Radio von Kindern für Kinder

Beim Sender "Eyabantwana" im südafrikanischen Township Khayelitsha erobert der Nachwuchs die Ätherwellen

erschienen in: Frankfurter Rundschau, 7. April 1997
Autorin und © Ute Sprenger

In der Ära der Apartheid hatte der Staat das Monopol über Südafrikas Sendefrequenzen. Seit 1994 nun werden die Ätherwellen des Landes neu aufgeteilt. Neben privaten und öffentlichen Sendern können jetzt auch Gemeinderadios legal Programme ausstrahlen. Ein einzigartiges Projekt wird im Kapstädter Township Khayelitsha aufgebaut: Ein Radiosender von Kindern für Kinder.

"Molweni, guten Tag, hier sind Nosisana Mangaliso und Xoliswa Nteleza vom Kinderradio. Wir sind von der Gruppe Shining Star in Khayelitsha. In den nächsten dreißig Minuten hört Ihr ein Programm über das Rauchen." Ein wenig holperig und atemlos klingt es schon noch, wenn die jungen Reporterinnen von Radio Eyabantwana, dem Kinderradio im größten schwarzen Township von Kapstadt ihre Sendungen moderieren. Eyabantwana heißt Kind auf Xhosa. Nosisana (12) und Xoliswa (13) und mit ihnen vierzehn Freundinnen und Freunde gehören zu dem Radio-Nachwuchs, der seit 1995 beim Children's Resource Centre (CRC) ausgebildet wird. Das CRC ist eine Initiative, die seit Beginn der 80er Jahre in den Townships vor allem von Kapstadt eine Kinderbewegung organisiert. In Xhosa, einer der elf offiziellen Sprachen des neuen Südafrika, berichtet das Kinder-Team über Probleme aus der Nachbarschaft oder aus den Schulen. Es wird erklärt, wie man mit geringen Mitteln einen Gemüsegarten anlegt, was getan werden muß, wenn ein Kind aus versehen Paraffin trinkt oder wie ein Streit unter Freunden geschlichtet werden kann. Die Erkennungsmelodie des jungen Senders heißt "From Child to Child" und steht für sein Programm: Kinder lernen von Kindern. Unterstützt wird das Projekt auch durch lokale alternative Radiomacher.

Erstmals offiziell zu hören war Radio Eyabantwana zwischen August und September 1996. Mit einer 30tägigen Lizenz, erteilt von der unabhängigen Behörde zur Lizenzvergabe IBA, gingen die Kinder auf Sendung. Von einem provisorischen, knapp fünf Quadratmeter kleinen Studio im hinteren Teil eines zum Büroraum umgebauten Frachtcontainers aus sendeten sie selbstgemachte Berichte und Geschichten, Gedichte und Lieder ins Township. Die Antenne von Radio Eyabantwana hat eine Reichweite von fünf Kilometern. "Wir sprechen mit dem Radio vor allem die beim Children's Resource Centre organisierten Kinder an. In Khayelitsha haben wir ungefähr 750 Mitglieder", erklärt Noncedo Quina, eine der beiden erwachsenen Koordinatorinnen des Radios. Daß aber unter den rund 600.000 EinwohnerInnen Khayelitshas auch andere zuhörten, beweisen die zahlreichen Anrufe von Eltern und Kindern. Die wollten nach den Sendungen wissen, ob und wie sie beim Kinderradio mitmachen könnten. Doch die RadiomacherInnen sind vorsichtig. "Wir erklären den Leuten, daß erstmal nur die Kinder aus unseren Gruppen teilnehmen können. Damit wollen wir verhindern, daß die sehr negativen Werte unser Gesellschaft, wie die zunehmende Gewalt über das Radio verbreitet werden."

Die Befürchtung, daß der Sender zur Propagierung von Gewalt mißbraucht werden könnte, ist nicht unbegründet. Viele der schwarzen Kinder und Jugendlichen rechnen sich im neuen Südafrika, dessen Wirtschaft sich nur allzu rasch den globalen Bedingungen anpaßt, realistischerweise wenig Chancen auf Jobs und legales Einkommen aus. In den Townships von Kapstadt herrscht die Angst vor "gangsterism" - den nächtlichen Überfällen und Schießereien von Jugendbanden in den Straßen. Auch deshalb geht es dem Kinderzentrum vor allem darum, bestimmte positive Werte zu vermitteln: "Nicht-rassistisch, nicht-sexistisch und frei von Konkurrenzdenken", das ist die Botschaft. Kinder sollten beschützt werden und lernen mit anderen zu teilen.

Eigentlich hatten alle bei Radio Eyabantwana damit gerechnet, daß die IBA ihnen für mindestens ein Jahr eine Frequenz zum Senden zuteilt. Immerhin sind die technischen Voraussetzungen zur Programmgestaltung erfüllt - der Umgang mit Mikrofon und Soundmix, Aufnehmen, Schneiden und Senden waren zuvor beim unabhängigen Bush Radio in Kapstadt und anderswo trainiert worden. Eine einfach zu bedienende und robuste Sendeanlage, die in einem metallenen Reisekoffer Platz findet, hatte eine Gruppe von deutschen TechnikerInnen im Auftrag der Berliner Stiftung Umverteilen! für eine, solidarische Welt gebaut. Doch die Behörde tut sich schwer mit dieser für den afrikanischen Kontinent einzigartigen Initiative. Weil Erwachsene üblicherweise für Kinder handeln, traue wohl auch die IBA-Bürokratie den Kindern nicht zu, Radio selber zu machen, vermutet Noncedo Quina. "Aber wir haben sie trainiert. Und die Kinder haben bewiesen, daß sie es können."

Nun hoffen die RadiomacherInnen, die Behörde in absehbarer Zeit doch noch davon überzeugen zu können, daß Radio Eyabantwana mit einer eigenen Frequenz in Betrieb gehen sollte. Bis dahin feilen die Kinder und ihre FreundInnen weiter an der Qualität ihrer Programme. Die fertigen Ton-Cassetten sind inzwischen auch bei anderen Sendern gefragt. Schließlich werden Kindersendungen bislang noch selten produziert in Südafrikas demokratisiertem Radiosektor.

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