Interview
mit dem Filmkomponisten

Büdi Siebert

Queerview: Wer kam denn auf die Idee die CD „Todas - On the Edge of Paradise" in einem sogenannten Digi-Pack (einer Pappverpackung) zu veröffentlichen?

Büdi Siebert: Das wollte ich schon seit der ersten Araucaria-Produktion machen. Nur damals hat der Handel das nicht akzeptiert. Sie haben damit argumentiert, daß sich Pappe sehr schnell abgreift und die Kunden die CDs dann nicht mehr kaufen wollen. Aber als dann Leute wie Sting z. B. der Umwelt zuliebe damit anfingen, da ließ sich dann auch der Handel davon überzeugen.

QV: Wie kam es zur Zusammenarbeit Clemens Kuby und Büdi Siebert?

Büdi Siebert: Ich hatte schon lange den Wunsch gehegt, einen seiner Filme zu vertonen. Ich kannte seine Buddhismus-Triologie und hatte mich auch schon einmal bei ihm beworben Living Buddha zu vertonen. Aber irgendwie war es noch nicht der richtige Zeitpunkt für eine Zusammenarbeit. Er lud mich dann ein zur Vorführung von Living Buddha in Stuttgart und als wir uns dort trafen, da war plötzlich etwas zwischen uns, das uns verband. Eine gemeinsame Begeisterung könnte man es nennen. Mich beeindruckt es sehr, daß er für seine Filme lebt, er nimmt viel auf sich, um diese Dokumentationen drehen zu können. Uns verbindet, daß wir unsere Arbeit nicht kommerziell ausgerichtet haben, sondern vielmehr nach dem Gefühl vorgehen.

QV: Wie wurde die Musik in den Film eingepaßt?

Büdi Siebert: Ich mache sehr häufig Filmmusiken. Der übliche Weg ist der, daß ich den Rohschnitt des Filmes bekomme und die Musik dazu schreibe. Dann wird es mit dem Regisseur abgesprochen und wenn er einverstanden ist, dann ist meine Arbeit beendet. Mit Clemens war die Herangehensweise eine andere, denn er besuchte mich für rund 10 Tage. Er war mit im Studio und wir konnten uns direkt austauschen. Es hat wunderbar geklappt. Er hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wie es klingen sollte. Es mußten alles in allem 35 einzelne Musikstückchen komponiert werden, die dann in den Handlungsablauf eingepaßt wurden.

QV: Ihr hattet anfangs gar nicht geplant eine CD zu veröffentlichen?

Büdi Siebert: Richtig - im Verlauf der Arbeit an der Filmmusik bat ich Clemens, mir doch das gesamte Tonmaterial über die Todas zur Verfügung zu stellen. Denn um die Qualität einer guten CD zu erreichen, mußte ich wesentlich mehr Musik haben, als für den Film geschrieben worden war. Clemens hatte die Idee die Toda Stimmen für die Abspannmusik zu sampeln. D. h. ich habe dabei gearbeitet, wie es im Tekkno eigentlich üblich ist. So ein Sampler ist ein kleines Tonbandgerät. Man nimmt einzelne Musiksequenzen auf und die werden dann auf einzelne Tasten eines Synthesysers gelegt. Wenn man diese bestimmten Tasten drückt, dann wird automatisch das eingegebene Stück gespielt. Das war völlig neu für mich. Diese Menschen singen ja nur, sie benutzen keine Instrumente. Da sie keine Trommeln spielen, ist ihr Gesangsrhythmus fließend und daher auch immer etwas „ungerade". Durch die Hilfe dieses Gerätes konnte ich zu den Stimmen Musik machen und so entstand dann ein Song nach dem anderen.

QV: Neben dieser technischen Herangehensweise hast Du auch spirituelle Erfahrungen mit diesen Gesängen gehabt?

Büdi Siebert: Das stimmt. Ich habe oft einen ganzen Tag lang nur an einem Lied gearbeitet und es immer und immer wieder angehört. Dabei machte ich eine ganz interessante Erfahrung. Je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr öffnen sich innerlich Türen und man weiß dann ganz genau, welche Musik dazu paßt.

QV: Du hattest aber noch musikalische Unterstützung durch Ralf Illenberger und Dorothea Ferber.

Büdi Siebert: Als klar war, wie die Stücke werden, merkte ich, es wäre nicht schlecht, wenn ich noch eine zusätzliche Stimme dabei habe. Ich wollte, daß diese Stimme unserer Kultur entstammt und da kam für mich nur die Dorothea Ferber in Frage, weil sie eine Sängerin ist, die „schamanisch" singen kann. D. h. sie kann intuitiv in einer Art und Weise singen, wie man sie sonst nur von Naturvölkern kennt, ohne diese dabei imitieren zu müssen. Auch die Besetzung mit Ralf Illenberger an der Gitarre war für mich klar. Ich muß ihm nie viel erklären. Ich mache die Tonbandmaschine an und spiele ihm vor und er weiß ganz genau, was er dazu spielen kann.

