Erzählt wird die Geschichte eines aufstrebenden und beliebten Soziologieprofessors,
dem der Posten des Universitätsleiters angeboten werden soll. In einer
solchen Position kann sich Professor Hackmann (Heiner Lauterbach)
seine Affäre mit der Studentin Babsi (Sandra Speichert) nicht
mehr leisten. Babsi reagiert auf den Bruch wütend und verführt
ihren Prof noch ein letztes Mal. Weder Hackmann noch Babsi ahnen, dass
sie dabei von einem Trupp Bauarbeiter beobachtet werden. Nach diesem letzten
Akt ist für beide die Angelegenheit erst einmal erledigt. So glauben
sie jedenfalls. Zur gleichen Zeit erhält Babsi die Hauptrolle in einem
Stück des Theaterseminars. Sie soll ein Vergewaltigungsopfer spielen.
Nach ihrer beeindruckenden Darstellung lässt sie leichtsinnigerweise
die Bemerkung fallen, sie habe eigene Erfahrungen mit einfließen
lassen. Während sie auf die ausprobierte Theaterszene anspielt, die
sie mit dem Prof lustvoll nachgestellt hat, versteht das die Leiterin des
Theaterseminars, Brigitte Schell (Maren Kroymann) vollkommen falsch
und nimmt ihr daraufhin die Rolle ab, weil sie glaubt, Babsi würde
die Proben aufgrund ihres "traumatischen" Erlebnisses nicht durchstehen
können. Die Studentin rastet daraufhin völlig aus und landet
in der Nervenheilanstalt. Frau Schell wendet sich an den Disziplinarausschuss
und die Frauenbeauftragte Dr. Wagner (Barbara Rudnik), um dem Fall
der vermeintlichen Vergewaltigung an ihrer Uni nachzugehen. Damit nimmt
das Verhängnis auch schon seinen Lauf. Bald steht Professor Hackmann
unter Verdacht die Studentin vergewaltigt zu haben. Eine Anschuldigung,
die dem amtierenden Universitätsleiter Schacht (Rudolf Kowalski)
und seinem Stab gerade recht kommt.
Mit dem ersten Tag des Jahres wurde in Deutschlands Kinolandschaft mit Lolita der backlash, der Gegenschlag, zum Kampf gegen den sexuellen Missbrauch eingeläutet. Ein böses Omen, welches prompt weitere Kreise zieht. Am ersten Kino-Starttag des folgenden Monats verpeilt die Chauvi-Propaganda Der Campus bundesdeutsche KinogängerInnen. Zu einem Viertel finanziert durch die Rekordsumme von 2 Millionen Mark der Hamburger Filmförderung. Somit ist die US-amerikanische Welle unvermeidlich über den großen Teich geschwappt. Was passiert als nächstes? Werden auch hierzulande Gerichtsverfahren von Lobbygruppen gegen TherapeutInnen von Überlebenden inszeniert – und gewonnen –, weil sie angeblich Familien zerstört hätten, nicht etwa irgendein "erfundener" Täter, wie es in den Staaten gerade an der Tagesordnung ist? Filmische Anflüge hat Der Campus bereits zu bieten: Nun hat das Berufsfeld der Psychologie ohnehin im Film seit Jahren die undankbare Aufgabe, automatisch als Persiflage herhalten zu müssen, jetzt wird es regelrecht angegriffen.
Der Campus ist ein sehr raffiniert umgesetzter Film. Über die Buchvorlage kann ich nichts sagen, weil ich sie nicht gelesen habe und ich mich auch schlichtweg weigere, dies zu tun. Schlimm genug, dass ich mir solche Filme ansehen muss, mich in meiner Freizeit auch noch mit der Geisteshaltung von (Mit)Tätern zu beschäftigen à la Lolita und Der Campus kommt mir nicht in den Sinn.
Ersteinmal muss leider eingeräumt werden, dass Wortmanns Großproduktion rein filmisch tadellos besticht. Ungewöhnliche wie belebende Genreverquickungen paaren sich mit genial besetzten Rollen guter SchauspielerInnen, wenn frau von der Fehlbesetzung Sibylle Canonica als Gabrielle Hackmann absieht, die bis kurz vor Schluss das Filmstudio mit der Theaterbühne zu verwechseln scheint und dessen Filmgatte Hanno allein vom liebes-chemischen Gesichtspunkt nicht zu ihr passt. Das Klüngeln hinter den städtischen Machtkulissen ist derart faszinierend und vielschichtig geschildert, dass es einem Thriller gleicht, nur ohne Tote. Nicht eine einzige Länge lässt sich in dem mehr als zweistündigen Film auch nur erahnen.
Die vier DrehbuchautorInnen, unter ihnen Dietrich Schwanitz und
Sönke Wortmann selbst, haben sich sehr genau mit diesem speziellen
Kapitel des Feminismus beschäftigt. Es kann ihnen kein Vorwurf gemacht
werden, einfach so, sprich unbeabsichtigt, sexistische, möglicherweise
chauvinistische Elemente durchklingen zu lassen. Nein, nein, Der
Campus ist akribisch geplant, zwei Jahre ließ sich Wortmann
mit der Adaption des Romans Zeit. Die feministischen Anklagen, die im Film
erhoben werden, sind wohl verstanden worden – und ausnahmslos für
nichtig erklärt worden. Einem Großangriff gleich schwärmen
die Attacken auf das feministisch gesinnte Publikum los.
