Urteil

VERWALTUNGSGERICHT FREIBURG

Im Namen des Volkes

Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

Scientology Gemeinde Freiburg,
vertreten durch Dieter Hamer,
Löwenstr. 4, 79098 Freiburg

- Klägerin -

prozeßbevollmächtigt:
Rechtsanwälte Blümel und Kollegen,
Bayerstr. 13, 80335 München

gegen

Stadt Freiburg - Amt für öffentliche Ordnung -,
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Basler Str. 2, 79100 Freiburg, Az: 32.45

- Beklagte -

wegen

straßenrechtlicher Untersagungsverfügung

hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg unter Mitwirkung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Dr. Backhaus, der Richterin am Verwaltungsgericht Neumann, der Richterin Dr. Linde-Rudolf sowie der ehrenamtlichen Richterin Gack und des ehrenamtlichen Richters Steigert auf die mündliche Verhandlung vom 06.06.1994

für   R e c h t   erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

- 4 K 758/93 -

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung der Beklagten, mit der ihr untersagt worden ist, auf öffentlichen Verkehrsflächen Passanten für ihre Zwecke anzusprechen.

Die Klägerin ist ein nicht eingetragener Verein. Sie ist eine rechtlich eigenständige Mission der international verbreiteten Scientology Kirche. Ihr Vereinszweck ist die Verbreitung des Glaubens von Scientology entsprechend der Lehre des L. Ron Hubbard. In Freiburg, Löwenstr. 4, besitzt die Klägerin Räumlichkeiten für ihre Vereinszwecke. Ende 1991 wurden von der Beklagten in der Freiburger Innenstadt Personen beobachtet, die Passanten mit den Fragen ''Wollen Sie Ihre Persönlichkeit verbessern?'', ''Was verstehen Sie unter Unterbewußtsein?'' oder ''Was verstehen Sie unter Dianetik?'' ansprachen. Diejenigen Passanten, die auf die Fragen eingingen, wurden mit dem Angebot der Durchführung eines kostenlosen Persönlichkeitstests in die Räumlichkeiten Löwenstr. 4 eingeladen. Dort wurden Werbefilme über Dianetik und Scientology vorgeführt und Persönlichkeitstests durchgeführt. Außerdem lag Werbematerial für Literatur und Kurse aus, es wurden Bücher verkauft und Interessenten wurden entgeltliche Schulungen in Basel empfohlen. An interessierte Passanten wurden außerdem Handzettel ausgeteilt, die eine Einladung in die Räumlichkeiten in der Löwenstr. 4 enthielten. In diesen Handzetteln war der Ansprechpartner mit ''Dianetik Beratung'' angegeben.

Mit Schreiben vom 28.11.1991 wies die Beklagte die Dianetik Beratung in Freiburg darauf hin, daß ihre Betätigungen als gewerbliche Tätigkeit anzusehen seien und daß das Werben auf der Straße eine unerlaubte Sondernutzung sei. Die gewerbliche Tätigkeit sei nach § 14 GewO anzeigepflichtig, und für das Ansprechen und Werben auf der Straße sei eine Sondernutzungserlaubnis nach § 16 StrG erforderlich, die jedoch nicht in Aussicht gestellt werden könne. Hierauf zeigten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin gegenüber der Beklagten die Vertretung des Vereins Dianetik Informationszentrum der Scientology Gemeinde Freiburg an und legten dar, daß das Ansprechen der Passanten durch die Missionierer eine Mitgliederwerbung für eine Religionsgemeinschaft darstelle, die unter dem Schutz von Art. 4 GG stehe. Eine gewerbliche Tätigkeit liege nicht vor.

