Ghana im Goldrausch

Das Land kämpft mit wachsender Armut und Umweltzerstörung

erschienen in: Frankfurter Rundschau, 24.1.1994
Autorin und © Ute Sprenger

Kakao, Gold, Diamanten und tropische Hölzer - diese Rohstoffe liefert Ghana seit kolonialen Zeiten für den Weltmarkt. Doch der Zuschnitt des internationalen Handels auf die Bedürfnisse westlicher Industriestaaten hat Ghana schlechte Preise für seine "Kolonialwaren" beschert und die Bevölkerung des Landes in die Armut gebracht. Seit elf Jahren saniert die Regierung des Jerry J. Rawlings die ghanaische Wirtschaft per Strukturanpassungskredite. Erfolgreich, wie westliche Ökonomen meinen, bei denen Rawlings und seine Minister als "Musterknaben" gelten, weil sie die Auflagen des internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank konsequent durchsetzen. Doch die bisherige Wirtschaftspolitik des mittlerweile hochverschuldeten Landes geht zu Lasten der Menschen und der Umwelt.

Wenn auch auf internationalen Foren das jährliche Plus des Bruttosozialprodukts und die wirtschaftliche Stabilität gepriesen werden, viele Ghanaer hatten gar nichts davon - besonders jene, die bei dieser Sanierung durch Massenentlassungen, Privatisierung von Staatsbetrieben und deren Verkauf an ausländische Investoren ohne Einkommen auf der Strecke blieben. Sie interessiert weniger, ob die Regierung weiterhin bei den Banken kreditwürdig bleibt. Was sie zu spüren bekommen sind die negativen Auswirkungen von Reformprogrammen und Wirtschaftsliberalismus, die horrenden Transportkosten, steigende Preise für Nahrungsmittel, das teure Schulgeld und das zusammenbrechende Gesundheitssystem. "Es ist bereits so schlimm", berichtete kürzlich der in London erscheinende New African, "daß selbst in führenden Krankenhäusern einfache Operationshandschuhe und Betäubungsmittel nicht mehr verfügbar sind." Im Zentralkrankenhaus in der Hauptstadt Accra falle hin und wieder mitten in der Operation die Elektrizität aus.

Bei der Planung von Maßnahmen zur Strukturanpassung (SAP) spielen soziale und ökologische Kriterien keine Rolle. Da macht auch Ghana keine Ausnahme, wie aus einer Studie der "Freunde der Erde" über die drei Regenwaldländer Ghana, Guyana und Philippinen hervorgeht. Die starke Orientierung der Regierung auf den Export, die damit verbundene Ausdehnung des Kakaoanbaus und die Privatisierung der Holzproduktion haben den tropischen Wald Ghanas erschreckend schnell schwinden lassen, wird dort festgestellt.

Aber auch die, auf drängen des IWF ausgeweitete Goldproduktion führte zu ökologischen und gesundheitlichen Problemen vor Ort. Rund 37 Prozent des Edelmetalls auf dem Weltmarkt kommen vom afrikanischen Kontinent, wo Ghana heute nach Südafrika der zweitgrößte Goldproduzent ist. Gold, nach Kakao zweitwichtigster Devisenbringer des Landes, wird in der Ashantiregion im Südwesten Ghanas abgebaut. Dort, südlich der Distrikthauptstadt Kumasi, liegt eine der ertragreichsten Goldminen der Welt. Mit gezielten Krediten wurde seit 1985 der Abbau in der größten Mine des Landes, der Ashanti Goldfields Corporation (AGC), angekurbelt und seit 1989 dürfen dank eines neuen Bergbaugesetzes auch die vielen kleinen Goldsucher legal nach Gold schürfen.

"Allein in der Western Region sind 53 neue Goldminen - zumeist von Goldsuchern in kleinem Umfang - eröffnet worden", berichtet Samuel Sarpong von der britischen Nichtregierungsorganisation Panos. Die Folgen: Flüsse, aus denen vor zehn Jahren noch Trinkwasser geschöpft wurde, die die Felder bewässerten oder in denen Anwohner fischten, sind durch Quecksilber und Chemikalien vergiftet. Die zuvor fruchtbaren Uferregionen sind tot. In Obuasi, wo die große AGC-Mine die Abfallprodukte aus den Schloten - schwefel- und arsenhaltige Schwebstoffe - in den umliegenden Baumwoll- und Alfalfafelder bläst, sind die Einwohner geteiler Meinung über die Expansion. "Sie sind besorgt über die Umweltverschmutzung und die Verödung des Landes", weiß Sarpong. "Aber die Jobs bei dem Unternehmen und dessen Schulen und Kliniken finden sie gut."

Wenig Interesse an sozialen Fragen, noch weniger an ökologischen besteht bei der Opposition. Auch nach den ersten Wahlen Ende 1992, aus denen das ehemalige Militärregime als Gewinner hervorging, sind die verschiedenen Grüppchen und Parteien des Landes weiterhin damit beschäftigt, Rawlings und seine Ministerriege als böse Buben zu entlarven. So wird sich wohl kaum jemand dieser jetzt durch Wahlen legitimierten Regierung entgegenstellen, die trotz aller negativen Folgen ihrer Strukturanpassungsprogramme zur Zeit mit einem qualitativen Sprung der Wirtschaft liebäugelt. Nach dem Vorbild der "Tiger" Hongkong, Malaysia, Indonesien, Taiwan, Südkorea, Thailand - bekannt für ihre rasante Entwicklung auf Kosten von Menschen und Umwelt - will Finanzminister Kwesi Botchwey die Wirtschaft Ghanas liberalisieren, den Privatsektor stärken und noch mehr ausländisches Kapital ins Land holen. In den vergangenen Monaten waren Regierungsvertreter schon zwecks Weiterbildung in Asien.

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