Verstörender Film über Autounfall-FetischistInnen, die ihrem tristen Dasein mit immer radikaleren Maßnahmen einen neuen Kick zu geben suchen.
Trotz
seiner relativen Ausgefallenheit ist selbst der Sex im Leben des Ehepaares
Catherine und James Ballard abgestumpft. Die ungewöhnliche Rettung
liegt in einem Frontalzusammenstoß, mit dem James und sein Auto Dr.
Helen Remmington zur Witwe machen: sowohl Helen als auch James entwickeln
durch das intensivste Gefühl ihres Lebens einen Fetisch für qietschende
Reifen, zersplitterndes Glas und sich ineinanderfressendes Metall. Sie
alle hängen dem unkonventionellen Wissenschaftler Vaughan an, der
mit einer Gruppe Gleichgesinnter berühmte Autounfälle originalgetreu
und ohne Sicherheitsmaßnahmen nachahmt. Scheinbar gibt es wieder
einen Kick im Sexualleben der Beteiligten, doch der wird inflationär
und verlangt nach immer größerer Radikalität...
Das Thema der 23 Jahre alten Romanvorlage von James G. Ballard an sich, die sexuelle Stimulanz durch Autounfälle mit all seinen Folgen, inklusive Wracke, Narben, Blut und Tod, wird für die meisten nach dem Erlebnis dieses Filmes weiterhin absurd bleiben, wenn es für einige auch als Sinnbild für die Stagnation und den Niedergang der westlichen Kultur gelten mag.
Leider kommt im filmischen Ergebnis noch hinzu, dass die Charaktere vollkommen unzugänglich bleiben. Deren Leben sollen zwar ausgehöhlt sein, und besonders Deborah Unger als Catherine Ballard meistert den leeren Blick mit Bravour, nur bringt uns auch dies den Personen nicht näher. Wir sehen, was uns auf der Leinwand vorgeführt wird, nehmen es den lieben Leuten aber nicht ab. Wenn zu einem Industrievideo mit in Autos kaputtgefahrenen crashtest dummies die vor der Glotze Hängenden sich gegenseitig unwillkürlich in den Schritt fassen, wobei es unwichtig ist, welches Geschlecht da momentan sitzt, dann fragt sich die ZuschauerIn nur, warum Männer (hier der Regisseur) so genitalbezogen agieren und welche Therapie für die Bearbeitung dieses Gruppen-Traumas wohl am geeignetsten wäre. Über die Wahrheitsmöglichkeit denkt sie spätestens dann nicht mehr nach.
Als drittes großes Manko hätte auch einem Film über Sex und Autounfälle entweder noch andere Szenen gutgetan oder eine ausgeklügeltere Inszenierung der existenten. Oder aber, noch viel besser, beides. So wirken Sex und Unfälle nicht anders als die beliebig eingestreuten in herkömmlichen Filmen: als Füller und Aufmotzer, wenn die AutorIn nicht mehr weiter wusste. Ziemlich gähntreibend in einer 98 Minuten langen Aneinanderreihung.
Als Respekt vor dem Ensemble und dem Regisseur bleibt uns nur, ähnlich der lobenden Erwähnung von Cannes, den Mut, die Waghalsigkeit und die Originalität des Filmes Crash wohlwollend zu erwähnen. Lieber ein ausgefallenes Experiment, das in die Hose geht, als routinierte Dutzendware. Trotzdem sollte sich die KinogängerIn ernstlich fragen, ob sie ihr Eintrittsgeld dafür investieren will, dass sie verdauen darf, wie Männer ihre verdreckt-schmierigen Finger zum weiblichen Intimbereich schieben, oder, noch schauerlicher, eine soeben aus dem Auto Geschleuderte und unter Schock Stehende, noch an Ort und Stelle tüchtig durchnehmen.
ki, Berlin
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Hintergrund: Der Regisseur am Set