Am 16.01.1992 fand im Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten eine Besprechung statt, bei der über die Organisationsform sowie das konkrete Verhalten der Freiburger Ortsgruppe der Scientology Kirche im öffentlichen Verkehrsraum sowie in den Räumlichkeiten im Anwesen Löwenstr. 4 gesprochen wurde. Neben Vertretern des Amtes für öffentliche Ordnung waren ein Vertreter der Scientology Kirche Schweiz, Basel, sowie der Präsident der Klägerin als Vorsitzender der Scientology-Gruppe Freiburg anwesend. Bei dieser Besprechung wurde festgehalten, daß sich die Aktivitäten der Scientology-Gruppe Freiburg so gestalteten, daß in der Fußgängerzone in der Kaiser-Joseph-Straße im näheren Umfeld der Räumlichkeiten in der Löwenstraße Vertreter der Scientology-Gruppe stünden und Passanten ansprechen würden. Seit einiger Zeit seien diese Personen durch einen kleinen Sticker mit der Aufschrift ''Scientology Gem.'' als Mitglieder der Scientology-Organisation gekennzeichnet. Wenn die Angesprochenen interessiert seien, würden sie in die Räume der Organisation in die Löwenstraße mitgenommen. Dort könnten Bücher gekauft und Tests durchgeführt werden. Ferner könnten Intensivkurse gebucht werden, die dann in Basel stattfänden. In Freiburg seien ständig etwa drei bis vier Personen tätig, die nur gering entlohnt werden könnten. Im Prinzip arbeiteten diese Personen unentgeltlich. Es würden pro Tag etwa sechs bis zehn Bücher zum Preis von jeweil 16,80 DM verkauft, wovon sich die Freiburger Gruppe nicht selbst finanzieren könne. Die Kurse, die in Basel stattfänden, kosteten 150 sFr. Es würden ca. 10 verschiedene Seminare zu diesem Preis dort angeboten, unter anderem zur Selbstbehauptung, zur Bewältigung von Eheproblemen usw. Die Kurse könnten auch in Freiburg gebucht und bezahlt werden. Weitere, längerfristige Kurse, die etwa 1500,-- DM kosteten, schlössen sich an. Auch diese Kurse könnten in Basel besucht werden. Eine spezielle Form der Kurse bzw. Sitzungen stelle das sogenannte ''Auditing'' dar. Hier könne eine kostenlose Einführung in Freiburg gegeben werden, weiterführende Seminare, die wiederum kostenpflichtig seien, könnten ebenfalls in Basel absolviert werden. Für einen intensiven ''Auditing-Kurs'' müßten ca. 3.000,-- bis 4.000,-- DM bezahlt werden. Um ''clear'' zu werden, seien im Durchschnitt etwa sechs Intensivkurse erforderlich. Das Ansprechen von völlig unvorbereiteten Passanten in der Fußgängerzone erfolge durch eine Einstiegsfrage, die verschieden sein könne. Meistens werde gefragt, ob man daran interessiert sei, seine Persönlichkeit zu verbessern. Gefragt werde z.B. auch, was man unter Unterbewußtsein oder unter Dianetik verstehe. Der Frager halte dabei einen Notizblock in der Hand und mache auf seinem Blatt entsprechend den Antworten Striche, die statistischen Zwecken dienten. Hierdurch entstehe der Eindruck, es handle sich bei der Befragung um eine Umfrage, wie sie beispielsweise von Meinungsforschungsinstituten durchgeführt würden.

