem Kunstwert Ihrer Arbeit danken.
- Farben, bzw. Pigmente an sich haben keinen großen Wert, Sie wissen das,
denn Einkäufe im Großhandel für Malerfarben haben Sie schlau gemacht,
auf Bindemittel der traditionellen Art verzichten Sie erfreulicherweise schon lange,
das sollte auch so bleiben. Gepuderte Kunstwerke, die im Windzug zwischen zwei Fenstern
hängen, erfreuen sich lebendiger, weil ständig sich verändernder Darstellung.
Und bitte, bitte beherzigen Sie auch weiterhin die berühmte Technik:
Mager auf Fett ist nett.
- Ferner bitte ich Sie, möglichst viele verschiedene Produkte ebensovieler
unterschiedlicher Produzenten in vielen Lagen übereinander zu verwenden. Dies
garantiert mir eine längere Forschungsarbeit nach Inhaltsstoffen, Herkunft und
Wiederbeschaffungsmöglichkeiten - auch dies trägt zu meinem Unterhalt und
dadurch zu Nachfolgekosten für Sammler und Museen bei.
- Jetzt noch eine Bitte an alle Künstler, die sich anderer (dem Zeitgeist
angepaßt) innovativer Darstellungsweisen und Materialien bedienen. Bitte
verwenden Sie alles was Sie finden, gleich welcher Art. Die völlig veraltete Theorie,
auf sach- und fachgerechte Zusammenstellung von unterschiedlichen Grundstoffen zu achten,
können sie getrost vernachlässigen - sie soll schließlich von Ihrer,
gewiß großartigen Idee nicht ablenken. Geben Sie auf keinen Fall Auskunft
über Ihre Technik (vor allen Dingen dann nicht, wenn Sie sich noch daran
erinnern können) , denn alles ist erlaubt, alles ist möglich, alles trägt bei,
das Vertrauen der Menschen in die Kunst und Sie,
den Produzenten zu stärken.
Quelle: Rundschreiben
Autor:
Volkert Emrath, Restaurator in Berlin
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