NVwZ 1995, 498 |
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Rechtsnatur der Scientology-BewegungLeitsatz:
Zum Sachverhalt:Der Ast. ist im Vereinsregister unter dem Namen "Scientology Kirche Hamburg e.V." eingetragen. In § 2 I der Satzung heißt es zum "Zweck der Kirche":§ 2. (1) Der Verein ist eine Religionsgemeinschaft (Kirche). Der Zweck der Kriche ist die Pflege und Verbreitung der Scientology-Religion und ihrer Lehre. Die Scientology Kirche sieht es als ihre Mission und Aufgabe an, den Menschen Befreiung und Erlösung im geistig-seelischen Sinn zu vermitteln, wodurch sie eine Verbesserung möglichst vieler und zahlreicher Mitglieder in sittlicher, ethischer und spiritueller Hinsicht bewirken will, so daß wieder gegenseitiges Verstehen und Vertrauen unter den Menschen herrscht und eine Gesellschaft ohne Krieg, ohne Wahnsinn und ohne Kriminalität geschaffenw wird; eine Gesellschaft, in der sich der Mensch gemäß seinen Fähigkeiten und seiner Rechtschaffenheit entwickeln kann; eine Gesellschaft, in der der Mensch die Möglichkeit hat, sich zu höheren Ebenen des Seins zu entwickeln.Im Jahre 1993 ist eine von C. Minhoff und G. Müller verfaßte Schrift unter dem Titel "Scientology - Irrgarten der Illusion" als "Sonderdruck für die Landeszentrale für politische Bildung und die Innenbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg" mit einem Vorwort von W. Hackmann als Präses der Behörde dür Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg erschienen. Diese Schrift mit einer Einleitung von 2 Seiten und fünf Kapiteln über 104 Seiten sowie einem Anhang über 7 Seiten hat die Ag. (Freie und Hansestadt Hamburg) kostenlos über die Landeszentrale für politische Bildung und die Arbeitsgruppe Scientology der Behörde für Inneres in einer Stückzahl von 8000 (nach anderen Angaben 10000) verteilt (6000 Exemplare an Schulen, Bücherhallen, Parteien und Politiker; 1000 Exemplare über die Arbeitsgruppe Scientology und 100 Exemplare über die Landeszentrale für politische Bildung). Der Ast. sieht sich durch verschiedene in dieser Schrift enthaltene Äußerungen in seinen Rechten beeinträchtigt und hat beim VG beantragt, die Ag. im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Verbreitung folgender Äußerungen mit der Schrift "Scientology - Irrgarten der Illusionen" zu unterlassen:
Aus den Gründen:B.I. Die Klage ist zulässig und auch begründet.Nach § 123 I 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor der Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden.Die Voraussetzungen dafür hat der Ast. nach § 123 III VwGO i.V. mit § 920 II ZPO glaubhaft gemacht. 1. Das VG hat zutreffend dargelegt, daß für den vom Ast. im Verfahren nach § 123 VwGO verfolgten Unterlassungsanspruch (Abwehranspruch) der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 I 1 VwGO eröffnet ist. Die Vertreibung der Schrift "Scientology - Irrgartne der Illusionen" durch Träger der öffentlichen Verwaltung in Hamburg unter Berufung auf öffentlichrechtliche Normen als Grundlage für diese Handlung hat hoheitlichen Charakter. Greift die Ag. bei ihrem Vorgehen in Rechte des Ast. ein und muß dieser einen solchen Eingriff nicht dulden, steht ihm ein öffentlichrechtlicher Unterlassungsanspruch zu, der dem bürgerlichrechtlichen Abwehranspruch nach dem Rechtsgedanken aus § 1004 BGB nachgebildet ist (OVG Hamburg, DVBl 1986, 691). 