Mit Verfügung vom 28.01.1992 erließ die Beklagte die streitgegenständliche Anordnung, mit der der Klägerin, ihren Mitgliedern und den Mitarbeitern der Dianetik-Beratung Freiburg untersagt wurde, auf öffentlichen Verkehrsflächen im Stadtgebiet Freiburg Passanten anzusprechen und sie zu einem Informations- oder Verkaufsgespräch oder zu einem Persönlichkeitstest in ihren Räumen einzuladen. Gleichzeitig wurde diese Anordnung für sofort vollziehbar erklärt und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld angedroht. In der Begründung heißt es, daß die Betätigung der Klägerin und deren Dianetik-Beratung insgesamt als gewerblich zu beurteilen sei. Das Ansprechen der Passanten auf der Straße sei eine Sondernutzung des öffentlichen Verkehrsraums, für die keine Erlaubnis bestehe. Eine Erlaubnis dafür könne auch nicht in Aussicht gestellt werden. Bei der Beurteilung der Gewerblichkeit könne nicht isoliert auf die Freiburger Organisation abgestellt werden. Auch wenn in Freiburg selbst keine Gewinne erwirtschaftet würden, werfe die nationale und internationale Betätigung der Scientology-Organisation doch offensichtlich Gewinne ab, die auch beabsichtigt seien. Die Betätigung der Freiburger Organisation sei in das Gesamtkonzept eingebunden und damit ebenfalls gewerblich. Gewerbliche Tätigkeiten seien nicht mehr vom Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen gedeckt, sie stellten vielmehr eine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar. Eine Sondernutzungserlaubnis sei und werde dafür nicht erteilt. Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Die Mitglieder der Scientology-Organisation betrachteten ihre Tätigkeit zwar als Mission und ihre Organisation als Religionsgemeinschaft; der Status einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft werde der Scientology-Church in Rechtsprechung und Literatur teilweise zuerkannt. Aber auch die Betätigungen einer Religionsgemeinschaft könnten vom Gewerberecht erfaßt sein, weil es nämlich auf die einzelnen gewerberechtlich bedeutsamen Tätigkeiten ankomme. Es komme auf das äußere Erscheinungsbild der Betätigung und eine dahinterstehende Gewinnerzielungsabsicht an. Da auch von Freiburg aus die kostenpflichtigen Kurse in Basel vermittelt werden sollten, sei auch die Betätigung in Freiburg gewerblich. Im übrigen sei es fraglich, ob die Gewährung von Lebenshilfe, die Befreiung von seelischen Zwängen und die Verbesserung der Persönlichkeit vom Schutzbereich des Art. 4 GG umfaßt sei. Rein wirtschaftliche Tätigkeiten fielen jedenfalls nicht unter diesen Schutzbereich. Im vorliegenden Zusammenhang könnten diese Fragen aber letztlich offenbleiben, weil sich das Ansprechen der Passanten auf der Straße als völlig religionsneutraler Vorgang darstelle. Bei der Gestaltung dieses Ansprechens in Freiburg fehle zunächst jeder Bezug zur Religionsausübung, die Absicht einer Missionierung sei nicht erkennbar. Daran ändere auch nichts, daß die sogenannten Dianetik-Berater in Freiburg nunmehr einen kleinen unauffälligen Sticker am Revers trügen, auf dem die Aufschrift ''Scientology Gem.'' stehe. Dieses Ansprechen von Passanten auf der Straße sei demgemäß eine Sondernutzung, die weder der Klägerin noch anderen vergleichbaren Organisationen in Freiburg erlaubt sei. Die nach Straßenrecht verbotene Tätigkeit könne nach dem Polizeigesetz als Störung der öffentlichen Sicherheit untersagt werden. Dem überwiegenden öffentlichen Interesse entspreche es, diese Betätigung nicht zu dulden, da der öffentliche Verkehrsraum nicht für derartige Scheinumfragen zur Verfügung gestellt werden solle und weil Passanten unbehelligt von solchen verdeckten Anwerbungen die Straße begehen können sollten. Der Gemeingebrauch an der Straße werde dadurch beeinträchtigt. Dahinter trete das Interesse der Scientology-Gemeinde zurück, zumal Mitglieder auch in anderen Formen angeworben werden könnten. Die sofortige Vollziehung der Untersagung sei im öffentlichen Interesse geboten. Die Zwangsgeldandrohung treffe die Klägerin als nicht rechtsfähigen Verein und jedes Mitglied für den Fall der Zuwiderhandlung.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie damit begründete, daß die Mitgliederwerbung für eine Religionsgemeinschaft keine gewerbliche Betätigung darstelle. Es sei denkgesetzlich unmöglich, daß ein und dieselbe Tätigkeit, nämlich die Mitgliederwerbung, gleichzeitig eine Religionsausübung und eine gewerbliche Betätigung darstelle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.1993 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte im wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid. So unterstrich sie, daß das Ansprechen der Passanten durch die Klägerin eine gewerbliche Tätigkeit darstelle. Gewerbliche Tätigkeiten gingen stets über den Gemeingebrauch an Straßen hinaus und seien deshalb als erlaubnispflichtige Sondernutzungen zu qualifizieren. Diese Form der Nutzung bedeute eine zusätzliche Belastung des allgemeinen öffentlichen Verkehrs, was insbesondere für die Innenstadt von Freiburg gelte. Schon vom Wortsinn her umfasse der Gemeingebrauch an Straßen nicht die gewerbliche Betätigung. Diese sei weder allgemein üblich noch allgemein zugelassen. Dem stehe nicht entgegen, daß sich die Klägerin auf den Schutz der Religionsfreiheit berufe. Es sei nicht die Frage entscheidend, ob in der Geschäftstätigkeit einer Religionsgemeinschaft auch Religionsausübung zu sehen sei. Die Religionsfreiheit solle keinen privilegierenden Rechtsstandort im Verhältnis zur wirtschaftlichen Konkurrenz vermitteln. Gehe eine Religionsgemeinschaft wirtschaftlichen Aktivitäten nach, werde sie nicht anders behandelt als weltanschaulich desinteressierte Wirtschaftsunternehmen. Es komme darauf an, wie sich die Betätigung objektiv darstelle. Für die Betätigung in Freiburg könne sich die Klägerin nicht auf den Schutz des Art. 4 GG berufen. Zunächst sei sehr fragwürdig, ob es sich bei der Klägerin überhaupt um eine Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes handle. Diese Frage sei in der Rechtsprechung noch nicht entgültig geklärt. Allein die Behauptung und das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft bekenne sich zu einer Religion oder zu einer Religionsgemeinschaft, rechtfertige die Berufung auf Art. 4 GG noch nicht. Vielmehr müsse es sich auch tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild um eine Religion und Religionsgemeinschaft handeln. Die Vermittlung und Ausübung einer geistigen Technik ohne bestimmte gedankliche Inhalte oder die Gewährung bloßer Lebenshilfe werde nicht von Art. 4 GG geschützt. Nach dem äußeren Erscheinungsbild spreche viel dafür, daß es sich bei der Klägerin nicht um eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft handle. Im übrigen sei das konkret streitige Verhalten der Klägerin kein religiöser Vorgang. Sie selbst bezeichne das Ansprechen der Passanten auf der Straße zwar als Mission; im Verhalten zu den Passanten sei dies aber nicht zu erkennen. Die Passanten müßten zunächst den Eindruck gewinnen, daß eine Art Umfrage durchgeführt werde. Zwar seien zuletzt von den Werbern Anstecknadeln mit der Aufschrift ''Scientology Gem.'' am Revers getragen worden, doch sei diese Bezeichnung und Aufschrift nicht so auffällig und verbreitet, daß damit in der Bevölkerung sogleich bestimmte Inhalte verbunden würden. Nach den ersten Fragen gehe das Gespräch über in eine Beratung zur Verbesserung der Persönlichkeit, zur Ausschöpfung der geistigen Kapazität oder zur Beseitigung persönlicher Probleme. Es handele sich also um einen völlig religionsneutralen Vorgang. Unabhängig von der Frage der Gewinnerzielungsabsicht falle diese Tätigkeit nicht unter den Schutz des Grundgesetzes. Es entspreche daher rechtmäßiger und zweckmäßiger Ermessensausübung, die der Klägerin nicht erlaubte Tätigkeit zu untersagen. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 08.04.1993 zugestellt.

