John Williams

Die Wirkung der Musik auf die Psyche des Menschen ist nicht zu unterschätzen. Ganz sicher betrachten wir eine Landschaft mit jeweils ganz anderen Augen, je nachdem, ob im Hintergrund eine traurige Musik spielt, oder ob wir einen krachigen Rock-Song hören. Die Filmmusik beruht auf diesem Prinzip. Die Musik bestimmt, wie wir eine Szene deuten, wie wir einen Charakter einschätzen. Die Musik ist eines der wichtigsten Elemente des Filmemachens. Sehr großen Einfluss auf die frühen Filmkomponisten hatte der Ansatzpunkt von Richard Wagner. Er verwendete als erster ganz bewusst Leitmotive, kleine musikalische Einheiten, die eine Figur oder eine bestimmte Atmosphäre beschreiben. Im Ablauf der Komposition können diese sich dann in unendlicher Variation wiederholen, während sie dabei die Wichtigkeit eines Charakters hervorheben. Die ersten großen Filmkomponisten, zum Beispiel Erich Wolfgang Korngold, machten sich diesen Ansatz zu eigen.

In den 60er Jahren entdeckten die Studios die Popmusik. Viele Filme wurden mit Pop-Songs untermalt (das wohl beste Beispiel ist sicherlich Simon & Garfunkels Musik zu The Graduate), diese Songs wurden dann auf Schallplatte gepresst, um noch einen zusätzlichen Reibach zu machen (heute ist dies wieder gang und gäbe). Erst in den 70er Jahren wendete sich das Blatt wieder. Große symphonische Orchester betraten erneut die Aufnahmestudios, mit ihnen gelangte die romantische Musik wieder zu Gehör. Mit den größten Erfolg hatte John Williams Komposition zu Star Wars (Ähnlichkeiten zu Wagners Ring lassen sich nicht leugnen). Die Musik besitzt einen erzählenden Charakter, und ähnlich dem Vorbild Richard Wagner schneiderte Williams jeder DarstellerIn und jeder einzelnen Stimmung eine einfach zu erkennende Musiksequenz auf den Leib. Das unendliche Universum, bzw. die unschuldige Jugend von Luke Skywalker wird mit zarten Streichern untermalt. Obi Wan Kenobi begleiten mystische, nostalgische Klänge. Dagegen wird die "dunkle Seite der Macht" bzw. Darth Vader von donnernden Akkorden bestimmt. Das Hauptthema, das von Bass und Perkussion getragen wird, trumpft immer wieder im Verlauf des Filmes auf.

Eine FilmkomponistIn ist dann wirklich gut, wenn sie fähig ist, eine Musik zu schreiben, die sich sowohl der Handlung unterordnet, als auch die Bilder unterstützt. Dies erfordert ein Feingefühl für die Balance zwischen Bild und Ton, ein Empfinden sowohl für die Dramatik der Handlung, als auch für das genaue Timing. Wenn eine KomponistIn es dann auch noch schafft, dass ihre Musik ohne die begleitenden Bilder ebenfalls Bestand hat, was gewissermaßen schwierig zu bewerkstelligen ist, dann hat sie ohne Frage ein herausragendes Talent. In der 101-jährigen Geschichte des Filmes ist John Williams einer der herausragenden KünstlerInnen.

John Towner Williams wurde 1932 auf Long Island in New York geboren. Die musikalische Begabung erbte er sicherlich von seinem Vater, einem Timpanisten. 1948 zog die Familie an die Westküste. Der junge Williams besuchte die Universität von Los Angeles California. Dort studierte er Musik. Nach drei Jahren Wehrdienst bei der Luftwaffe wechselte er an die Julliard School in New York, wo er sich auf das Klavier spezialisierte. John Williams verbrachte viel Zeit mit Jazz-Musikern (übrigens trat er in John Cassavettes TV-Serie Johnny Staccato auch mal als Pianist auf). 1956 begann Williams seine Karriere als Session-Pianist bei Columbia Pictures. Dort kam er das erste Mal mit der Welt der Filmmusik in Berührung. Sein eigentlicher Wunsch, Konzert-Pianist zu werden, erlag der Faszination der Filmmusik. Er trat in die Dienste von 20th Century Fox, vorerst als Arrangeur und Orchestrator. Musikalischer Leiter des Studios war damals Alfred Newman. Williams spielte bei so wichtigen Aufnahmen wie den Musicals West Side Story und South Pacific im Orchester mit. In dieser Zeit arbeitete er mit Max Steiner, Franz Waxman und André Previn zusammen, bevor er sich an eigene Kompositionen wagte. Seine Laufbahn begann er 1958 beim Fernsehen, damals nannte er sich noch Johnny Williams. Mit der TV-Serie Checkmate machte er 1960 zum ersten Mal auf sich aufmerksam.

