Die Bauern gehen auf die Barrikaden

Gen-manipulierte Baumwolle erregt in Indien den Zorn traditioneller Produzenten, die ihren Ruin befürchten

erschienen in: Frankfurter Rundschau, 11.01.1999
Autorin und © Ute Sprenger

Während es in Westeuropa vor allem die Verbraucher sind, die sich dagegen wehren, daß nicht gekennzeichnete gentechnisch manipulierte Produkte verkauft werden, gehen in Indien derzeit die Produzenten auf die Barrikaden. Entrüstet über die Politik des US-amerikanischen Chemiegiganten Monsanto und über die Untätigkeit der eigenen Behörden haben unlängst Bauern im Baumwollgürtel des Subkontinents mehrere Versuchsfelder mit genmanipulierten Kulturen niedergebrannt. Die Experimente sollten die für dieses Jahr geplante Vermarktung von insektenresistentem Baumwollsaatgut vorbereiten. In Andhra Pradesh wie auch im Nachbarstaat Karnataka, wo der Bauernverband KRRS seit langem Sturm gegen die Gentechnologie läuft und dies mit einer radikalen Ablehnung der Welthandelsorganisation WTO verbindet, begann im November der Aufruhr gegen den Konzern.

Als in den 80er Jahren der Weltmarkt nach immer mehr Textilfasern verlangte und die Baumwolle boomte, gaben vor allem Indiens Kleinbauern ihre früheren Mischkulturen auf und stiegen auf Hybridsorten und Monokulturen um. indische Baumwollfarmer Und eben diese Kleinbauern befürchten nun den Ruin, sollten transgene Sorten den indischen Markt erobern.

"Unter guten Bedingungen angebaut bringt Baumwolle beträchtliche Erträge", sagt Professor Chari vom Centre for World Solidarity (CWS) in Hyderabad. Die Partnerorganisation der in Berlin ansässigen Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt (ASW) ist vor allem unter den kastenlosen Dalit und unter kleinbäuerlichen Familien, die zwischen ein und fünf Hektar bewirtschaften, aktiv. "Was jetzt die Bauern und mit ihnen viele, die sich aufrichtig für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzen, so aufgebracht hat, ist die Vermutung, daß ihnen mit der Einführung von insektenresistenter Baumwolle die Kontrolle über das Saatgut noch rascher als ohnehin schon aus der Hand gleiten wird." Als ehemaliger Direktor der Tabakforschung und Entomologe ist der Professor vertraut mit den Problemen, die die intensiven Kulturen und der Einsatz synthetischer Pestizide verursachen. Im CWS leitet er heute ein Programm zur biologischen Schädlingskontrolle. Dort hat man über zehn Jahre hinweg erfolgreich Methoden entwickelt, mit denen Kulturschädlinge umweltschonend und sozialverträglich in Schach gehalten werden können. Mittlerweile nutzt auch die Landwirtschaftsbehörde das Know-how der Nichtregierungsorganisation.

Prof. Chari Indische Baumwolle, so berichtet Professor Chari, zählt zu der weltweit am stärksten belasteten Sorten. Und zunehmend machen Mißernten den Bauern zu schaffen. Mehr und mehr widerstehen die gefräßigen Insekten den chemischen Keulen, und die natürlichen Feinde wurden inzwischen ausgerottet. Viele der Kleinbauern stehen bei Pestizidhändlern und Saatgutfirmen in der Kreide und sehen sich den eskalierenden Resistenzen und dem wirtschaftlichen Bankrott hilflos gegenüber. In jüngster Zeit erschütterten wiederholt Selbstmorde überschuldeter Farmer Indiens Baumwollgürtel. Zuletzt in der Erntesaison 1997/98. "Wenn es im vergangenen Jahr die Pestizide waren, die Hunderten von Baumwollbauern den Todesstoß versetzt haben", so der Professor, "so geht heute die Furcht um, daß die Experimente Monsantos den verzweifelten Farmern sprichwörtlich das Genick brechen werden."