Am 10.05.1993, einem Montag, hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor, daß die angefochtenen Bescheide teilweise nicht richtig adressiert und bekanntgemacht seien. Die Bescheide seien ihrem Prozeßbevollmächtigten zugestellt worden, die jedoch lediglich die Vertretung von ihr und ihres Dianetik-Zentrums angezeigt hätten. Die Bescheide seien somit rechtswidrig, soweit sie eine Verfügung gegenüber ihren Mitgliedern und den Mitarbeitern der Dianetik-Beratung Freiburg beträfen. Im übrigen sei der Tenor der Verfügung der Beklagten vom 28.01.1992 so unklar formuliert, daß sich eventuelle Zuwiderhandlungen gegen diese Verfügung nicht feststellen ließen. Schließlich seien die angegriffenen Bescheide auch materiell rechtswidrig, da das unaufdringliche Ansprechen von Straßenpassanten in Fußgängerzonen durch ihre Mitglieder durch die Grundrechte aus Art. 4 und 5 GG geschützt wei und mithin dem straßenrechtlichen Gemeingebrauch unterfalle. Bei ihr handele es sich um eine Religionsgemeinschaft im Sinne von Art. 4, 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV. Als Religionsgemeinschaft stehe ihr ein durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantiertes Recht zur Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten zu. Diesem Selbstbestimmungsrecht unterfalle unter anderem die Mission. Ihre Missionstätigkeit erfolge sowohl durch Gespräche als auch durch die Verbreitung religiöser Literatur. Zwar enthalte Art. 137 Abs. 3 WRV einen Gesetzesvorbehalt; aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehe jedoch fest, daß über diese Vorschrift keine weitergehenden Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts von Religionsgemeinschaften zulässig seien als dies bei Anwendung von Art. 4 GG der Fall sei. Da Art. 4 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthalte, sei eine solche Einschränkung damit nur denkbar, wenn andere grundgesetzlich geschützten Rechte mit dem Recht der freien Religionsausübung kollidierten und die Abwägung im Einzelfall zu Lasten der Religionsausübung ausginge. Inhaltlich garantiere Art. 4 GG sowohl die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses als auch die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Redens, also der Verkündigung. Die Religionsfreiheit umfasse nicht nur die innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch die äußere Freheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten. Das unaufdringliche und nicht belästigende Ansprechen von Straßenpassanten zum Zwecke der Vorstellung der eigenen Religionsgemeinschaft und auch zur Gewinnung neuer Mitglieder für diese Religionsgemeinschaft unterfalle damit grundsätzlich dem Schutzbereich von Art. 4 GG. Straßenrechtlich erfordere die Berücksichtigung von Art. 4 GG, daß die Grenze des Gemeingebrauchs weiter gezogen werden müsse als bei religionsneutralen Handlungen. Diese verfassungsorientierte Auslegung der Straßengesetze könne zwar nicht dazu führen, daß eine Religionsgemeinschaft öffentlichen Straßenraum in unbeschränktem Umfang zur Glaubensmissionierung verwenden dürfte. So sei die Grenze zur Sondernutzung beispielsweise dann überschritten, wenn ortsfeste Gestelle in den öffentlichen Straßenraum eingebracht würden. Das bloße Ansprechen von Straßenpassanten zum Zwecke der Mitgliederwerbung stelle sich straßenrechtlich jedoch nicht anders da, als wenn zwei Passanten kurz stehenblieben, um sich zu unterhalten. Zwar sei vorstellbar, daß das Ansprechen von Straßenpassanten dann nicht dem Gemeingebrauch unterfalle, wenn es in einer sehr aufdringlichen und belästigenden Art und Weise erfolge, mithin den Gemeingebrauch und das Persönlichkeitsrecht anderer Passanten beschränke. Auch in diesem Fall müsse aber der richtige Maßstab angelegt werden. Die Lästigkeit eines Missionars bei der Werbung für seine Religionsgemeinschaft müsse jedoch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung von den angesprochenen Bürgern hingenommen werden. Es sei deren Zivilcourage überlassen, dem Missionar gegenüber zum Ausdruck zu bringen, daß man nicht missioniert werden wolle. Die Grenze des Zulässigen ergebe sich erst, wenn die Würde andere Personen verletzt werde oder unlautere Mittel angewandt würden. Von beidem könne im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Im übrigen sei sie nicht gewerblich tätig. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten sei sie organisatorisch wie personell völlig eigenständig. So sei sie nicht in eine umfassende Scientology-Organisation eingebunden. Mitglieder würden nur deshalb weiterführende seelsorgerische Dienste an die Scientology Kirche nach Basel weitervermitteln, weil sie selbst nur eine sehr kleine Mission der Scientology Kirche sei. Schließlich würden alle ihre Mitglieder bei ihrer Tätigkeit im öffentlichen Straßenraum eindeutig und unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß sie für ihre Religionsgemeinschaft tätig seien. Hierauf machten sie auch durch ein offen getragenes Schild an ihrer Kleidung aufmerksam. Außerdem unterfalle dem straßenrechtlichen Gemeingebrauch alles, was gemeinverträglich sei. Bei der Bestimmung dieses Begriffes sei darauf abzustellen, ob sich die in Rede stehenden Tätigkeiten straßenrechtlich besonders negativ auswirkten. Das sei nicht der Fall. Auch in der Fußgängerzone von Freiburg blieben zwei, manchmal auch mehrere Personen stehen, um miteinander zu reden. Hierdurch werde der Gemeingebrauch anderer Fußgänger selbst dann nicht in rechtlich relevanter Weise eingeschränkt, wenn diese Fußgänger ausweichen müßten. Dasselbe gelte, wenn Passanten vor einem Schaufenster einige Zeit verweilten und hierdurch sowohl den Anliegergebrauch des Gewerbetreibenden (sein Schaufenster werde blockiert) als auch wiederum den Gemeingebrauch anderer Fußgänger beeinträchtigten. Es sei nicht so, daß ihre Mitglieder die Fußgängerzonen gesperrt hätten, um jedem Passanten ein Gespräch aufzudrängen. Die Passanten würden auch nicht belästigt. Jeder Passant, der wörtlich oder auch nur durch seine Gestik zum Ausdruck bringe, daß er kein Interesse habe, werde nicht weiter behelligt. Hinzu komme, daß die Beklagte zur Gefahrenabwehr tätig geworden sei, mithin eine Ermessensentscheidung getroffen habe, die ihr jedoch erst bei Überschreitung der sicherheitsrechtlich relevanten Gefahrenschwelle eröffnet sei. Ihre Mitglieder seien jedoch nur gelegentlich tätig geworden, so daß vom Überschreiten einer Gefahrenschwelle nicht gesprochen werden könne.