In den 60er Jahren brachte er sein Talent bei leichten Komödien ein (z.B. How to Steal a Million, 1966). 1969 komponierte er die Musik zu The Reivers (mit Steve McQueen in der Hauptrolle), sein erstes großes Meisterwerk, und das erste Mal, dass er eine Oscar-Nominierung erhielt. Auf die Musik zu The Reivers hin wurde auch ein gewisser Steven Spielberg aufmerksam, der damals Drehbücher schrieb. Spielberg setzte sich bereits da in den Kopf, dass, sobald er seinen eigenen Film drehen würde, er die Musik diesem John Williams antragen werde. (Der Verlauf der Geschichte ist bekannt: Bis auf einen Film schrieb Williams die Musik zu sämtlichen Spielberg-Filmen.) Die Fachwelt schätze Williams für seine Flexibilität, seinen klassischen Background und seine Erfahrungen im Jazz-Bereich.

Ende der 60er Jahre vertraute man ihm die musikalische Untermalung der TV-Serie Lost in Space an. Es sollte die erste Zusammenarbeit mit dem bekannten Produzenten Irwin Allen werden. Für ihn schrieb Williams dann die Musik zu The Poseidon Adventure (1972) und Earthquake (1974) bzw. The Towering Inferno (1974). Sein Talent für großangelegte Drama-Stücke war offensichtlich. 1975 bewies er der Welt, wieviel die Filmmusik wirklich in einem Film ausmachen kann: Das musikalische Thema in Spielbergs Film Jaws, das den Weißen Hai begleitet, ist wohl einer der berühmtesten Filmmusiksequenzen, die wir kennen. Die Spannung, der Schrecken, den der auftauchende Hai verursacht, wird ausschließlich durch die dunklen Streicherklänge von Williams in der ZuschauerIn erzeugt.

Mit der Musik zu Star Wars von 1977 eroberte Williams den Markt für die romantische Filmmusik. Das Doppelalbum von 1977 erreichte mehrfachen Platin-Statur am Boxoffice (und bis heute soll es das am besten verkaufte nicht Pop-Album sein). Als 1993 bei Arista die 4er CD-Box mit der Musik zur Star Wars Triology in einer Sonderedition erschien, mit bis dahin unveröffentlichtem Material, da schlugen die Herzen der Williams-Fans bereits höher. Konnte man die Veröffentlichung noch verbessern? Nun setzt RCA Victor zum Angriff auf den Geldbeutel der Filmmusik-AnhängerInnen. Mit dem London Symphonic Orchestra wurde eine Überarbeitung aufgenommen. Der Sound des aus der Versenkung geholten Materials ist nach einer digitalen Aufbereitung sehr gut. Alte analoge Sequenzen wurden gelöscht. Neu in der Veröffentlichung von drei Doppelalben sind ungefähr 60 Minuten an Spielzeit. Ein wesentlicher Punkt ist diesmal, dass die Musik in chronologischer Abfolge auf CD gebannt wurde.

Willams arbeitete neben den großen Action- & Abenteuerfilmen für alle Genres. Er schrieb die Musik zu Komödien, zu Dramen und sogar zu Western. Sein Name ist KinogängerInnen ebenso geläufig, wie die Namen einer Regisseurin oder eines Schauspielers. Während seiner Laufbahn hat er bis jetzt die Musik zu über 90 Filmen komponiert. Ungefähr 30mal wurde er für den Oscar nominiert, fünfmal bekam er die Statue bisher (zuletzt für Spielbergs Schindlers Liste). Neben seiner Filmtätigkeit hat er über zehn Jahre das Boston Pop Orchestra geleitet (1980-1993), er schrieb diverse Konzert-Kompositionen und Symphonien, für Flöte, Geige, Trompete usw. Zuletzt schrieb er das Thema Summon the Heroes für die Olympischen Spiele in Atlanta (so, wie er auch die Eröffnungsmusik zu den Spielen 1984 und 1988 komponiert hatte). Seine letzte Arbeit war ein Trompeten-Konzert für das Cleveland Symphonic Orchestra. Im Mai wird in Amerika die Musik zu Steven Spielbergs Jurassic Park: The Lost World auf CD erscheinen.

en, Berlin

Filmographie (Auswahl):
1966: How to Steal a Million
1972: The Poseidon Adventure
1974: The Towering Inferno
1974: Earthquake
1975: Jaws
1977: Star Wars
1977: Close Encounters of the Third Kind
1978: Superman
1980: The Empire Strikes Back
1981: Raiders of the Lost Ark
1982: E.T.
1983: Return of the Jedi
1984: The River
1987: Empire of the Sun
1989: Indiana Jones and the Last Crusade
1989: Born on the Fourth of July
1991: JFK
1993: Jurassic Park
1994: Schindler´s List
1995: Nixon
1996: Sleepers
1997: Rosewood
1997: Seven Years in Tibet
1997: Jurassic Park: The Lost World

copyright: Queer View, 10. April 1997