2. Das VG hat aber die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs im vorliegenden Fall zu Unrecht verneint. Es ist allgemein anerkannt, daß das öffentliche Recht den Betroffenen nicht weniger schützt als das Zivilrecht. Das öffentliche Recht gewährt Abwehr- und Beseitigungsansprüche, die in dem jeweils angegriffenen Rechtsgut und seinem öffentlichrechtlichen Schutz ihre Grundlage finden (BVerwG, NJW 1985, 1481). Grundsätze des materiellen Rechtsstaats, zu denen auch die Grundsätze gehören, verlangen bei rechtswidrigem Handeln eine Sanktion, die sich nicht nur in der Zahlung einer Entschädigung erschöpfen kann. Vielmehr muß eine als rechtswidrig erkannte, in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen eingreifende Beeinträchtigung beseitigt und ihrer Wiederholung vorgebeugt werden. Dies ist nicht nur ein Ziel individuellen Rechtsschutzes, sondern eine für die öffentiche Hand bestehende objektive Verpflichtung, wie etwa Art. 20 III GG verdeutlicht (vgl. BVerwG, NVwZ 1994, 276 = DÖV 1994, 341 [344]). a) Der Ast. kann sich nicht nur auf den Schutz des Art. 2 I GG berufen, der ihm das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit nur unter einem dreifachen Vorbehalt gewährt, nämlich dem der Rechte anderer, dem der verfassungsmäßigen Ordnung und dem des Sittengesetzes. Es kommt in Betracht, daß ihm der Schutz auch Art. 4 GG zusteht, der gegenüber Art. 2 I GG als lex specialis einen weiterreichenden, wenn auch keinen schrankenlosen Schutz gewährt (BVerfGE 32, 98 [107] = NJW 1972, 327; BVerfGE 52, 223 [246] = NJW 1980 575). Die eigenen Angaben des Ast, sprechen dafür, daß ihn seine Lehre zu einer Weltanschauungsvereinigung i.S. von Art. 4 GG macht. Ebenso sprechen dafür Äußerungen Außenstehender, nicht zuletzt auch Äußerungen, auf die sich die Ag. im vorliegenden Verfahren stützt. Daß eine abschließende Klärung dieser Frage deshalb nicht möglich ist, weil offenbleiben muß, ob durch weltanschaulich gestaltete Lehren und Betätigungen eine bloße profane Lebenshilfe versprechendes Gewerbe nur verschleiert werden soll, wirkt sich nicht zum Nachteil des Ast. aus. b) Der Ast. beruft sich darauf, durch verschiedene Äußerungen in der von der Ag. verbreiteten Schrift in seinen Grundrechten aus Art. 4 I und II GG verletzt zu sein. Die Ag. vertritt die Ansicht, der Ast. könne weder als eine Kirche noch als eine Weltanschauungsgemeinschaft i.S. von Art. 4 GG den Schutz dieser Grundrechte für sich in Anspruch nehmen. aa) Das VG hat dem Ast. im vorliegenden Verfahren den Schutz aus Art. 4 I und II GG mit der Begründung versagt, es sei außerordentlich fraglich. ob der Ast. sich auf diese Bestimmungen berufen könne. Dem ist insoweit zu folgen, als allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion und sei eine Religionsgemeinschaft, die Gewährleistung der Freiheitsrechte aus Art. 4 I und II GG nicht zu rechtfertigen vermögen (BVerfGE 83, 341 [353] = NJW 1991, 2623). Für die Beurteilung von Weltanschauungsgemeinschaften gilt nichts anderes (BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], NVwZ 1993, 357 [358]). bb) Andererseits ist das Selbstverständnis der jeweiligen Gemeinschaft nicht ohne Bedeutung (BVerwGE 61, 152 [160] = NJW 1981, 