Die Klägerin beantragt,

die Verfügung der Beklagten vom 28.01.1992 sowie deren Widerspruchbescheid vom 02.04.1993 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

In der Begründung heißt es: Die Klägerin sei richtige Adressatin der Untersagungsverfügung vom 28.01.1992, denn sie habe im Verwaltungsverfahren ihr gegenüber die Interessen der Werber und Mitglieder der Scientology Kirche vertreten. Außerdem habe die Klägerin das Ansprechen der Passanten auf der Straße organisiert, wie dies in der gemeinsamen Besprechung am 22.01.1992 deutlich gemacht worden sei. Da die Klägerin ein nicht rechtsfähiger Verein sei, treffe das Verbot auch die einzelnen Vereinsmitglieder. Der Tenor der Untersagungsverfügung sei völlig klar und eindeutig formuliert. Es sei sowohl der Klägerin gegenüber als auch gegenüber ihren Mitgliedern eine unmißverständliche Untersagung ausgesprochen worden. Die Begründung erläutere zusätzlich das ausgesprochene Verbot. Im übrigen sei die untersagte Tätigkeit gerade nicht als Missionieren in Erscheinung getreten. Die Mitglieder der Klägerin würden weder eindeutig noch unmißverständlich bei ihrer Tätigkeit zum Ausdruck bringen, daß sie für ihre Religionsgemeinschaft tätig seien. Der unauffällige Sticker am Revers ändere daran nichts, zumal auch darauf von Kirche oder Religionsgemeinschaft nichts stehe. Das von ihr verbotene Verhalten sei damit ein religionsneutraler Vorgang und gewerblich, so daß eine Sondernutzung der Straße vorgelegen habe. Diese Sondernutzung sei nach Abwägung der einschlägigen Belange zu Recht verboten worden. Die Straßen in der Fußgängerzone von Freiburg seien dem Fußgängerverkehr gewidmet und nicht der gewerblichen Betätigung. Soweit eine gewerbliche Betätigung im beschränkten Umfang zugelassen worden sei - etwa die Bewirtung vor Gaststätten - bedürfe dies stets einer Sondernutzungserlaubnis. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gehöre selbst der sogenannte kommunikative Verkehr nicht ausnahmslos zum Gemeingebrauch. Der straßenrechtliche Verkehrsbegriff umfasse kommunikative Aktivitäten allenfalls als Nebenzweck der Straßennutzung im Sinne einer individuellen Begegnung, nicht aber als vom Verkehrsinteresse isolierten Hauptzweck. Das gelte auch für Straßen, die dem Fußgängerverkehr gewidmet seien. Das Ansprechen der Passanten durch die Werber der Klägerin sei also selbst dann Sondernutzung, wenn es nicht als gewerblich eingestuft würde. Da es sich bei dem Ansprechen jedoch sogar um eine gewerbliche Tätigkeit handele, überschreite es in jedem Falle den Gemeingebrauch.

Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten (2 Hefte) vor. Auf diese sowie auf die Gerichtsakte wird wegen des weiteren Aufbringens der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Verfügung der Beklagten vom 28.01.1992 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 02.04.1993 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung der Beklagten ist § 16 Abs. 8 StrG. Er bestimmt, daß dann, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird, die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen kann.

