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Nachhaltiges Deutschland - Ein Blick aus dem Süden 10 Jahre nach Rio
Sustainable Germany - A View from the South Ten Years After Rio
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Nachhaltigkeit & Lebensstil in Deutschland
"Nachhaltiges Deutschland - Ein Blick aus dem Süden 10 Jahre nach Rio"
Von 2001 bis 2002 untersuchte ein vierköpfiges Team aus Indien, Chile, Jordanien und Kenia im Auftrag der
Heinrich-Böll-Stiftung den Stand der nachhaltigen Entwicklung in Deutschland.
Das Team aus dem Süden bestand aus der Journalistin Meena Menon, dem Biologen Bernardo Reyes, dem Ökologen Batir Wardam und der
Nahrungsmittel- und Agrarbiotechnologin Jane Ngige. Koordiniert wurde das Experiment samt der daraus resultierenden Studie
von der Soziologin Ute Sprenger.
Die Aufgabenstellung des Teams fokusierte dabei auf die drei zentralen Themenbereiche, die seinerzeit in der deutschen
Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie einen zentralen Platz einnahmen: 1) Energie und Klimaschutz, 2) Mobilität und Verkehr,
3) Landwirtschaft und Naturschutz.
Das Süd-Team nutzte bei seinen Exkursionen in Städte und in ländliche Regionen hauptsächlich öffentliche Transportmittel.
Es nahm teil an Seminaren, besuchte Institutionen, Projekte und Unternehmen vor Ort und führte Interviews. Die
GesprächspartnerInnen kamen aus vielen verschiedenen gesellschaftlichen Schichten - von Privatsektor und
Zivilgesellschaft, über Verwaltung und Politik, bis hin zur Kirche und zum Bildungsbereich. Das Bild wurde ergänzt
durch Recherchen in offiziellen Publikationen, grauer Literatur, Zeitungsartikeln und dem Internet.
Im September 2001 nahm das Team an der Auftaktkonferenz des Nationalen Nachhaltigkeitsrats in Berlin teil. In der zweiten
Projektphase wurde in Düsseldorf ein Workshop mit VertreterInnen aus den Bereichen Schule und Jugend, Gender, Kirche, Umwelt,
Industrie, Gewerkschaft und Landwirtschaft durchgeführt, um einen ersten Einblick in die Studie zu geben und einen Teil
der Ergebnisse einer Überprüfung zu unterziehen. Im Jahr 2002 schließlich wurde die Untersuchung auf dem Weltgipfel in
Johannesburg der Öffentlichkeit vorgestellt.
Das Vorwort des Süd-Teams:
"Es ist selten, dass Menschen aus dem so genannten Süden oder den Entwicklungsländern die Möglichkeit gegeben wird,
einen Blick auf die Nachhaltigkeit im Norden zu werfen. Durch die Idee der Heinrich-Böll-Stiftung, einem kleinen,
aus Nichtfachleuten bestehenden Team, deren Mitglieder aus Entwicklungsländern wie Kenia, Jordanien, Chile, Indien
stammen, eine Studie zum Stand der Nachhaltigkeit in Deutschland zehn Jahre nach Rio durchführen zu lassen, erhielten
wir die Gelegenheit, dem Land in zwei Etappen (September 2001 und April 2002) insgesamt einen Monat lang einen Besuch
abzustatten, um aus unserer Perspektive einzuschätzen, welche Beiträge die Bundesrepublik im Hinblick auf ihre beim
Erdgipfel von Rio 1992 gemachten Absichtserklärungen geleistet hat. Gefragt war keine Aufzählung der Geschehnisse im
Lande in allen Einzelheiten. Es ging vielmehr darum, einen Überblick über positive und negative Entwicklungen zu geben.
Für alle Teammitglieder gilt, dass sich die Konsummuster des Nordens in irgendeiner Weise auch auf ihre jeweiligen Länder
auswirken, zumal sich inmitten all der „Armut“ und Unterentwicklung kleine Inseln mit aufwendigem Lebensstil bilden.
Es gibt etliche Forschungsberichte zu und Analysen der Geschehnisse in der Bundesrepublik – einschließlich der erforderlichen
Maßnahmen, die jedoch nicht mit der gebotenen Überzeugung umgesetzt werden. Was also läuft schief, und wie können wir als
Gruppe mit vielseitigem Hintergrund eine Verbindung zur Entwicklung in Deutschland herstellen?
Wir setzten uns zum Ziel, durch Gespräche Eindrücke aus erster Hand zu gewinnen, nach Möglichkeit jeweils Besuche vor Ort
abzustatten und, neben der Fülle der über das Internet verfügbaren Informationen, vorhandene Berichte und Empfehlungen
zu untersuchen. Die meisten unserer Überlegungen gründen sich auf Informationen, die wir mit Hilfe unserer Gesprächspartner
und durch eigene Beobachtungen gewinnen konnten. Ein impressionistischer Bericht, der jedoch zum größten Teil durch Fakten
untermauert wird. Und bei vielen unserer Beobachtungen konnten wir große Ähnlichkeiten mit den Gegebenheiten in unseren
jeweiligen Ländern feststellen. Dies gilt insbesondere für die Qualität der Entscheidungsfindung und Beteiligung der Öffentlichkeit.