Seit dem Beginn eines Joint Venture mit Indiens größtem Saatguthersteller Mahyco im Mai 1998 dominiert Branchenführer Monsanto den indischen Markt für Baumwollsaaten. Der neuen Baumwollsorte, "Bollgard" mit Handelsnamen, wurde ein Toxin aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt) eingeschleust, das als Fraßgift auf bestimmte Insektenarten wirkt. "Bollgard-Baumwoll Technologie ist die fortschrittlichste verfügbare Technologie zur Kontrolle der Kapselraupe, des verheerenden indischen Baumwollschädlings", verspricht eine Anzeige des Agrobiotech-Konzerns.

Natürliches Bt ist seit vielen Jahren ein auch im organischen Anbau eingesetztes Bio-Pestizid, das sich rasch abbaut. Die Pflanzen mit veränderter Erbsubstanz dagegen erzeugen ständig das Toxin. Es wird folglich nicht allzu lange dauern, bis die Insekten auch diese Resistenz überwunden haben werden. Zudem ist Bt auch schädlich für Nützlinge. Laut Monsanto wird Bollgard-Baumwolle inzwischen in den USA, Mexiko, Australien, China und Südafrika kommerziell angebaut.

1996 allerdings klagten US-amerikanische Farmer gegen den Konzern, weil dessen transgene Pflanzen auf ihren Feldern derart stark von Insekten befallen wurden, daß sie ungewöhlich hohe Verluste hinnehmen mußten. Bei dem Unternehmen gibt man dafür dem Wetter die Schuld. "Es hat sich herausgestellt", betont indes Professor Chari, "daß es selbst im besten Falle notwendig ist, die Bollgard-Kulturen mit Insektiziden zu besprühen. Das steigert die Kosten der Bauern und somit deren Schuldenlast." Mitnichten also böten die kapitalintensiven High-Tech Kulturen Indiens Bauern Auswege aus dem Teufelskreis von Verschuldung und Verarmung. Anstatt die Natur zu bekämpfen, sollte deshalb auf umweltfreundliche Methoden umgestellt werden, die das traditionelle Wissen der Bauern einbeziehen. "Die von uns geförderten Methoden sind zwar langwieriger, dafür aber nachhaltiger als die Anwendung von Pestiziden oder von Bt-Baumwolle."

Auf Seiten der indischen Bürokratie reagierte man erst, als die Wogen schon hoch schlugen. Wie in vielen Ländern des Südens mangelt es auch in Indien an einem wirksamen Kontrollsystem für den Umgang mit rekombinierten Organismen. Und anstelle von Transparenz herrscht ein Durcheinander verschiedener Zuständigkeiten in Fragen biologischer Sicherheit. So waren zwar die Freilandversuche schon im August 1998 vom Department for Biotechnology, einer Behörde der Zentralregierung, genehmigt worden.

Die Regionalbehörden der betroffenen Bundesstaaten aber wurden nicht darüber benachrichtigt. Dort erfuhr man erst Mitte November mehr oder weniger zufällig von den Experimenten. Ebensowenig fanden die Tests selbst unter kontrollierten Bedingungen statt. Nicht einmal die Bauern wußten, was da auf ihren Feldern heranwuchs. "Die Bollgard-Versuche waren eigentlich Nicht-Versuche, durchgeführt unter Umgehung vorhandener Vorschriften", meint deshalb die Physikerin und Ökologin Vandana Shiva.

Ende November kündigte die Regierung Karnatakas die Einrichtung einer Untersuchungskommission an. Andhra Pradesh stoppte die Tests auf den Äckern der Bauern. Zukünftig dürfen Experimente mit Bt-Baumwolle dort nur noch unter Aufsicht der Agraruniversitäten stattfinden. Inwieweit dies, wie viele Kommentatoren vermuten, allein populistische Maßnahmen sind, bleibt abzuwarten.

Tatsächlich fährt die Zentralregierung einen anderen Kurs. Mit einer neuen Wirtschaftspolitik wirbt sie um privates Kapital im Ausland und räumt dabei den Konzernen immer mehr Freiheiten ein. Ende Dezember verabschiedete das Unterhaus ein Gesetz, mit dem das alte Patentrecht Indiens dereguliert wurde. Bislang gab es in Indien keine Patente auf Produkte, sondern nur auf Herstellungsprozesse. Das hielt die Preise niedrig. Das neue Gesetz sieht nun einen Produktschutz vor, was vor allem der agrochemischen Industrie und den Pharmakonzernen zugute kommen wird.

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Reaktion der deutschen Monsanto: "Vorwürfe aus der Luft gegriffen"

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