Die Klägerin war durch ihre Mitglieder und Mitarbeiter Benutzerin des Fußgängerbereichs und würde es ohne die Untersagung auch zukünftig sein, zugleich waren es auch ihre Mitglieder und Mitarbeiter. Die Untersagungsverfügung konnte sich daher auch auf alle drei Beteiligten beziehen. Diesen gegenüber ist die Untersagungsverfügung auch bekanntgemacht worden und wirksam geworden. Die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin haben gegenüber der Beklagten sowohl die Vertretung der Klägerin als auch diejenige des Dianetik-Informationszentrums der Klägerin angezeigt. Da die Klägerin ein nichtrechtsfähiger Verein ist, wirkt diese Bevollmächtigung der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, die durch deren Präsidenten als Vorstand im Sinne von § 26 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung erfolgt ist, auch für und gegen die Mitglieder der Klägerin (vgl. im übrigen hierzu die Auffassung der Rechtsprechung zur Aktiv- und Passivlegitimation der politischen Parteien als nichtrechtsfähige Vereine mit wechselndem Mitgliederbestand vor dem Inkrafttreten des Parteiengesetzes).

Der Inhalt des Gemeingebrauchs an einer Straße bestimmt sich grundsätzlich nach dem der Straße durch § 2 Abs. 1 StrG generell zuerkannten Widmungszweck ''Verkehr''. Darunter wird nach heute herrschender Meinung nicht nur der Verkehr im engeren Sinne der Ortsveränderung, sondern auch der sogenannte kommunikative Verkehr verstanden, der auf Begegnung und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern gerichtet ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 26.06.1986, VBlBW 1987, 137 m.w.N.; Urt. vom 17.08.1988, NJW 1989, 1299; Lorenz, aaO., RdNr. 21 zu § 13; Kodal/Krämer, Straßenrecht, 4. Aufl., S. 492 ff.). Vor allem innerörtliche Straßen und Plätze sind zugleich Stätten des Informations- und Meinungsaustausches sowie der Pflege menschlicher Kontakte. In besonderem Maße gilt dies für Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche; die Befriedigung des kommunikativen Verkehrs und des Ruhebedürfnisses der Menschen ist ein wesentliches Anliegen, das mit solchen Einrichtungen verfolgt wird. Grenze eines Gemeingebrauchs ist jedoch auch hier das objektive Vorliegen verkehrsbezogenen Verhaltens, das kommunikative Aktivitäten allenfalls als Nebenzweck der Straßennutzung, nicht aber als vom Verkehrsinteresse isolierten Hauptzweck umfaßt (VGH Bad.-Württ., Urt. vom 26.06.1986, aaO).