Die Grundsätze und Rahmenbedingungen liegen zwar vor, ergeben jedoch wenig Sinn, wenn keine Verbindung zu den Interessen
der Bevölkerung besteht.
Wir haben Konsummuster beobachtet, die sich auch in unseren Ländern widerspiegeln: in Autobahnen und Überführungen, in
Fertiggerichten oder Fast Food und einem luxuriösem Lebensstil, den sich nur wenige leisten können. Wir wollen nicht
Deutschland die Schuld für unsere Exzesse zuschreiben, aber sie sind doch eindeutig Bestandteil einer Welt, in der der
Verbrauch die Ressourcen rasch übersteigt. Und in dem Versuch, mit diesem Entwicklungsmodell mitzuhalten, verhalten sich
unsere Länder – ganz gleich, ob richtig oder falsch – genauso.
Wie also unterscheidet sich unser Blickwinkel? Wir sehen die selben Dinge wie jeder andere auch und hatten Zugang zu dem
selben Material, das allen zur Verfügung steht. Unsere gefühlsmäßigen Eindrücke unterscheiden sich jedoch vielleicht ein
wenig. Wenn wir sehen, wie in den entwickelten Ländern die Zunahme der Anzahl der Autos das Bevölkerungswachstum übersteigt,
so ruft dies gemischte Gefühle bei uns hervor – vergleichbar der Reaktion in den entwickelten Ländern angesichts unserer
ständig wachsenden Bevölkerungszahlen. Können wir aus diesem Grunde eine Geburtenkontrolle für Autos befürworten? Dies
würde dem demokratischen Geist, an den wir glauben, widersprechen. Dennoch ist die Lage im Norden in vielerlei Hinsicht
bedauerlich, um so mehr, als dass die Entwicklungsländer diese zum Modell für Wachstum und Fortschritt nehmen.
Nun, gegen Ende unseres Besuchs, können wir viele Ähnlichkeiten und Unterschiede in unserer Herangehensweise zur Bewältigung
des Problems der Nachhaltigkeit erkennen. Wir stammen bereits aus nachhaltigen Gesellschaften, deren Entwicklung sich
Richtung mehr Industrialisierung und Energieverbrauch geändert hat. Die Frage lautet nun, wie man diese Fehlentwicklungen
rückgängig machen kann. So lange Länder wie die Bundesrepublik weiterhin ihren Konsum steigern und einen Trend in diese
Richtung setzen, werden die Länder des Südens dem nacheifern. Für ein gewisses Maß an Ehrlichkeit in Bezug auf den globalen
Verbrauch der Ressourcen bedarf es also eindeutiger Signale – nicht indem man uns vorschreibt, weniger zu verbrauchen,
sondern indem mit gutem Beispiel vorangegangen wird.
Es war interessant zu beobachten, wie inmitten des ganzen Energiekonsums und all dieser schnellen Autos noch immer Platz
für Diskussionen über einen gerechteren Lebensstil ist. Zumindest in den Städten sind einige gute öffentliche Verkehrsnetze
und ein Engagement für die Nutzung von Fahrrädern, Car Sharing oder für das Zu-Fuß-Gehen zu verzeichnen. Des Weiteren
gibt es eine Tendenz hin zu erneuerbaren Energien und Energiesparmaßnahmen sowie den Widerstand gegen genetisch manipulierte
Organismen. Der Konsum von biologisch erzeugten Nahrungsmitteln steigt, wenn auch langsam, an. Diese Beispiele zeigen,
was erreicht werden kann, wenn Engagement vorhanden ist sowie Themen auf globaler Ebene begriffen und mit denen der lokalen
Ebene verknüpft werden. Aber sie bedeuten auch einen dramatischen Wandel in Lebensstil und Denkweise, der nicht durch Gesetzesvorschriften,
Technologien oder öffentliche Abgaben erzwungen werden kann. Die Haltung hat sich geändert, und das ist das Wesentliche, zumal
niemand ohne guten Grund seine derzeitigen Konsummuster aufgibt. Hierin besteht gewissermaßen das globale Dilemma: Wie
viel ist genug, und wo hört man auf?
Wir hoffen, keine zusätzliche Verwirrung in der Nachhaltigkeitsdebatte in Deutschland zu stiften.
Meena Menon (Indien), Bernardo Reyes (Chile), Batir Wardam (Jordanien), Jane Ngige (Kenia)"
Downloads:
Zukunftsfähiges Deutschland - Ein Blick aus dem Süden 10 Jahre nach Rio (PDF, 360 KB)
Eine Untersuchung von Meena Menon, Bernardo Reyes, Jane Ngige, Batir Wardam, Ute Sprenger (Koordinatorin)
World Summit Paper der Heinrich-Böll-Stiftung Nr. 17, Berlin, 2002
Sustainable Germany - A View from the South 10 Years After Rio. (PDF, 330 KB)
An assessment by Meena Menon, Bernardo Reyes, Jane Ngige, Batir Wardam, Ute Sprenger (Co-ordinator)
World Summit Paper der Heinrich-Böll-Stiftung Nr. 16, Berlin, 2002
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