Dritter Schritt: Der feste Wille, unfallfrei anzukommen
Mit diesem dritten Schritt kommen wir nun vom Übungsgelände auf die Straße.
Hier geht es um die innere Einstellung zum Straßenverkehr: was erwarte ich, was kann mir passieren? Wenn ich mich ans Steuer setze, gibt es für mich nur ein Ziel: nämlich unfall-frei anzukommen. Alle anderen Ziele müssen zwangsläufig zurückstecken.
Andere Ziele könnten z.B. sein:
Zeitdruck (kenne ich bestens aus meiner Reisedienst-Zeit, siehe »Der Autor«). Darf mich nicht zur Unvorsichtigkeit verleiten. Auch wenn ich es noch so eilig habe, kann ich die Kurve nicht mit 95 km/h durchfahren, wenn sie eben nur 90 verträgt. Das geht physikalisch nicht, und bringt mir noch viel mehr Schwierigkeiten ein, als mal zu spät zu kommen. Genauso nützt es mir auch nichts, 2 Meter dicht hinter meinem Vordermann herzufahren, um den zu scheuchen. Lieber auf Abstand, gelassen bleiben, und die nächste Überholmöglichkeit anpeilen.
Angeberei (denen zeige ich, wer hier der Bessere ist). Auf diese Art habe ich bereits drei Freunde verloren. Es war jedesmal das Bestreben, durch überschnelles Kurvenfahren sich selbst oder anderen etwas zu beweisen. Möglicherweise spielt hier ein geringes Selbstwertgefühl eine Rolle. Dadurch wird nach Anerkennung gestrebt, durch Möglichmachen des Unmöglichen. Alle drei waren hervorragende Fahrer und wussten genau, wo die Grenze liegt. Sie haben sie bewusst überschritten.
Emotionen sind ein enorm wichtiger Punkt beim Betrachten von menschlichen Aktivitäten aller Art. Also auch im Straßenverkehr. Ich bin sicher, dass ein großer Teil des Geschehens von Emotionen gesteuert wird. Und ich bin auch sicher, dass ein großer Teil der Unfälle auf Emotionen zurückzuführen ist. Machmal sehe ich es deutlich, wenn jemand mit Vollgas aus einer Situation herausfährt, und ich nachvollziehen kann »ihr könnt mich jetzt alle mal«.
Gemütliches Beisammensein (CD-Player, Kaffee und Zigarettchen. Nett geplaudert und winke-winke gemacht, gelegentlich auch mal auf die Fahrbahn geschaut). Das Cabrio wird zur fahrenden Eisdiele, der Show-Effekt bringt's jetzt.
In dem Moment, wo ich losfahre, muss ich mir klarmachen, dass es jetzt nur noch um eine Sache geht: unfall-frei an's Ziel. Dazu setze ich meine Konzentration und meine Erfahrung ein. Ich betrachte die nun folgende Fahrt nicht als normale Unterhaltung, sondern als Aufgabe, deren erfolgreiche Lösung ich mir und meinen Mitmenschen schuldig bin (insbesondere, wenn diese auch noch vertrauensvoll bei mir im Auto sitzen).
Die Fahrweise wird im folgenden Kapitel beschrieben: »Schritt 4: Beim Fahren nur Fahren und sonst nix«. Spezielle Situationen werden in »Tugenden und Gefahren« vorgestellt.
Die oben angesprochene Fahrweise wird »defensives Fahren« genannt. Das bedeutet, dass ich als oberstes Ziel die Unfallvermeidung anstrebe, und andere Ziele zurückstelle (z.B. der erste in der Schlange zu sein). Das Gegenteil wird »aggressives Fahren« genannt. Es bedeutet, dass ich bewusst Unfallrisiken in Kauf nehme, um andere Ziele zu erreichen (z.B. Vorfahrt nehmen, um schneller zu sein. Der andere wird schon bremsen. Oder Vordrängeln in einer Schlange, im Bewusstsein dass der andere mich schon 'reinlassen wird).
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