1460). Auch als Verein kann der Ast. gem Art. 19 III GG Träger des Grundrechts aus Art. 4 GG sein (BVerwGE 90, 112 [115] = NJW 1992, 2496). Der Religionsbegriff des Art. 4 GG ist weit (vgl. BVerfGE 24, 236 [246] = NJW 1969, 31), und die Abgrenzung zum Begriff der Weltanschauungsgemeinschaft ist nicht etwa (BVerwGE 61, 152 [156] = NJW 1981, 1460). Unter Religion und Weltanschauung ist eine mit der Person des Menschen verbundene Gewißheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens zu verstehen; dabei legt die Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende ("transzedente") Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innere weltliche ("immanente") Bezüge beschränkt (BVerwGE 90, 112 [115] = NJW 1992, 2496; vgl. auch Obermayer, DVBl 1981, 615 [617]; Müller-Volbehr, JZ 1981, 41 [42]). "Die Vermittlung und Ausübung einer geistigen Technik ohne bestimmte gedankliche Inhalte oder die Gewährung bloßer Lebenshilfe wird jedoch nicht von Art. 4 GG geschützt" (BVerwGE 82, 76 [78] = NJW 1989, 2272). c) Der Ast. hat in der Beschwerdeinstanz mit Schriftsatz vom 14.2.1994 auf den Seiten 7-17 ... Lehre und Ziele der Scientology, die praktische Verwirklichung der Lehre sowie unter Vorlage einer Zusammenstellung von Blöhbaum als Präsident der Scientology Kirche Deutschland e.V. vom 14.2.1994 ... das Kurssystem darstellt. aa) Diese Darstellung findet sich in ihren Grundzügen auch in der Schrift "Scientology - Irrgarten der Illusionen" in Kap. 2 wieder. Dort sprechen die Verfasser von einer Lehre der SC, einer Ideologie und einer Heilslehre nebst Heilstechnik. In einer Einleitung erwähnen die Verfasser daß es das von dem Gründer der Scientology vorgegebene Ziel sei, die gesammte Menschheit für Scientology zu gewinnen. Auch Senator Hackmann geht in seinem Vorwort auf Lehren und Ideen der Scientology ein, die er zu den Organisationen rechnet, die als sogenannte Jugendsekten, religiöse Bewegungen, Psychokulte und Gurubewegungen bekannt sind. Das ist vermutlich auch der Grund, weshalb die Ag. den Auftrag zur Erstellung der Schrift den beiden Verfassern erteilt hat, die dem Leser als Fachleute für pseudoreligiöse Bewegungen vorgestellt werden. Da mag es zwar berechtigt sein, dem Ast. und seinen Mitgliedern die Verbreitung einer Religion i.S. von Art. 4 I GG abzusprechen, nicht aber dem Ast. ohne eine nachvollziehbare Darstellung auch den Charakter einer Weltanschauungsgemeinschaft i.S. von Art. 4 I GG.
Die Ag. hat sich verschiedentlich auf die von
der Bürgerschaft durchgeführte Anhörung von Experten zur
SC-Organisation berufen und mit Schriftsatz vom 4.6.1993 die
Bürgerschafts-Drucksache 14/2024 vom 26.5.1992 vorgelegt ... Bei
dieser Angelegenheit hat sich Prof Dr. H.-P. Schneider von der
Universität Hannover dahin geäußert, daß Scientology
keine Kirche im Sinne des Grundgesetzes sei. Schwieriger sei einfach die
Frage zu beantworten, ob Scientology eine Religionsgemeinschaft sei, doch
halte er die Scientology für eine Weltanschauungsgemeinschaft, eine
mit dem Anspruch einer Religion auftretende religiöse Philosophie, bei
der Anleihen an alle möglichen Religionen feststellbar seien, was zu
einer merkwürdigen Mischung von Gedanken und Ideen führe, deren
Zentrum aber der Mensch selbst in seiner Innerweltlichkeit sei (S. 6 der
Bü-Dr ...).
