LIAM NEESON
Das sanfte Rauhbein

Der erste Kinofilm, in dem Liam Neeson eine Rolle spielte, war John Boormans Excalibur. Neeson spielte den bärtigen Gawain. Damals drehte der irische Regisseur Neil Jordan eine Dokumentation über die Dreharbeiten. Jordan und Neeson verbindet seitdem eine enge Freundschaft. Für die Rolle des Michael Collins in dessen aktuellem Film war auch nie jemand anderes vorgesehen, als eben Liam Neeson.

Termingerecht zum Kinostart von Michael Collins veröffentlicht die Heyne Filmbibliothek eine Biographie von dessen Hauptdarsteller. Nach 13 Jahren als Filmschauspieler und mehr als 30 Jahren auf der Bühne, macht eine Zwischenbilanz seiner Arbeit Sinn. Liam Neeson wurde 1952 in Irland geboren, als Katholik in einer protestantischen Gemeinde. Bereits mit elf Jahren stand der große schlacksige Junge auf der Bühne, auch wenn es die ersten Jahre lang nur die Bretter der High School waren. Nach einem abgebrochenen Studium entschied sich Neeson, die Schauspielerei als Beruf auszuüben. Er ging erst nach Belfast, dann nach Dublin, später nach London, und dann über den großen Teich. Heute ist er einer der Stars in Hollywood. Seit seiner Darstellung des Oskar Schindler kann man auch über die unzähligen Flops seiner Karriere hinwegsehen.

Die Autorin Ingrid Millar veröffentlichte ihre Biographie des Iren bereits 1995 in Großbritannien, doch die Arbeit an Michael Collins wird bereits erwähnt, auch eine zukünftige Filmrolle von Neeson, die des Oscar Wilde. Ingrid Millar sprach mit Freunden des Schauspielers, Kollegen, auch mit Nachbarn und Verwandten. Die Biographin betont in der Einleitung die irische Großherzigkeit, ein schlechtes Wort verliert keiner der Interviewten über den Star.

Die Einleitung beginnt mit einer plumpen Verallgemeinerung: „Alle Frauen lieben Liam Neeson." Ha, da ich noch nie ein Interview mit dem Star geführt habe, konnte er mich auch noch nicht charmant - wie ich lese, ist dies so seine Art - um den Finger wickeln. Liam Neeson ist ein „echt moderner Held, dem jede Frau zu Füßen liegt". Liest sich wie ein billiger Frauenroman. Kein Wunder, dass „normal sterbliche" Lebensgefährten so sauer reagieren, wenn man eine Biographie verschlingt, in dem der „Held" als „Heiliger Gral" bezeichnet wird, „der all das in sich vereint, was einen Mann anziehend macht - Körper und Gefühl in perfekter Harmonie." Perfekt, so so, kein Wunder, dass ein „Normalsterblicher", der den Beruf Künstler (Maler, Musiker, Schauspieler etc.) ausübt, den Kopf schüttelt, und sich nicht wiedererkennt. Fast hätte ich den Prolog schließlich überschlagen, als dann die Autorin zum „doch" ausholt. Die Autorin folgt nicht der Legende, schon gar nicht der, die das Objekt der Begierde selbst geschustert hat, sondern zeigt seine Laufbahn, sehr detailfreudig, auf; auch mit einem kritischen Abstand, mit humoristischem Unterton, da sie sich diverse Seitenhiebe nicht verkneifen konnte, wollte. Das macht die Biographie sympathisch, und den Schauspieler Liam Neeson umso menschlicher. Weg vom Star, hin zum Player, der es in der Filmwelt zu etwas bringen wollte.

Liam Neeson wurde als drittes Kind, als der ganze Stolz seiner Familie geboren. Er hat zwei ältere und eine jüngere Schwester, er war also etwas Besonderes. Er war tatsächlich besonders, schon seiner hünenhaften Größe wegen, oder seiner Eigenbrödelei. Ingrid Millar stellt in kurzen Kapiteln, die jeweils mit einem übergreifenden Zitat Neesons beginnen, den Lebensweg auf. Die Kleinstadt Ballymena und das soziale Umfeld wird beschrieben. Millar beschreibt Neesons Boxer-Karriere, und wie dieser Sport Neeson formte. Tatsächlich besitzt der Schauspieler auch heute noch die charakteristischen Eigenschaften eines Boxers: extrem ehrgeizig (Neeson war ein langweiliges Kind, strebsam und stets brav) verfolgt Neeson seine Ziele, und analysiert Erfolge wie Misserfolge, um noch weiter zu kommen. Neesons Begegnung mit der Literatur und der Welt der Dramatik setzte in der High School ein. Die Gespräche mit Neesons Englischlehrer Gerry McKeown (der auch die Theatergruppe von Ballymena führte, das erste Ensemble, mit der Neeson spielte) relativieren sogleich die Behauptungen aus der Einleitung. „Jahrelang ist Liam Neeson die High Street von Ballymena rauf- und runtermarschiert, ohne dass ein Mädchen auch nur zweimal hingesehen hat. Er besaß die Anziehungskraft eines durchschnittlichen Laternenpfahls." (Das Zitat geht noch weiter, aber schließlich soll sich LeserIn das Buch gefälligst zulegen und selbst lesen.)

Neeson entwickelte sein Selbstbewusstsein zuerst durch seine Erfolge im Boxsport, und später dann auf der Bühne. Auf der Bühne wandelte er sich vollkommen, und bereits mit den ersten Amateurdarstellungen heimste er Preise ein. Die Autorin geht selbstverständlich auf Liam Neesons Beziehung zu Frauen ein. Ein Männer-Typ war Neeson angeblich nie. Er wuchs in einem Heim auf, das von Frauen regiert wurde, und er kam auch immer besser mit Frauen aus. Wie der große Kerl mit der sensiblen Psyche es dann schaffte, dass die Frauen ihm „zu Füße lagen", tja, das wird von Ingrid Millar keineswegs schwärmerisch aufbereitet. Gott sei Dank.

Die Biographie enthält neben zahlreichen Schwarz-Weiß-Abbildungen ein ausführliches Register und eine Filmographie, deren deutsche Fassung die einzelnen BesucherInnenzahlen mitangeben. Auch kann die LeserIn entnehmen, welcher Videoverleih den Film in Deutschland betreut. Filme wie Lamb (in dem Neeson einen Priester spielt, der sich besonders um einen ihm anvertrauten Jungen kümmert) und Ethan Fromme sind bis heute nicht in Deutschland zugänglich.

en - Berlin

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Liam Neeson - Das sanfte Rauhbein, Ingrid Millar, Heyne Filmbibliothek 1997, ISBN 3-453-11861-8, 280 Seiten.

copyright: Queer View 1997


Liam Neeson als Rob Roy