Die verzwickte Wicke

Gen Soja verstärkt den Trend zur Intensiv-Landwirtschaft im Norden und im Süden

erschienen in: erschienen in: Frankfurter Rundschau, 8. April 1997
Autorin und © Ute Sprenger

Vor rund 300 Jahren pflanzte im US-Bundesstaat Georgia ein englischer Abenteurer erstmals jene Hülsenfrucht an, bei der die USA heute den größten Teil des Weltmarktes beherrschen und deren genveränderte Nachfahren in diesem Winter zu reichlich politischer Aufregung in Westeuropa führten. "Chinesische Wicke" nannte Samuel Bowen seinerzeit die heute als Sojabohne bekannte Pflanze. Und aus China auch hatte er ein Verfahren zur Herstellung von Sojasauce mitgebracht, ein damals schon in Europa begehrtes Produkt. Mit Hilfe der Sauce, die er exportierte gelangte er in kürzester Zeit zu Wohlstand in der Neuen Welt. Zu Ansehen kam Bowen durch seine Versuche die in Europa und der Kolonie weit verbreitete Mangelkrankheit Skorbut mit einer Mischung aus Soja und Süßkartoffelmehl zu bekämpfen. Die Londoner Gesellschaft für Kunst und Handel und sogar König George III. ehrten ihn für sein heilsames Essen.

Ob der Biß in den Soja-Burger heute noch so gesund ist, wie damals die Kost des Samuel Bowen mag bezweifelt werden. 1993/94 jedenfalls wurden im konventionellen Anbau pro Hektar 1,13 Kilogramm eines Cocktails aus bis zu fünf verschiedenen Pflanzengiften versprüht. Das geht aus Daten der Informationstelle Sojabohne hervor, einer gemeinsamen Einrichtung der Deutschen Ölmühlen und des US-Agrobiotechunternehmens Monsanto. Eine Goldgrube für die industrielle Landwirtschaft der Weltagrarmacht USA sind die öl- und eiweißreichen Bohnen allemal. Seit den 70er Jahren steigt die Nachfrage nach Sojaprodukten für Lebensmittel und als Viehfutter in Industrieländern, und boomt der Sojamarkt. Heute zählt Soja neben Mais zu den bedeutendsten Agrarerzeugnissen der USA, die 1995 knapp die Hälfte der Welternte von 135 Millionen Tonnen einfuhren. Allerdings stagniert dort die Produktion seit Mitte der 80er Jahre, und sank in letzten Jahren sogar leicht. Denn auch andere suchten inzwischen ihr Wohl im Sojaanbau. Brasilien und Argentinien wurden die schärfsten Konkurrenten der USA auf dem Weltmarkt für die Hülsenfrüchte. Vor allem Brasilien, wo heute Millionen Menschen hungern, produziert allein für den Export.

Nun fürchtet so mancher Sojafarmer in den USA um die Zukunft seines Betriebes. Wegen der Gen-Soja könnten Händler in der EU die Ware verstärkt aus Lateinamerika importieren. Zu heftig waren die Proteste in europäischen Ländern, als der Agrar-Multi Monsanto mit aller Macht seine genveränderten Sojabohnen ungekennzeichnet auf den Markt brachte. Selbst das Wissenschaftsblatt der Branche, Nature Biotechnology, registierte erstaunt Monsantos Ingnoranz gegenüber Handel und Verbraucherwünschen in Europa. Die Forderungen der Opposition in der Alten Welt bewegen sich zwischen Kennzeichnungspflicht und Aufrufen zum Boykott. Denn schließlich hat Monsantos neue Sojabohne für Konsumenten auch keinerlei Nutzen. Sie verträgt lediglich eine Dusche mit dem hauseigenen Herbizid mit Handelsnamen Roundup (Wirkstoff: Glyphosat). Verkauft wird die transgene Ölpflanze im Paket mit dem Herbizid. Im Preis liegt die RR Soja um 25 Prozent über den herkömmlichen. Das würde aber wettgemacht werden durch die geringeren Kosten beim Einsatz von Pflanzengiften, versichern ihre Macher.