Auch in der von der Ag. als Anlagen 25, 26 und 27 zu ihrem
Schriftsatz vom 7.4.1994 ... vorgelegten Auszüge aus Büchern,
Berichten und Informationsbroschüren wird die Lehre der Scientology
als eine der "Neureligiösen Bewegungen" zur Diskussion gestellt bzw.
dem Leser als sogenannte neuere Glaubensgemeinschaft oder als
Weltanschauungsgruppierung vorgestellt. cc) Unter diesen Umständen kann die Ag. sich für ihren gegenteiligen Standpunkt nicht mit Erfolg auf Badura berufen. Badura sagt in seiner Schrift "Der Schutz von Religion und Weltanschauungsgemeinschaft durch das Grundgesetz" auf S.56 zwar, daß hinreichende Anhaltspunkte dafür fehlen, daß Scientology eine Weltanschauungsgemeinschaft sei. Es heißt dort weiter, die Organisation biete Techniken der Selbstfindung und Lebenshilfe an, die von bestimmten Anschauungen über den Menschen als Geist-Seele Wesen bestimmt seien, nicht aber sei eine Weltanschauung prägendes Element einer Gemeinschaft und der Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft. Hieran läßt sich deshalb zweifeln, weil zahlreiche Scientologen in ihren vom Ast. dem Gericht vorgelegten Erklärungen die Bedeutung der Gemeinschaft der Scientologen für sie betont haben ... Zudem hat die Ag. in ihrem Schriftsatz vom 7.4.1994 Badura unvollständig zitiert. Es heißt in seiner Schrift am angegebenen Ort nämlich weiter: "Soweit weltanschauliche Überzeugungen und deren Ausübung vorhanden sind, greift der Schutz der Religioinsfreiheit ein." Die vom Ast. und - im wesentlichen inhaltsreich - auf S. 35 ff. der von der Ag. verbreiteten Schrift dargestellte Lehre als solche über den Thetan, sein Wesen, sein Schicksal und seine Behandlung unterfällt dieser These. dd) Auch in dem "Handbuch Religiöse Gemeinschaften, erschienen 1978, wird die Scientology Kirche Deutschland e.V. unter 5. mit der Überschrift "Neureligionen" auf S. 636 als Weltanschauungsgemeinschaft eingeordnet. Dr. theol. W Thiede, wissenschaftlicher Referent der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Stuttgart, bezeichnet in seinem Aufsatz "Scientology - Der geistesmagische Konzern" in "Aus Politik und Zeitgeschichte" vom 8.10.1993 (verteilt auch bei der Landeszentrale für politische Bildung der Ag.) Scientology als selbsternannte "Kirche", die aber eine Weltanschauungsgemeinschaft sei. Weitere Nachweise hierzu finden sich bei Scholz in seinem Aufsatz "Neue Jugendreligionen und Grundrechtsschutz nach Art. 4 GG" (NVwZ 192, 1152 [1153]). ee) Die Autoren der Schrift "Scientology - Irrgarten der Illusionen" sehen in den Lehren der Scientology eine Lebensphilosophie aus der "Science-fiction-Welt" (S. 53), und auch Thiede (aaO) findet in der Weltanschauung der Scientology "Science-fiction-Dimensionen". Das ist für den Leser, der die Darstellung der Lehre durch den Ast. zur Kenntnis nimmt, nachvollziehbar, das läßt den Schutz des Art. 4 GG aber nicht entfallen. Die Qualität einer Religion oder Weltanschauung, wenn sie sich überhaupt bestimmen läßt, und auch ihre Ratio sind für die Garantie der Glaubensfreiheit nicht maßgebend. Soweit der Schutz des Art. 4 GG reicht, ist er allen Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften in gleicher Weise zu gewähren. Er kann einen Minderheitenschutz sogar vor verhältnismäßig geringfügigen Beeinträchtigungen bieten (BVerfGE 35, 366 [376] = NJW 1973, 2196). d) Die Ag. vertritt die Ansicht, daß die Bezeichnung als "Religion" oder "Kirche" dem Ast. nur zur Tarnung seiner eigentlichen Absichten diene, daß