QV: Hattest Du schon Gelegenheit die Todas zu besuchen?

Büdi Siebert: Bislang leider noch nicht, aber ich möchte sie furchtbar gern kennenlernen. Nachdem ich mich jetzt so intensiv mit ihnen beschäftigt habe. Rund drei Monate habe ich daran gearbeitet. Als ich den Rohschnitt des Films bekam, gab es noch keinen Text. So habe ich nur die Bilder gesehen und zum Teil wußte ich gar nicht worum es eigentlich geht. Aber so konnte ich mich voll auf die Bilder einlassen. Diese ganze Sache war sehr faszinierend.

QV: Im Interview erzählte mir Clemens Kuby, eines der Elemente das euch verbindet, sei Sun Bear.

Büdi Siebert: Diese Gemeinsamkeit ist auf keinen Fall zufällig. Sun Bear hat vor seinem Tode noch sehr viele Verbindungen geschaffen, so eine Art Netzwerk, die so nach und nach aufgehen. Ich habe schon sehr häufig beobachten können, wie dies vor sich geht. Ein Indianer, den ich kenne, gebrauchte einmal den Begriff „Dreamweaver" (Traumweber). Ein Seher wie Sun Bear erkennt die Träume der Menschen und versucht die Träume, die zusammenpassen miteinander zu verweben.

QV: Hast Du ein besonderes Verhältnis zu Naturvölkern?

Büdi Siebert: Es gibt etwas, das mir durch meine Arbeit bewußt wurde. Alle Naturvölker haben im Grunde eine Art zu leben. Für die wahren Kinder der Erde gibt es nur eine Art zu leben und das ist mit der Natur zu leben. Ihre Beziehung zur Erde ist sehr eng und das ist bei Aborigines ebenso stark wie bei den Indianern oder eben den Todas. Was mir besonders an den Todas gefallen hat, ist die Selbstverständlichkeit, mit der sie alles in Frage gestellt haben, wie z. B. das Patriachat oder unser gesamtes Gesellschaftssystem. Sie fragen etwa, warum Feldarbeit? Es verletzt die Erde, es strengt an und es ist nicht nötig, denn alles was wir brauchen gibt uns die Natur. Clemens erzählte beispielsweise, daß ein langer Marsch geplant war. Die Crew packte alles zusammen, was sie glaubten brauchen zu müssen. Die Todas jedoch machten keinerlei derartige Anstalten. Als er sie fragte, warum sie nichts zusammenpacken würden, antworteten sie, alles was sie bräuchten, fänden sie im Wald, alles andere sei unnützer Balast.

QV: Welche Bedeutung hat die Arbeit an dieser CD für dich?

Büdi Siebert: Für mich war es ein Auftrag von einer höheren Warte etwas zu erfüllen. Der Geist dieses Volkes hat der Welt etwas mitzuteilen und ich habe dem sozusagen als Mittler gedient durch meine Musik. Während meiner Arbeit habe ich die Ahnen der Toda immer wieder auf eine bestimmte Art und Weise gefragt, ob sie mit dem Ergebnis einverstanden sind. Alleine schon deshalb, weil ich ja auch all diese technischen Dinge eingesetzt habe. Ich sehe mich da nur als einen Teil eines Projektes.

QV: Du hast ein Spendenkonto eingerichtet für die Toda?

Büdi Siebert: Ja, wir haben die Todas als Künstler am Erlös zu gleichen Teilen beteiligt. D. h. es geht automatisch der gleiche Anteil des Erlöses den ich als Künstler bekomme, auch an die Todas. Das Spendenkonto wurde eingerichtet, um es auch Außenstehenden zu ermöglichen den Todas zu helfen. Was wir vermeiden möchten ist, daß die Leute in Scharen zu den Todas pilgern. Was dieses Volk uns zu sagen hatte, wurde durch den Film gesagt. Es geht ausschließlich darum, diesem Volk die Möglichkeit zu geben so zu überleben, wie sie es seit Jahrhunderten tun.

Claudia Hötzendorfer, Düsseldorf

Die CD „Toda - On the Edge of Paradise" ist über Araucaria/InAkustik zu beziehen.
Weitere CDs von Büdi Siebert: „Pyramid Call" und Qi Gong" ebenfalls Araucaria/InAkustik

Spenden können unter dem Stichwort: „TODA" gerichtet werden an:
Deutsche Bank München BLZ 70 070 010 - Konto-Nr.: 0 272 419

Soundtrack

Filmbesprechung

Interview mit dem Regisseur Clemens Kuby