Roundup, auf dem Markt seit Mitte der 70er Jahre, ist nach Firmenangaben heute in 130 Ländern zugelassen und gehört zu den meistverspritzten Pflanzengiften weltweit. Gemeinsam mit dem Zuckerersatzsstoff Aspartame (Nutrasweet) ist das breit wirksame Herbizid der Goldesel des Konzerns. Die Gewinnspannen liegen jeweils bei 20 Prozent des Gesamtumsatzes. Im vergangenen Frühjahr - kurz nach der Zulassung der Gen-Soja in der EU - hat Monsanto kräftig in Roundup investiert. Mit 200 Millionen US-Dollar werden die Kapazitäten der Fabriken in Australien, Belgien, Brasilien, China, Indien, Indonesien und den USA ausgeweitet. Der Konzern setzt auf Verdrängungswettbewerb.

Umso bemerkenswerter ist, womit der Agro-Multi für den Anbau seiner herbizidresistenten Sojabohnen wirbt: Sie seien umweltfreundlicher als konventionelle und förderten eine nachhaltige Landwirtschaft. Doch gerade das wird von vielen jener Aktivisten bestritten, die in den USA und Westeuropa jetzt zum Widerstand blasen. Neben Gesundheitsrisiken für die Verbraucher wird mit Gen-Soja ein weltweiter Vormarsch der allein auf Ertragssteigerungen fixierten intensiven Landwirtschaft befürchtet. Und die, so räumt selbst die Welternährungsorganisation FAO ein, ist nun einmal der hauptsächliche Verursacher des rasanten Artensterbens in den letzten Jahrzehnten.

Unbestritten macht der Einsatz herbizidtoleranter Pflanzen erst im großflächigen, monokulturellen Anbau einen Sinn, der extrem energie- und technikintensiv ist, aber immer weniger Menschen Lohn und Brot bietet. Begünstigt werden folglich mittlere und große Betriebe, die sich die höheren Input-Kosten leisten können. Auch beim AgrarBündnis, das hierzulande Organisationen aus bäuerlicher Landwirtschaft, Umwelt und Tierschutz vertritt, sieht man deshalb im Einsatz der Gentechnik keine Perspektive für eine nachhaltige Bewirtschaftung. "Höfesterben, sinkende Erzeugerpreise, der Zwang zu immer intensiverem Wirtschaften, Subventionsabhängigkeiten, Umweltprobleme, Verunsicherungen bei Konsumentinnen und Konsumenten über die Qualität der Lebensmittel sind bereits jetzt Folgen der Landwirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte." Der kommerzielle Einsatz transgener Hochleistungssorten werde all dieses noch verschärfen, so das Bündnis. Und das gelte in Nord und Süd.

Das Mantra der Gentech-Lobby klingt anders: Besonders in Ländern des Südens wolle man das Problem des Hungers lösen. Doch satte Gewinne winken den Agrobiotech-Konzernen kaum von der Kleinbäuerin, die in Malaysia lokales Saatgut anbaut oder von der verarmten Familie eines - womöglich durch die dort seit den 60er Jahren expandierende Sojaindustrie - Landlosen in Brasilien. Deshalb auch sind es die lukrativen, am Weltmarkt gehandelten Nutzpflanzen wie Mais, Reis, Kartoffeln, Soja, Raps oder Baumwolle und Schnittblumen, die ins Visier der vornehmlich Industrie-dominierten Genforschung gerieten. Und so erklärt es sich auch, daß zum überwiegenden Teil an Resistenzen gegen gängige Herbizide und - entgegen jeglicher philantrophischer Pose - kaum an im Süden üblichen Nahrungspflanzen geforscht wird. Denn die haben allenfalls einen regionalen Markt, wie etwa Cassava, Hirse oder Sorghum. Das Agrobusiness hat schließlich nichts zu verschenken. Und die Gentechnik scheint ein Patentrezept dafür zu sein, das eine Produkt zu schaffen, um den Umsatz eines anderen damit anzukurbeln.

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