er auch nicht als Weltanschauungsgemeinschaft i.S. von Art. 4 GG einzuordnen sei, weil er nämlich als ein Geschäftsunternehmen in Erscheinung trete, dessen Streben auf materiellen Gewinn ausgerichtet sei. Das Streben nach Macht und Geld werfen auch andere dem Ast. vor. So die Verfasser der Schrift "Scientology - Irrgarten der Illusionen", Thiede (aaO, S. 31), Journalisten in Tages- und Wochenzeitungen. Senator Hackmann schreibt in seinem Vorwort: "Unter einem weltanschaulichen Mantel werden die eigentlichen Ziele verschleiert", ohne diese Ziele im Vorwort aufzuzeigen. aa) Nach der Rechtssprechung des BVerwG, der das Beschwerdegericht folgt, wird eine Gemeinschaft nicht durch das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit geschützt, wenn ihre religiösen oder weltanschaulichen Lehren nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele dienen. Dagegen entfällt der Schutz dieses Grundrechts nicht schon dann, wenn sie sich "überwiegend" wirtschaftlich betätigt (BVerwGE 90, 112 [116ff.] = NJW 1992, 2496). bb) Der Ast. bestreitet nicht, durch den Verkauf von Büchern, Broschüren und E-Metern sowie durch das Angebot von Kursen gegen Entgelt Einnahmen zu erzielen. In Hamburg hat das OVG die Ansicht des Bezirksamts Hamburg-Mitte bestätigt, das davon ausgeht, der Ast. betreibe ein Gewerbe i.S. von § 14 GewO (DVBl 1994, 413). Ob der Scientology Kirche deshalb die Rechtsfähigkeit zu entziehen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. einerseits LG Hamburg, NJW 1988, 2617 m. abl. Anm. von Karsten Schmidt in NJW 1988, 2574, und andererseits OLG Düsseldorf, NJW 1983, 2574, sowie VG München, GewArch 1984, 329, und das VG Stuttgart, NVwZ 1994, 612). Das OVG Hamburg und das VG Stuttgart haben sich nicht mit der Frage geschäftigen brauchen, ob es sich bei der Scientology-Kirche um eine Religionsgemeinschaft oder um eine weltanschauliche Vereinigung handelt. Den Gründen dieser Entscheidungen läßt sich darum nichts darüber entnehmen, ob die Lehre der Ast. nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele dienen. Das läßt sich auch im vorliegenden Verfahren jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bejahen. Einzelne Umstände geben Anlaß, diesem Gesichtspunkt nachzugehen. Es fehlt aber an zureichenden Gründen, die dem Gericht die Feststellung erlauben würden, der Ast. oder eine hinter ihm stehende Organisation verfolge unter dem Vorwand, eine weltanschauliche Lehre anzubieten, allein wirtschaftliche Ziele. Die ins einzelne gehende Prüfung der Bücher und Kurse, die der Ast. anbietet, darauf, ob sie in hinreichendem Maße weltanschaulichen Bezug aufweisen oder vielmehr bloße Hilfe zur Bewältigung der Anforderungen des Alltags anbieten, soweit die Untersuchung des Geschäftsgebahrens und der Verwendung des Ertrages seiner Betätigung sind in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu leisten. Dem vom Ast. mit Schriftsatz vom 30.6.1994 vorgelegten Schreiben der deutschen Botschaft in Washington vom 27.10.1993 an das auswärtige Amt in Bonn ist allerdings zu entnehmen, daß Scientology nach einem mehr als 30 Jahre dauernden Verfahren und einer Vielzahl von Prozessen nunmehr in den Vereinigten Staaten Steuerbefreiung wegen religiöser oder karitativer Betätigung zuerkannt worden ist. Auch von daher läßt sich nicht feststellen, daß die Verbreitung der Lehre in Deutschland und die dabei erzielten Einnahmen das Hauptanliegen einer hinter der Ast. stehenden Organisation in den Vereinigten Staaten ist.