Egal, was Hackmann anstellt, er kommt immer mit einer weißen Weste (für die ZuschauerIn) davon: Er nutzte seine Position aus, aber vergewaltigte nicht. Er belog seine Tochter, aber er wollte später doch ehrlich zu ihr sein, nur ließ sie sich einfach nicht aufwecken. Er ist eigentlich kein Ehefrauen- oder Kinderschläger, aber durch die Umstände kommt es "verständlicherweise" zu einem tragischen Unfall, als die Tochter einschreiten will, als Hanno auf Gabrielle losgeht und die Kleine dabei die Treppe hinuntergeschlagen wird. Sorry, dieser Mann ist ein Chauvinist, auch wenn er (noch) nicht vergewaltigt hat.
Falle #3:
Durch die verrante Frauenbeauftragte Dr. Wagner werden sofort alle
anti-sexistischen Forderungen ad acta gelegt. Eine Frauenbeauftragte an
sich wird als unverhältnismäßige Einengung gegenüber
früheren Zeiten dargestellt, aus männlicher Sicht, versteht sich,
die Einengung der Frau durch das auch in der Uni manifestierte Patriarchat
ist gerade mal nicht erwähnenswert. Das Abziehbild einer Horrorbild-Emanze,
die Frauenbeauftragte Dr. Ursula Wagner ist so ziemlich der unsympathischste
Charakter des Films. Vollkommen verblendet sei die Gute, zickig, politisch
korrekter als die taz erlaubt und vor allem weniger an den Einzelschicksalen
betroffener Frauen interessiert, als vielmehr an der Durchsetzung ihrer
Ziele und dem Aufstieg ihrer Karriere. So regt sie sich über die Wortwahl
einer Männerrunde auf, verlässt empört den Raum (so abwegig
dies auch gar nicht mal ist), überhört dann aber absichtlich
den Nachruf, dass es einen Vergewaltigungsfall gäbe, um später
behaupten zu können, niemand hätte sie, mit Vertuschungsabsichten,
informiert. So, wie die Dame auftritt, muss einfach alles, was sie sagt,
fundamentalistisch klingen und direkt in den Papierkorb des Bewusstseins
wandern. Als ob das nicht genug wäre, ziehen die anderen Charaktere
sie weiter ins Lächerliche, um dem Publikum geschickt ein paar Lacher
zu entlocken.
Falle #4:
Die in den 90er Jahren am weitesten verbreitete Falle ist die pc-Falle.
Einfach alles, was mit einem auch nur annähernd (politischen) Bewusstsein
zu tun hat, wird als mafia-ähnliches Gedankengut der Politisch Korrekten
verhohnepipelt. Sexisten, RassistInnen, Homophobe, usw., also so gut wie
einjeder spielt sich als Märtyrer auf, dass er angeblich nichts mehr
sagen darf, was soviel heißen soll, dass die Vorwürfe allesamt
ungerechtfertigt, viel zu radikal und unverhältnismäßig
seien. Das ist natürlich falsch. Zum einen wird der Begriff derart
inflationär, d.h. in den allermeisten Fällen fälschlich
benutzt, dass kaum jemand wirklich weiß, was er grundlegend eigentlich
bedeutet. Darüberhinaus gibt es im Speziellen zu viele Einzelansichten,
die der Politischen Korrektheit nur schwerlich der ihr zugesprochenen Allgemeingültigkeit
zustehen lassen. Zum anderen sagen die lieben Leute die Dinge ja doch (sonst
müssten sie sich nicht ständig verteidigen) und es sieht mittlerweile
eher umgekehrt so aus, dass auf nichts aber auch gar nichts Bedenkliches
mehr hingewiesen werden darf, um nicht als pc-FanatikerIn abgestempelt
zu werden.
Falle #5:
Die zerstörerische Dynamik des Missbrauchs wird augenzwinkernd
als halb so schlimm oder schlichtweg unwahr bagatellisiert. Es werden nicht
einfach die üblichen haltlosen Behauptungen zum Thema Missbrauch aufgestellt.
Viel geschickter werden diese als typische chauvinistische Rechtfertigungen
angeprangert, um im selben Atemzug, oder ein wenig später, dennoch
mit Nachdruck zu bestätigen. >>Seht her, im Zeitalter der Politischen
Korrektheit darf dies und jenes nicht gesagt werden, aber wie ihr an diesem
tragischen Beispiel seht, ist es dennoch wahr.<<, frei dem wohlbekannten
Motto nach, keine Lüge ist groß genug, mann muss sie nur oft
genug wiederholen:
Der Gegenschlag I: Lolita
Der Gegenschlag III: Artemisia
Filmdaten:
Offizieller Link: Nicht vorhanden oder nicht bekannt.