Banane statt Spritze

Genmanipuliertes Obst wird bald schon als "Impfung" dienen, glauben US-amerikanische Forscher

erschienen in: Südwind-Magazin (Österreich), September 1997
Autorin und © Ute Sprenger

Wissenschaft und Industrie träumen davon, Gesundheit eßbar zu machen. Genmanipuliertes Obst soll schon in naher Zukunft insbesondere Entwicklungsländer vor Krankheiten schützen. Noch sind die Impffrüchte Zukunftsvision hochdotierter Wissenschaftler in den USA.

An der Ostküste der USA macht ein ambitionierter Pflanzenforscher derzeit Front gegen Infektionskrankheiten: "Die altbekannte Redensart, daß ein Apfel pro Tag den Arzt erspare, ist nahe daran wissenschaftliche Wirklichkeit zu werden", glaubt Charles Arntzen, Biochemiker und Leiter am New Yorker Boyce Thompson Institut für Pflanzenforschung. Schließlich arbeitet seine Firma an "nachwachsenden" Schutzimpfungen. Hier werden durch Genmanipulation Wirkstoffe, die das Immunsystem mobilisieren, in Früchte eingeschleust. Im Unterschied zu teuren Pharmaprodukten für reiche Länder, hätten Impffrüchte eine andere Zielgruppe. "Wir wollen einen billigen Impfstoff herstellen, der keine Kühlung benötigt und sich für den Einsatz in Entwicklungsländern eignet", sagt Charles Arntzen. Die Banane biete sich dafür besonders an. Sie wächst im Überfluß, ist billig und beliebt bei Kindern. Und, davon ist Arntzen überzeugt, die Frucht ließe sich einfach und erntefrisch durch Gesundheitsarbeiter verteilen. In jedem staubigen Hinterhof in einem x-beliebigen Entwicklungsland, so die Zukunftsvision des Pflanzenforschers, "könnten Mütter ihre Kinder mit Impfstoff-Bananen füttern."

Aber soweit ist es noch nicht. Denn die Forschung an den transgenen Impffrüchten, die ihr Erfinder gern auch als "Hightech-Kräutermedizin" verkauft - quasi als Weiterentwicklung der Methoden traditioneller Heiler - steckt in den Kinderschuhen.

In den Labors konnten bisher nur einzelne Genabschnitte von Krankheitserregern - sogenannte Antigene - in das Erbgut von Pflanzen übertragen werden. Die Geningenieure am Boyce Thompson Institut schleusten in Kartoffeln und Tabak Teile von Escherichia coli-Bakterien und Hepatitis-B-Viren ein. Mäuse, die an den Pflanzen knabberten, produzierten geringe Mengen Antikörper.

Ob das dem Menschen hilft, ist jedoch fraglich. Denn schließlich bekommen Mäuse weder Hepatitis noch verursacht Escherichia coli bei ihnen Durchfall. Eher leiden offenbar die Pflanzen unter dem Darmbakterium: Bei höheren Antigenkonzentrationen begannen Kartoffeln zu kümmern.
Die ersten Bananensetzlinge mit Hepatitis-B-Antigenen gibt es bereits. In zwei Jahren soll der Impfstoffgehalt getestet werden, hofft Arntzen.

Dabei mangelt es keineswegs an Impfstoffen für die Dritte Welt. In den vergangenen 20 Jahren wurde Millionen von Kindern mit preiswerten Standardpaketen von sechs Impfungen (Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Polio, Masern und Tuberkulose) das Leben gerettet. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Kinderhilfswerk UNICEF fehlt vielmehr das Geld, diese zu verteilen. Und: Neue Impfstoffe sind maßlos teuer. Denn die private Forschung schützt ihre Produkte mit Patenten. Die 1986 gentechnisch entwickelte Hepatitis-B-Vakzine kosten mit 150 US-Dollar zehnmal soviel wie das gesamte Basisimpfpaket.

Wieviel also werden die Impffrüchte schließlich kosten? Pflanzenforscher Arntzen versichert, daß eßbare Impfstoffe preisgünstiger erzeugt und verteilt werden könnten, weil sie im Gegensatz zu herkömmlichen Vakzinen nicht ständig gekühlt werden müßten. Der Amsterdamer Tropenmediziners Jurrien Toonen ist da nicht so überzeugt. Er rechnet mit neuen finanziellen und logistischen Belastungen, "etwa bei der Frage des Transports großer Mengen frischer Früchte in tropischem Klima."

Pflanzenimpfungen könnten zudem an kulturellen Barrieren scheitern, gibt Toonen zu bedenken. "Jede Frucht hat ein bestimmtes Image." Ob Bananen überall eher akzeptiert würden als die allseits bekannten Spritzen, sei schwer vorauszusagen. Für Luis Jodar, Wissenschaftler im Impfstoffprogramm der WHO, ist überdies offen, ob die Früchte den Menschen überhaupt ausreichend immunisieren.

Noch in diesem Jahr will die WHO mit ExpertInnen über die rechtlichen, medizinischen und wissenschaftlichen Fragen der neuen Impffrüchte zu beraten. Etwa über die biologische Sicherheit bei Anbau und Verbreitung der Pflanzen oder ob die Pflanzen als Nahrungsmittel oder als Medikament deklariert werden sollen. Für beides wären nämlich jeweils andere Zulassungsbehörden zuständig.

Werden schließlich die von der Weltgesundheitsorganisation geförderten transgenen Impffrüchte die Gesundheitsversorgung in Ländern des Südens wirklich spürbar verbessern? "Ein Allheilmittel wird die Impfbanane sicherlich nicht sein", so zögernd Luis Jodar.

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