Die Tatsache, daß der Ast. seinen Mitarbeitern
Provision gewährt für die Vermittlung von Kursen, besagt nicht
das Gegendteil. Eine Gemeinschaft, die das Ziel verfolgt, der Menschheit
insgesamt ihre Lehre zu vermitteln, die das wiederum nur durch den Verkauf
von Büchern und die Vermittlung von Kursen tut, muß ein eigenes
Interesse an einem Erfolg ihrer Mitarbeiter bei der Werbung neuer
Mitglieder haben.
Nicht nur aus Gründen der Beweislast, sondern auch
deswegen, weil die beanstandeten Äußerungen die vom Ast.
vertretene Lehre als solche abwerten, sich also auf seine Weltanschauung
beziehen, ist danach als seine entsprechend § 1004 BGB geschützte
Rechtsposition das Grundrecht aus Art. 4 GG vorauszusetzen. 3. Art. 4 I und II gewährt dem Ast. Rechtsschutz aber nur gegen rechtswidrige Eingriffe des Staates. a) Nicht jede staatliche Maßnahme, durch die sich der Träger des Grundrechts aus Art. 4 I und II GG in seinen Freiheitsrechten beeinträchtigt sieht, ist rechtswidrig. Denn die vom Grundgesetz gewährte Glaubensfreiheit ist nicht schrankenlos verbürgt, auch wenn sie nicht den Schranken des Art. 2 I oder des Art. 5 II GG unterliegt (BVerfGE 32, 98 [107f.] = NJW 1972, 327). Eingriffe in die freie Religionsausübung sind zulässig, wenn sie zum Schutz kollidierender Grundrecht Dritter oder zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung notwendig sind (BVerfGE 28, 243 [260f.] = NJW 1970, 1729; BVerfGE 44, 37 [50] = NJW 1977, 1279; BVerfGE 52, 223 [246f.] = NJW 1980, 575; krit. dazu Fehlau, JuS 1993, 441-447). Das BVerwG hat der Bundesregierung Befugnisse zur Information und Aufklärung der Öffentlichkeit zuerkannt mit der Begründung es gehöre zu ihren im Grundgesetz vorausgesetzten Aufgaben als Organ der Staatsleitung, die gesellschaftliche Entwicklung ständig zu beobachten, Fehlentwicklungen oder sonst auftretende Probleme möglichst rasch und genau zu erfassen, Möglichkeiten ihrer Verhinderung zu bedenken und die erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten, und zwar unabhängig davon, ob es dazu der Beschlußfassung des Gesetzgebers bedarf oder nicht (BVerwGE 82, 76 [80] = NJW 1989, 2272). Gleiches wird für die Landesregierung in Hamburg anzunehmen sein, auch wenn die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6.6.1952 (HbgGVBl I, 117) ebensowenig wie das Grundgesetz eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für Eingriffe in Grundrechte durch Information und Aufklärung der Öffentlichkeit enthält. Das bedarf im vorliegenden Fall keiner weitergehenden Prüfung, weil sich der Ast. selbst nicht gegen die Information über Scientology überhaupt wendet. c) Auch wenn die Landesregierung und die von ihr mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben beauftragten Dienststellen durch öffentliche Warnung im Hinblick auf das Wirken einer Religions- und Weltansschauunggemeinschaft, die sie als Gefahr für die Allgemeinheit oder für einzelne Bürger ansehen, in deren Grundrecht auf Religions- oder Weltanschauungsfreiheit eingreifen dürfen, steht es ihnen nicht frei, das nach eigenen Gutdünken und ohne gebotene Rücksicht auf die Interessen der Betroffenen zu tun. Der Staat hat bei negativen Äußerungen über Träger des Grundrechts aus Art. 4 GG stets den seine Eingriffmacht mäßigenden und begrenzenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (BVerwGE 82, 76 [81] = NJW 1989, 2272; BVerfG, NJW 1989, 3269 [3270]) und sich strickt innerhalb dieser Grenzen