Süßes Gift in Diätprodukten?

Streit um Aspartam

erschienen in: Frankfurter Rundschau, 23. Juli 1997

Autorin und © Ute Sprenger

Verbrauchergruppen in den USA laufen derzeit Sturm gegen einen Verkaufsrenner unter den Diätsüßen. Der Washingtoner Psychiater und Neuropathologe John Olney hält es für möglich, daß Aspartam für den Anstieg von Hirntumoren verantwortlich ist.

Nach Angaben des Diätverbandes haben die Verbraucher hierzulande 1995 allein für Süßstoffe 170 Millionen Mark ausgegeben, neun Millionen Mark mehr als im Vorjahr. Doch kaum irgendwo erfreuen sich sogenannte "Diät"-Produkte solcher Beliebtheit wie unter der US-Kundschaft. Süßstoffe werden dort zunehmend selbst in Kindernahrung verarbeitet. Der weltweite Markt für Süßungsmittel wird auf zwei Milliarden US-Dollar geschätzt.

Einer der erfolgreichsten Stoffe ist Aspartam. Das Mittel (1), das in Deutschland als "Canderel" oder "NutraSweet" vertreiben wird, ist 200mal süßer als Zucker und fällt mit vier Kilokalorien pro Gramm wenig ins Gewicht.

Seit der Stoff 1981 von der US-Behörde FDA zugelassen wurde, wird indes darüber gestritten, wie gefährlich er ist. Bei der Verdauung zerfällt die Substanz in Aminosäuren (die Eiweißbausteine L-Asparaginsäure und L-Phenylalaninsäure) und in kleine Mengen Methanol, einen für Menschen giftigen Alkohol. Während Hersteller behaupten, die Methanolkonzentration sei zu gering, um als Nervengift zu wirken, glauben Kritiker, sie reiche aus, um das Gehirn zu schädigen. Eines der Stoffwechselprodukte von Methanol ist das unter Krebsverdacht stehende Formaldehyd.

Mit einer im Herbst 1996 veröffentlichten Studie stützte der Neuropathologe John Olney die These, Aspatam sei möglicherweise karzinogen (krebserregend).

Seither wird Olney von der größten Herstellerfirma NutraSweet Kelco - einer Tochter des Biotech-Konzerns Monsanto, der im vergangenen Winter durch die Einfuhr von ungekennzeichneter Gen-Soja in der EU für Aufregung sorgte - heftig attackiert. "Angstmacherei" und "Datenmanipulation" wettert die Firma. Nach Informationen des britischen Medizinblatts Lancet soll sie noch vor dem Druck den Chefredakteur kontaktiert haben, um die Angelegeheit zu "klären". Auch hierzulande beeilte sich die Süßstoff-Lobby mit Sitz in Köln, den Wissenschaftler als Querulanten abzuqualifizieren. Seine Stude sei "wertlos" und verunsichere nur Konsumenten, teilte der Süßstoff-Verband der Presse mit. (2)

Verbrauchergruppen in den USA dagegen verdammen den allgegenwärtigen "süßen Killer" und richteten eine Hotline für Geschädigte ein. Das Community Nutrition Institute in Washington fordert gemeinsam mit John Olney von der FDA weitere Sicherheitsstudien. Doch dort sieht man keinen Handlungsbedarf. Unter Aspartam-Kritikern wird inzwischen von "einer gut geschmierten Drehtür" zwischen der Zulassungsbehörde und dem mächtigen Multi Monsanto gemunkelt.

Beim unabhängigen Arznei-Telegramm in Berlin hält man die Langzeitverträglichkeit des Süßstoffs nach wie vor für "klärungsbedürftig" und empfiehlt vorerst "auf Apartam-gesüßte Produkte zu verzichten." Anders beim Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz. Dort heißt es, der Krebsverdacht sei "insgesamt haltlos". Christoh Römer von der Berliner Verbraucherzentrale betrachtet die Angelegenheit pragmatisch: "Es sollte schon bei den Kindern anfangen, sie gar nicht erst an allzuviel Süßes zu gewöhnen", rät er. Im übrigen seinen Süßstoffe ohnehin nur für Diabetiker sinnvoll.

(1) Aspartam wird zum Teil bereits gentechnisch erzeugt.
(2) Auch bei NutraSweet Deutschland herrscht die Meinung, der gegenwärtige Stand sei "eindeutig" und Olney "lange widerlegt".

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