Gemäß der Satzung der Stadt Freiburg über die Sondernutzungen am Fußgängerbereich Kaiser-Joseph-Straße vom 25.10.1973 in der Fassung vom 01.03.1988 sind die Straßen in der Fußgängerzone in Freiburg dem Fußgängerverkehr gewidmet, manche darüber hinaus dem Verkehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ebenso sind die weiteren Fußgängerbereiche im Stadtgebiet von Freiburg, die von der Untersagungsverfügung der Beklagten umfaßt sind, dem Fußgängerverkehr vorbehalten. Zwar übt in solchen Fußgängerbereichen auch derjenige Fußgänger Gemeingebrauch aus, der nicht lediglich geht, sondern ein Denkmal oder ein Schaufenster betrachtet, Tauben füttert oder auf einer Bank sitzt (so die Beispiele bei Lorenz, aaO, RdNr. 22 zu § 13). Ebenso gehört der Handverkauf von Zeitungen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. vom 01.09.1975, NJW 1976, 203) zum Gemeingebrauch an den zum Fußgängerbereich gehörenden Straßen. Andererseits werden Fußgängerbereiche stets und in erster Linie zu dem Zweck errichtet, den möglichst ungehinderten Fußgängerverkehr zu gewährleisten. Sie werden nicht als eine Art ''Kommunikationsmedium'' (so Stock, Straßenkommunikation als Gemeingebrauch, 1979, S. 70), sondern primär als Verkehrseinrichtungen geschaffen. Deshalb fallen gewerbliche und wirtschaftliche Betätigungen, wozu auch die Wirtschaftswerbung gehört, grundsätzlich nicht unter den Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen (h.M. in Rechtsprechung und Literatur; vgl. u.a. OVG Hamburg, Beschl. vom 27.02.1985, NJW 1986, 209 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die von der Beklagten untersagte Tätigkeit der Mitarbeiter und Mitglieder der Klägerin nicht dem Gemeingebrauch zugerechnet werden. Dem äußeren Erscheinungsbild nach unterscheidet sich die Tätigkeit der Mitarbeiter der Klägerin nicht wesentlich von der - erlaubnispflichtigen - Straßenwerbung z. B. für die Mitgliedschaft in einer Buchgemeinschaft oder für die entgeltliche Teilnahme an einem Kursus. Die Werbung der Klägerin ist allerdings insofern irreführend, als die angesprochenen Passanten zunächst in die Geschäftsräume der Klägerin gebeten werden, um sich interessehalber dort einem Persönlichkeitstest zu unterziehen. Da sich nach den von der Beklagten im Verwaltungsverfahren und insbesondere nach der gemeinsamen Besprechung im Amt für öffentliche Ordnung am 16.01.1992 getroffenen Feststellungen, denen die Klägerin nicht widersprochen hat, an die Auswertung des Persönlichkeitstests nahtlos ein Verkaufsgespräch über die von der Klägerin hergestellten Druckerzeugnisse und von ihr durchgeführten Kurse anschließt, sind die Aktivitäten der Straßenwerber dieser gewerblichen Tätigkeit des Verkaufspersonals in den Geschäftsräumen der Klägerin zuzuordnen. Deren Tätigkeit ist gewerblich, weil sie umsatz- und gewinnorientiert ist. Die Gewerblichkeit der Tätigkeit der Klägerin muß hierbei im Zusammenhang mit der Gesamtorganisation der Scientology Kirche beurteilt werden. Nach dem Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erwirtschaftet diese für sich betrachtet zwar keinen Gewinn; sie ist aber so in die Gesamtorganisation eingebunden, daß ihre Tätigkeit nur unter Berücksichtigung dieser Einbindung rechtlich beurteilt werden kann. Die Klägerin hat angegeben, daß sie rechtlich, organisatorisch und personell eigenständig sei. Sie hat jedoch eingeräumt, daß sie zur international verbreiteten Scientology Kirche gehöre und daß sie wegen ihrer beschränkten Größe häufig Mitglieder für weiterführende seelsorgerische Dienste an die Scientology Kirche nach Basel vermittele, wo Kurse absolviert werden können, für die mehrere Tausend Schweizer Franken zu zahlen sind. Das gesamte Verhalten der Klägerin bzw. deren Mitarbeiter ist damit darauf angelegt, die angesprochenen Passanten in der Freiburger Innenstadt zur Inanspruchnahme von entgeltlichen Leistungen der überörtlichen, jedenfalls nicht in Freiburg ansässigen Scientology-Gruppen zu bewegen. Dies ergibt sich schon aus der Regelmäßigkeit, mit der Interessenten nach Basel verwiesen werden, wie es die Klägerin im Verwaltungsverfahren selbst angegeben hat. Daß die Scientology Kirche als Gewerbetreibende im Sinne der Gewerbeordnung anzusehen ist, ergibt sich auch aus den Methoden der Scientology-Gesamtorganisation, die konzentriert auf Umsatz ausgerichtet ist. So ist die absatzorientierte Ausrichtung eine zentrale Eigenart der Gesamtorganisation der Scientology Kirche (vgl. OVG Hamburg, Beschl. vom 27.02.1985, aaO; OLG Düsseldorf, Urt. vom 12.08.1983, NJW 1983, 2574; OVG Hamburg, Urt. vom 06.07.1993, NVwZ 1994, 192; VG Stuttgart, Urt. vom 30.09.1993, NVwZ 1994, 612). Nach den oben genannten Erwägungen ist die Klägerin in diese Gesamtorganisation als ein auf Gewinnerzielung bedachtes Wirtschaftsunternehmen eingebunden und damit selbst als gewerblich tätig anzusehen. Die Klägerin hat weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die absatzorientierte Zweckausrichtung bei ihr nicht vorliegt.

Aber auch dann, wenn unabhängig von der Intention des Benutzers des öffentlichen Verkehrsraums allein darauf abgestellt wird, ob das äußere Erscheinungsbild der Aktivitäten demjenigen der übrigen Verkehrsteilnehmer entspricht oder nicht (vgl. insoweit Lorenz, aaO, RdNr. 23 ff. zu § 13; OLG Köln, Beschl. vom 19.08.1991, NVwZ 1992, 100 f.), überschreitet die Tätigkeit der Mitarbeiter und Mitglieder der Klägerin die Grenzen des Gemeingebrauchs in einem Fußgängerbereich. Wenn die Mitarbeiter und Mitglieder der Klägerin die Straßen in der Fußgängerzone in Freiburg dazu genutzt haben, um Passanten anzusprechen und sie zu einem Besuch ihres Dianetik-Zentrums zu veranlassen, geht diese Verhaltensweise über die nach der Verkehrsanschauung übliche Nutzung durch Fußgänger auch im Rahmen des ''kommunikativen Verkehrs'' hinaus und ist in aller Regel auch geeignet, den Fußgängerverkehr zu beeinträchtigen. Bei dem Ansprechen der Passanten durch die Mitarbeiter der Klägerin mit den Einstiegsfragen ''Wollen Sie Ihre Persönlichkeit verbessern?'', ''Was verstehen Sie unter Unterbewußtsein?'' oder ''Was verstehen Sie unter Dianetik?'' wird die Fußgängerzone von den Mitarbeitern der Klägerin nicht zur Kommunikation benutzt, vielmehr zielt das Ansprechen der Passanten darauf hin, diese von der Fußgängerzone wegzuziehen und sie zum Aufsuchen der Räumlichkeiten der Klägerin zu veranlassen. Zweck der Benutzung ist daher in erster Linie die gewerbliche Werbung und nicht die Ortsveränderung eines Fußgängers (vgl. Kodal/Krämer, aaO. S. 543. m.w.N.).