der Erforderlichkeit und der Angemessenheit bzw. Zumutbarkeit zu halten. d) Soweit der Ast. im vorliegenden Verfahren Äußerungen in der von der Ag. verbreiteten Schrift "Scientology - Irrgarten den Illusionen" beanstandet, hat die Ag. die von ihr strikt zu achtenden Grenzen überschritten. Insoweit verletzen Äußerungen das von der Ag. gegenüber dem Ast. zu beachtende Neutralitäts- und Toleranzgebot durch einseitig negative und zudem unsachliche Bewertungen der Lehre des Ast. Dieses Vorgehen wird von der Aufgabenstellung der Ag. nicht gedeckt. Ihr Eingriff in das Grundrecht Ast. aus Art. 4 I und II GG ist in diesem Umfang rechtswidrig. 4. Dafür gilt im einzelnen folgendes: Die Verfasser der Schrift sagen in der Einleitung, daß es bereits eine Menge Literatur gebe, die versuche, das Phänomen Scientology zu erklären. Bei den Veröffentlichungen in Presse, Hörfunk und Fernsehen werde vor den Gefahren gewarnt, die Scientology verkörpere. Abschreckung stehe dabei im Vordergrund. Doch wenn die Abschreckung versage, dann würden alle Negativ-Schlagzeilen nicht mehr helfen. Gefragt sei Aufklärung, die über Schlagworte und erhobene Zeigefinger hinausgehe. Aufklärung über Scientology müsse Verständnis schaffen für Hintergründe und Ziele der Bewegung, für die von ihr ausgehenden Gefahren. Dazu aber sei umfassende Information notwendig. Auf Seite 33 der Schrift heißt es am Ende: "Eine in Deutschland bisher einmalige Aufklärungswelle hat eingesetzt, deren Erfolg sich indes noch zeigen muß." Dieses selbstgesteckte Ziel, ohne Schlagworte und ohne erhobenen Zeigefinger über Scientology aufzuklären, haben die Autoren bei den vier vom Ast. beanstandeten Formulierungen verlassen. b) Ob die Autoren der Schrift sich bei diesen Äußerungen auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 I GG berufen können, kann offenbleiben. Denn die Ag. kann sich als staatliches Organ nicht auf das Grundrecht der Verfasser der Broschüre aus Art. 5 GG schützen, wie es das VG bei seiner Prüfung angenommen hat. Der Staat unterliegt, wenn er sich warnend über das Wirken bestimmter Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften äußert, im Interesse der betroffenen Grundrechtsträger der Pflicht zu Zurückhaltung und Sachlichkeit. Er kann diese rechtlichen Bindungen nicht in der Weise abstreifen, daß er sich der Hilfe Privater versichert, die die ihnen zustehende, grundrechtlich verbürgte Meinungsfreiheit bis zur Grenze der Schmähkritik nutzen können (BVerwGE 90, 112 [124] = NJW 1992, 2496; Alberts, NVwZ 1992, 1164 [1165]). Die Broschüre "Scientology - Irrgarten der Illusionen" ist im Auftrage der Ag. als Sonderdruck für die Landeszentrale für politische Bildung und die Innenbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg erschienen, um von der Landeszentrale für politische Bildung und der Arbeitsgruppe Scientology der Behörde für Inneres kostenlos an Interessenten abgegeben zu werden. Der Empfänger und Leser dieser Schrift differenziert nicht zwischen Ansichten der Verfasser der Schrift und der der Ag. Die Schrift selbst bietet auch keine Anhaltspunkte, die solche Differenzierungen erlauben würden. Der Leser erkennt das Bestreben der Ag., über Scientology zu informieren, und er wird darum alle Aussagen dahin auffassen, daß sie die Ag. als zutreffend verbreitet. Zudem bildet der Akt der Verbreitung für sich schon einen Eingriff in das Recht der Ast.
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