Es stand daher grundsätzlich im Ermessen der nach § 50 Abs. 3 StrG als Straßenbaubehörde zuständigen Beklagten, die über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung zu untersagen.

Die Beklagte hat die Untersagung des Ansprechens von Passanten auf der Straße durch die Mitarbeiter und Mitglieder der Klägerin damit begründet, daß der öffentliche Verkehrsraum nicht für Scheinumfragen zur Verfügung gestellt werden solle und die Passanten unbehelligt von verdeckten Anwerbungen die Straßen begehen können sollten. Der Gemeingebrauch an der Straße werde hierdurch beeinträchtigt. Dahinter müsse das Interesse der Klägerin zurücktreten, da Mitglieder auch in anderer Form angeworben werden könnten. Diese Erwägungen halten sich innerhalb der dem Ermessen gesetzten gesetlichen Grenzen, das der Beklagten durch die Vorschrift des § 16 Abs. 8 Satz 1 StrG eröffnet ist. Der Zweck der aus dieser Vorschrift resultierenden Ermächtigung besteht darin, alles das von einer Straße fernzuhalten, was die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigen kann. Aus den oben genannten Gründen beeinträchtigte die Tätigkeit der Mitarbeiter und Mitglieder der Klägerin den dem Fußgängerverkehr gewidmeten Zweck der Freiburger Fußgängerzone. Ebenso hätte das Ansprechen von Passanten in den sonstigen Fußgängerbereichen im Freiburger Stadtgebiet den dem Fußgängerverkehr gewidmeten Zweck dieser Bereiche überschritten. Damit ist die Untersagung diser Tätigkeit wegen des Fehlens einer Sondernutzungserlaubnis - die von der Klägerin auch nicht beantragt worden ist - nicht rechtswidrig.

Dies gilt auch dann, wenn die Grundrechtsbindung der Exekutive bedacht wird. So wirkt sich zugunsten der Klägerin nicht Art. 4 GG aus.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Klägerin um eine Religionsgemeinschaft oder weltanschauliche Vereinigung im Sinne des Art. 140 GG i.v.m. Art. 137 WRV handelt. Die Tätigkeit, für die die Klägerin den Schutz des Art. 4 Abs. 2 GG beansprucht, erschöpft sich darin, daß von ihren Mitgliedern Passanten angesprochen werden, um ihnen nach Durchführung eines Persönlichkeitstests Bücher und Dienstleistung gegen Entgelt anzubieten. Eine solche Werbetätigkeit ist vom verfassungsrechtlichen Begriff der Religionsausübung nicht gedeckt, selbst wenn die Klägerin auch das Ziel verfolgt, neue Mitglieder für ihre Organisation zu gewinnen. Zwar ist die Mitgliederwerbung für eine Religionsgemeinschaft Religionsausübung als Form der Religionsfreiheit (vgl. BVerfG, Beschl. des 1. Senats vom 08.11.1960, BVerfGE 12, 1 ff). Die Tätigkeit der Mitglieder der Klägerin in der Fußgängerzone in Freiburg bringt die Absicht der Missionierung aber nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck. So enthalten weder die von den Mitgliedern der Klägerin an die Passanten in Freiburg gerichteten Einstiegsfragen noch die Aufforderung, sich in den Räumlichkeiten der Klägerin einem Persönlichkeitstest zu unterziehen, Hinweise für eine Werbung für religiöses oder weltanschauliches Gedankengut. Eine solche wird auch nicht durch das Tragen der Anstecknadeln mit der Aufschrift ''Scientology Gem.'', wie sie sie die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegt haben, an der Kleidung der Mitarbeiter der Klägerin offenbar. Es ist aus diesem Sticker, sofern er den Angesprochenen überhaupt auffallen sollte, nicht ohne weiteres erkennbar, daß derjenige, der diese Anstecknadel trägt, zu einer Kirche oder Religionsgemeinschaft gehören soll.

Auch Art. 5 Abs. 1 GG schränkt hier das Ermessen nicht zugunsten der Klägerin ein, da § 16 Abs. 8 StrG als allgemeines Gesetz die Untersagungsverfügung deckt.

Schließlich widerspricht die Untersagungsverfügung auch nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie durfte sich auf die öffentlichen Verkehrsflächen im Stadtgebiet erstrecken, da sich die Frage der erlaubnispflichtigen Sondernutzung in allen Fußgängerbereichen stellt.

Die auf §§ 1, 2, 19, 20 und 23 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes gestützte Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,-- DM begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu. Die Berufung ist beim Verwaltungsgericht Freiburg, Dreisamstraße 9a, 79098 Freiburg, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim, eingeht.

Die Berufungsschrift muß das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden.

gez. Dr. Backhaus     gez. Neumann     gez. Dr. Linde-Rudolf

Beschluß

Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß §§ 25 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG

auf 6.000,-- DM

festgesetzt.

gez. Dr. Backhaus     gez. Neumann     gez. Dr. Linde-Rudolf

Ausgefertigt
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Meneghelli
Ger. Hauptsekretärin

[Unterschrift und Stempel des Verwaltungsgerichts Freiburg]